Wien – Um Fakt gegen Fake ging es Mittwochabend bei einer Diskussion der Nachrichtenagentur APA auf der Suche nach "Ankern in der Pseudoinformationsflut". Also vor allem um die Grundfrage: Kann das wahr sein?

Diese Frage immer und immer wieder zu stellen bringt einen schon einen womöglich entscheidenden Schritt weiter auf dem Weg zwischen wahr und falsch auf Facebook, Youtube, Twitter oder in Messengerdiensten und auf Seiten, die wie Nachrichtenmedien aussehen.

Doch der reale Weltenlauf, und gerade der im kleinen Österreich, wirft die staunende Frage auch bei Chefredakteuren mit einem Blick auf die Nachrichtenlage auf: Kann das wahr sein?

Aprilscherz-Anfangsverdacht

Martin Kotynek, Chefredakteur des STANDARD und Teilnehmer an der Diskussion, konnte angesichts der Nachrichtenlage der vergangenen Monate des Öfteren "zunächst einmal gar nicht glauben, dass eine Neuigkeit überhaupt stimmen kann. Im ersten Moment musste man glauben, dass es sich wohl um einen Aprilscherz handelt."

Vieles erwies sich als erstaunlich, aber wahr. Kotynek dürfte da etwa an die in den vergangenen Wochen über Chatprotokolle von Thomas Schmid bekanntgewordenen Denk- und Handlungsweisen in der Welt von Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz gedacht haben.

Grundskepsis im Journalismus

Was tun mit dem Unglaublichen? "Die erste Frage vor einer Veröffentlichung ist: Kann diese Recherche, diese Erkenntnis überhaupt stimmen – egal ob die Information von der Regierung, von einer Behörde oder einer anderen Quelle stammt", sagt Kotynek. "Diese Grundskepsis ist im Journalismus zuletzt noch wichtiger geworden."

Die APA meinte mit "Fakt statt Fake" zuallererst das Problem der – oft gezielten und gezielt emotionalen – Fehlinformation, über digitale Plattformen einfach und viral verbreitet. Die Nachrichtenagentur wurde vor 75 Jahren mit Unterstützung von Reuters- und AP-Journalisten gegründet, um "fair and unbiased news" zu verbreiten.

Fakt gegen Fake: APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger und Katharina Schell, Mitglied der APA-Chefredaktion und Moderatorin (oben), Digitalexpertin Ingrid Brodnig, STANDARD-Chefredakteur Martin Kotynek, Facebook-Manager Guido Bülow (unten, von links).
Foto: APA / Zoom

Kerngeschäft Vertrauen

"Richtige, glaubwürdige und vertrauenswürdige Information ist unser Kerngeschäft", sagt also APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger über die Agentur im Besitz des ORF und der meisten Tageszeitungen.

Seit Anfang 2020 hat die APA auch ein eigenes Faktencheckerteam, um Fehlinformationen zu identifizieren und zu korrigieren, die sich etwa in sozialen Netzwerken verbreiten. Mit der deutschen Nachrichtenagentur dpa erstellt die APA auch Faktenchecks für Facebook. "Eine öffentliche Aufgabe im privaten Auftrag", sagt Bruckenberger. Denn: "Desinformation spaltet die Gesellschaft und treibt Menschen in ideologische Extreme."

"Tarnkappenjournalismus"

"Da geht es nicht nur um seltsame Verschwörungstheoretiker, sondern auch um politische Interessengruppen", erinnert Bruckenberger. Sie betrieben mehr und mehr "Tarnkappenjournalismus mit Polit-PR-Outlets". Inzwischen hätten praktisch alle Parteien Medien, die "von außen den Anschein einer normalen Nachrichtenseite erwecken, aber de facto in manchen Fällen pure Propaganda machen", sagt Kotynek.

Wie können Medien mit journalistischem Anspruch den Unterschied klarmachen? "Unermüdlich verlässlich informieren", sagt Kotynek. "Keine Falschmeldungen beim Terroranschlag in Wien, tiefrecherchierte Informationen zu Corona – und so Vertrauen schaffen, dass stimmt, was berichtet wird." Gallup und Medienhaus Wien hätten dem STANDARD in den vergangenen Monaten in Umfragen hohe Vertrauenswerte bescheinigt, zugleich seien die Reichweiten auf einem "Rekordwert". Kotynek: "Medien, die in ihre Glaubwürdigkeit investieren, haben einen Vorteil."

Deutschland-Wahl und Propaganda

Das nächste große Anschauungsbeispiel für Propaganda nach dem Phänomen Trump, dem Sturm auf das Kapitol im Jänner, den US-Wahlen und Fehlinformationen zu Corona werde absehbar die deutsche Bundestagswahl. Deutschland sei "Hauptziel der russischen Propaganda", die dpa versuche auch Journalistinnen und Journalisten in Deutschland gerade mit Schulungen dagegen zu wappnen, berichtete Bruckenberger.

Medienkompetenz und Selbsterkenntnis

Beim Wappnen gegen Desinformation ist es in diesen Debatten nicht weit zur Medienkompetenz der Userinnen und User als Schlüsselqualifikation gegen Falschnachrichten und Fehlinformation.

Facebook hat nach dem US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 Kooperationen mit Factcheckern begonnen, zweifelhafte Inhalte zu kennzeichnen, ihre Verbreitung zu bremsen und gegen Richtlinien verstoßende Inhalte und Accounts auch zu löschen, referierte Guido Bülow, beim Social Network in Zentraleuropa für Partnerschaften mit Newsorganisationen zuständig.

Facebook-Infokampagne gegen Fehlinformationen über Covid-19.

Userinnen und User macht Facebook in einer Kampagne aufmerksam, worauf sie achten sollten, verweist Bülow: "Quelle überprüfen, Kontext checken und hinterfragen: Was macht eine Nachricht mit dir?"

Der Punkt ist für Digitalexpertin Ingrid Brodnig entscheidend für Medienkompetenz im Umgang mit Desinformation. Untersuchungen zeigten: Werden Menschen daran erinnert zu hinterfragen, ob eine Meldung, ein Inhalt, ein Post stimmen kann, dann würden sie Falsches auch erkennen. "Medienkompetenz bedeutet psychologische Einfühlsamkeit in mich und meine Community" – im Gegensatz zum Gedanken beim Liken oder Teilen: "Was würden ich oder meine Kumpels gerne hören?" (fid, 15.4.2021)