Eine Sammlung historischer Vasen im Volkskundemuseum in Wien. Die Sanierung des Museums ist eines der Projekte, für die Österreich nun um finanzielle Unterstützung bei der EU-Kommission ansucht.

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Wien – Österreich hat seinen Plan für den europäischen Wiederaufbaufonds bei der EU-Kommission diese Woche eingereicht. Das berichtete Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch nach dem Ministerrat gemeinsam mit Regierungskollegen. Weder das ÖVP-geführte Finanzministerium noch das grüne Klimaschutzministerium wollten den Plan am Mittwoch der Öffentlichkeit vorlegen. Die EU-Kommission könnte ja noch Änderungswünsche deponieren, hieß es zur Begründung.

Festlich aufgebaut für den EU-Aufbaufonds hat sich die Regierung am Mittwoch nach dem Ministerrat.
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Das knapp 500-seitige vorläufige Programm der Regierung liegt dem STANDARD vor. Österreich will sich 4,5 Milliarden Euro abholen, davon sind laut Dokument drei Milliarden für bisher nicht budgetierte Projekte vorgesehen. Das heißt aber nicht, dass alles tatsächlich ganz neu wäre: In vielen Bereichen plant die Republik, sich EU-Mittel zur Umsetzung bereits geplanter oder bestehender Vorhaben zu holen, in anderen soll Geld aus Brüssel bereits getätigte Aufwendungen ersetzen.

Fast die Hälfte Klimaschutz

Den größten Brocken machen Investitionen und Programme im Klimaschutzsektor aus – insgesamt sollen 46 Prozent der Mittel in den Bereich fließen.

