Kanzler Kurz, der einst die Balkanroute eigenhändig geschlossen haben wollte, wird nun als Brückenbauer ausgezeichnet.

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Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wird in Deutschland ausgezeichnet, er erhält den "Freiheitspreis der Medien". Kurz habe sich in seiner politischen Laufbahn immer wieder als Brückenbauer erwiesen, begründete die Jury, über deren Zusammensetzung der Verlag auch nach mehrmaliger STANDARD-Anfrage keine Angaben machte. Der Preis wird zum siebenten Mal verliehen und geht immer an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich in besonderer Weise für die freie Meinungsäußerung, das gesellschaftliche Miteinander, politischen Dialog und Demokratie einsetzen.

Kurz soll die Auszeichnung am 11. Mai auf dem von der Weimer Media Group (WMG) veranstalteten Ludwig-Erhard-Gipfel erhalten, der in diesem Jahr wegen der Corona-Krise als Fernseh- und Streamingformat in den Bavaria-Filmstudios in München stattfindet. Die Laudatio soll der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, wie Kurz ein Konservativer, halten. "Mit Sebastian Kurz würdigen wir einen Brückenbauer Europas und Kommunikator der Freiheit", betonten die Verleger Christiane Goetz-Weimer und Wolfram Weimer.

Der Verlag und die Gründer

Wolfram Weimer war Chefredakteur der "Welt", der "Berliner Morgenpost", des Politik-Magazins "Cicero" und des Magazins "Focus". Die Mediengruppe Weimer Media Group gründete er im Jahr 2012 gemeinsam mit seiner Frau Christiane Goetz-Weimer. Sie war zuvor Redakteurin der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und gründete 2001 den Ch. Goetz Verlag in Potsdam.

Die Weimer Media Group ist ein Verlagshaus aus München und Tegernsee, das sich auf die Publikation von Wirtschaftsmedien spezialisiert hat. In der Gruppe erscheinen das Debattenmagazin "The European", "Die Gazette", der "WirtschaftsKurier", "Markt und Mittelstand", "Börse am Sonntag" oder das Satiremagazin "Pardon".

Konservativ-liberales Stelldichein

Normalerweise findet der Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee statt. Unter den geladenen Gästen in diesem Jahr sind auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und FDP-Chef Christian Lindner.

Vor Kurz haben bereits Michail Gorbatschow (Ex-Staatspräsident der Sowjetunion), Reinhard Kardinal Marx (Kardinal der römisch-katholischen Kirche), FDP-Politiker Christian Lindner, Jens Weidmann (Präsident der Deutschen Bundesbank), Jean-Claude Juncker (Ex-Präsident der Europäischen Kommission) und Fürst Albert II. von Monaco den Preis erhalten.

ÖVP geht gegen Medien vor

Österreich verlor 2020 in der Weltrangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen zwei Plätze und rangiert auf dem 18. Platz. Ein Grund für das Abrutschen sei die Klage der ÖVP gegen die Wiener Stadtzeitung "Falter", sowie der "überdimensionierten PR-Apparat des Kanzlers mit dutzenden Helferinnen und Helfern der Message-Control", begründete Rubina Möhring, Österreich-Chefin von Reporter ohne Grenzen. Wie berichtet, geht es bei der Klage um die Wahlkampfkostenüberschreitung 2019 und eine Täuschung der Öffentlichkeit.

Erst vor wenigen Tagen gab es massive Kritik an Kanzler Kurz, der auf Twitter und Facebook einen Artikel des ÖVP-Politblogs "Zur Sache" teilte, in dem Vorwürfe gegen "Falter"-Chefredakteur Florian Klenk im Zuge des Ibiza-Videos erhoben wurden. Klenk ortete eine "Schmutzkübelkampagne", "Tarnkappenjournalismus" und "Machtmissbrauch". Kritik kam daraufhin auf Twitter auch vom Presseclub Concordia: "Der für Medienpolitik zuständige Bundeskanzler verbreitet einen Artikel, in dem die Arbeit von renommierten Journalisten mittels einer Fülle rhetorischer Fragen diskreditiert wird (und der als Krönung journalistische Sorgfalt einmahnt)."

Die Oppositionsparteien SPÖ und FPÖ bezeichneten den Preis für Kurz als "absurd" und "grotesk".

Die Begründung der Jury im Wortlaut

Die – nicht namentlich bekannte – Jury begründete ihre Entscheidung, Sebastian Kurz auszuzeichnen, mit folgenden Worten: "Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sich in seiner politischen Laufbahn immer wieder als Brückenbauer erwiesen. Schon als Integrationsminister setzte sich Kurz frühzeitig für eine ausgleichende Migrationspolitik ein und gründete den Österreichischen Integrationsfonds. Als Außenminister suchte er einen Ausgleich der zunehmenden Spannungen innerhalb der Europäischen Union. Der engagierte Europapolitiker agierte immer wieder als Versöhner unterschiedlicher Interessen und weltpolitischer Anschauungen. Er gab den kleineren EU-Staaten insbesondere Ost- und Südosteuropas im europäischen Gestaltungsprozess eine größere Stimme. Bundeskanzler Kurz baut immer wieder eine Brücke quer durch den Kontinent und erweist sich als offener Mittler, dem ein geeintes Europa nicht nur Vision, sondern gelebte Realität sein soll.

Auch innenpolitisch ist es dem 34-Jährigen gelungen, lange verfeindete politische Lager in unterschiedlichen Regierungskoalitionen demokratisch konstruktiv einzubinden. Er ist eine kommunikative Integrationskraft zur Mitte der Gesellschaft hin. Den ‚Freiheitspreis der Medien‘ erhält Kurz auch, weil es ihm als außergewöhnlichem Kommunikator gelingt, Dialoge offen zu halten, Ausgrenzungen zu vermeiden und selbst in Krisensituationen wie Terrorattacken oder der Pandemie offen zu kommunizieren und die versöhnenden Kräfte der Gesellschaft zu stärken. Als einer der jüngsten Spitzenpolitiker Europas stellt er sich klar gegen die Verächter von Demokratie und Pluralität. Kurz agiert damit als kommunikativ überzeugender Markenbotschafter Europas und der Freiheit." (red, APA, 15.4.2021)