  • Ein Schwerpunkt dabei ist der Verkehr, für dessen klimafreundlichen Umbau 850 Millionen eingesetzt werden sollen. Für die Elektrifizierung von Busflotten sind etwa 256 Millionen Euro vorgesehen, emissionsfreie Nutzfahrzeuge und die dafür nötige Infrastruktur wurden mit 50 Millionen bedacht.
    Bahn und Öffis
    Viel Raum wird der Umstellung der Antriebssysteme gewidmet. Investitionen in Elektromotoren sollen mit 50 Millionen Euro angetrieben werden, eine Wasserstoffinitiative sogar mit 100 Millionen. Viel EU-Geld soll zudem in Mikroelektronik fließen, für die ebenfalls 100 Millionen geplant sind.
    Der Löwenanteil – 542,6 Millionen Euro – soll der Errichtung neuer Bahnstrecken und die Elektrifizierung von Regionalbahnen zugutekommen. Unter dem Titel "Reformen" nannte die Regierung die Einführung des 1-2-3-Klimatickets, mit dem Nah- und Regionalverkehr deutlich preisgünstiger werden soll. Der "Mobilitätsplan 2030" soll im zweiten Quartal präsentiert werden.
  • Eine Reihe von Projekten befasst sich mit anderen Aspekten des Klima- und Umweltschutzes. So soll der Biodiversitätsfonds durch die EU-Mittel um insgesamt 50 Millionen Euro aufgestockt werden. Mit diesem Fonds des Klimaministeriums werden Programme zur Erhaltung der Artenvielfalt gefördert. Die Einführung des umstrittenen Plastikpfands soll mit einer deutlichen Geldspritze aus Brüssel angeschoben werden. 110 Millionen Euro sind für Leergutrücknahmesysteme und Mehrwegabfüllanlagen vorgesehen, Errichtung und Nachrüstung von Sortieranalagen werden mit 60 Millionen dotiert.
  • Für Reparatur-Dienstleistungen will man 130 Millionen Euro abholen. Auch die Ökologisierung der Industrie wird bedacht, deren Transformation zur Klimaneutralität soll mit 100 Millionen Euro gefördert werden. Die Gelder sollen ab 2024 fließen, damit Projekte bis 2026 umgesetzt werden können.
  • Im Rahmen des Sanierungsoffensive sind laut Plan knapp 159 Millionen Euro für Förderungen zum Austausch von Öl- und Gasheizungen vorgesehen. Weitere 50 Millionen sollen in die Bekämpfung der Energiearmut fließen.
  • Weitere 500 Millionen sollen in "ökologischen Investitionen in Unternehmen" fließen. Was damit gemeint ist: Das Finanzministerium will einen Teil der Investitionsprämie für Unternehmen aus dem Geldtopf der Kommission zurückholen. Die Investitionsprämie wurde im Vorjahr aufgesetzt. Unternehmen bekommen sieben Prozent Zuschuss zu ihren Investitionen, im Fall von Klimaschutz, Digitalisierung oder Gesundheit sind es sogar 14 Prozent. Für die Prämie hat der Staat bisher insgesamt drei Milliarden zur Verfügung gestellt.
    Die Vorgehensweise ist rechtlich gedeckt, die EU-Kommission fördert auch Projekte, die im vergangenen Jahr gestartet wurden. Freilich: Frisches Geld zur Belebung der Wirtschaft ist das dann nicht.
  • Ein gewaltiger Brocken entfällt auch auf Digitalisierung. So ist der größte Einzelposten bei den Förderanträgen laut Dokument der Breitbandausbau: Hier sind 891 Millionen Euro oder fast 20 Prozent der gesamten Mittel vorgesehen. Mit weiteren 160 Millionen soll ein Digitalisierungsfonds der öffentlichen Verwaltung dotiert werden. 170 Millionen Euro sind für Laptops und Tablets für Schüler angedacht.
  • Auch die Kultur wird im Aufbauplan bedacht. Die Sanierung des Volkskundemuseums solle ebenso wie jene des "Prater Ateliers" mit EU-Mitteln gefördert werden. Ein eigenes Impulsprogramm für den Kultursektor ist im österreichischen Antrag ebenfalls enthalten.
  • Im Sozialbereich denkt die Regierung an "frühe Hilfen" für finanziell benachteiligte Schwangere und an die Entwicklung eines elektronischen Mutterkindpasses. Auch der Ausbau ärztlicher Primärversorgungseinrichtungen soll gefördert werden. In die Klimafitness von Ortskernen sollen 50 Millionen fließen. Mit hundert Millionen Euro ist Mikroelektronik an Bord. Noch mehr, nämlich 107 Millionen, sind für die Quantenwissenschaft vorgesehen, 75 Millionen für die Präzisionsmedizin.
    Was die EU von all dem hält, entscheidet sich in den kommenden Wochen.
Die Ministerinnen und Minister bleiben hinter Plexiglas, der Aufbauplan soll geheim bleiben– bis zur Freigabe der EU.
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Die Regierung lobte ihr großes Werk erwartungsgemäß: Auf die dürrren Jahre der Corona-Pandemie mögen fette Jahre folgen: Zukunftsjobs, ökologisch-digitale Investitionen, Verkehrswende, Kreislaufwirtschaft und Artenvielfalt – nach dem Ministerrat kamen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seine Regierungskollegen aus dem Schwärmen angesichts des fertigen EU-Antrags für den Wiederaufbaufond kaum heraus.

Die Zielvorgaben der EU würden deutlich übertroffen, lobte Finanzminister Gernot Blümel das Paket. 41 Prozent der Förderantrag entfallen auf digitale Investitionen, nur 20 Prozent wären nötig gewesen. Fast die Hälfte diene dem Klimaschutz, sagte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), das sei ebenfalls deutlich mehr, als von Brüssel gefordert war. Die Mittel aus dem EU-Tops sollen bis 2026 inklusiv fließen. Dass man Geld liegen lasse, wurde dementiert: "Wir werden uns jeden einzelnen Euro aus Brüssel zurückholen, der uns zusteht", versicherte Blümel.

Doch nicht alle im Boot

Auch die von der EU explizit vorgegebene Einbindung von Gebietskörperschaften und Sozialpartnern habe es in umfangreichen Vorgesprächen gegeben, versicherte Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), was die Arbeiterkammer und ÖGB allerdings am Mittwoch prompt brüsk zurückwiesen: Man habe aus den Medien erfahren, dass der Plan bereits nach Brüssel geschickt worden sei, das sei nicht in Ordnung, kritisierte etwa AK-Chefin Renate Anderl.

ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian sagte, außer einem Telefonat mit Edtstadler, in dem ein Termin avisiert wurde, der bis nicht stattgefunden habe, sei man nicht eingebunden gewesen. (András Szigetvari, Nora Laufer, Andreas Schnauder, Luise Ungerboeck, 15.4.2021)