Christophe Slagmuylder verabschiedet sich von der Idee eines vibrierenden Festivals.

Foto: Heribert CORN

Es sieht für die kommenden Wiener Festwochen besser aus als im Pandemiejahr eins. Denn es keimt die Hoffnung, dass noch vor dem Sommer Veranstaltungen möglich sein werden. Um auf Nummer "sicher" zu gehen, werden Programmpunkte in den Juni verschoben. Die traditionelle Eröffnung am 14. Mai auf dem Rathausplatz findet – je nach politischer Maßgabe – weitgehend ohne Livepublikum statt, wird aber auf ORF 2 und 3sat übertragen werden. Auftreten werden Die Strottern, das Herbert Pixner Projekt, Mira Lu Kovacs u. a. Choreografiewunderkind Florentina Holzinger wird einen "Festzug" gestalten, featuring Soap & Skin.

Im STANDARD-Gespräch sagt Festwochen-Chef Christophe Slagmuylder, er habe sich von der "Obsession" verabschiedet, heuer ein großes, vibrierendes Festival auszurichten. "Ich denke, das Publikum verlangt in der jetzigen Situation nicht nach einem superdichten, intensiven Parcours, sondern fühlt sich in Anbetracht der Gesundheitslage von einzelnen, besser verteilten, zeitlich entzerrten Aufführungen mehr angesprochen."

Nature Theater in Warteposition

Wer schon gedacht hatte, ein Event dieser Größenordnung würde aus Planungspanik spätestens jetzt, weniger als einen Monat vor dem üblichen Starttermin, klein beigeben, darf nun wieder hoffen. Weniger Aufführungen und diese im Juni – das ist nicht nichts! Sogar internationale Acts will der seit 2018 amtierende und nach einem Einspringerstart bisher ausschließlich mit Ausnahmejahren konfrontierte Intendant nach Wien holen. Auch wenn der Zeithorizont dafür zunehmend knapp wird, wie er eingesteht. "Es ist mir aber sehr wichtig, eine internationale Ausrichtung zu gewährleisten. Für einige Länder stehen die Chancen gar nicht so schlecht. Zum Beispiel ist Alexander Zeldin immer noch auf der Liste", so Slagmuylder. Der aufstrebende britische Dramatiker und Regisseur soll mit der kapitalismuskritischen Trilogie The Inequalities nach Wien kommen. Diese wird dann erwartungsgemäß nicht auf einmal, sondern eben Stück für Stück gezeigt werden.

Und wie sieht es mit außereuropäischen Künstlern aus? Das steht noch in den Sternen. So auch die Anreise der in Wien bestens bekannten New Yorker Formation Nature Theater of Oklahoma, die sich mit Burt Turrido nun erstmals der Gattung Oper zugewendet hat und mehrere europäische Festivals bespielt. "Die Arbeit ist fertig geprobt. Die Frage ist, wann kann sie erstmals gezeigt werden? Vielleicht können wir sie auch separat später präsentieren", hofft Slagmuylder.

Die Arbeiten "altern" nicht

Hingegen ergebe es wenig Sinn, das Festival noch weiter in den Spätsommer oder Herbst hinein zu verschieben, so Slagmuylder, denn dann seien die betreffenden Spielstätten bereits belegt, ebenso die Künstlerinnen und Künstler, die anderen Verpflichtungen nachkommen müssen. Daher Slagmuylder: "Mein Ziel ist es, so viel wie möglich, sobald es geht zu zeigen." Das Go der Politik vorausgesetzt.

Vorderstes Anliegen für heuer ist es, die aufgeschobenen Arbeiten von 2020 zu spielen. "Die Wiener Festwochen 2021 werden aber nicht jenes Festival sein, das wir 2020 nicht hatten", so der Intendant. Die Arbeiten "altern" nicht, sondern wachsen mit der neuen Realität mit. "Auch wenn die ,Zutaten‘ der Stücke die gleichen geblieben sind, so sehen die Resultate heuer doch ganz anders aus." Auch den 2021er-Arbeiten möchte er höchstens ein Jahr Wartezeit zumuten. Canceln ist für den Festivalleiter jedenfalls keine Option.

Einige Programmpunkte hatten die Wiener Festwochen vorab bereits angekündigt. Dar unter Milo Raus Neuinszenierung von Mozarts La clemenza di Tito, die bereits eine Streaming-Premiere hinter sich hat. Auch die Fortsetzung der fabelhaften Performance La Trilogie des Contes Immoraux (pour l’Europe) der Französin Phia Ménard ist geplant. Sie war bereits 2019 zu Gast und hinterließ damals mit dem Live-Nachbau des griechischen Parthenons aus Karton einen nachhaltigen Eindruck. Ebenso auf dem Plan bleiben das Stück Quasi der iranischen Autorin und Regisseurin Azade Shahmiri sowie eine Performance von Tim Etchells und der Komponistin Aisha Orazbayeva unter dem Titel Heartbreaking Final, die im Vorjahr bereits in einer Streaming-Variante zu sehen war. Dasselbe gilt für Danse Macabre des österreichischen Künstlers Markus Schinwald.

Streaming ist keine Strategie

Für die beiden Ausstellungsprojekte mit der Kunsthalle Wien sowie der Secession stehen die Chancen ebenso gut. Vorausgesetzt, die Museen haben im Mai wieder geöffnet. Maria Hassabi will ihre Live-Installation HERE in der Secession vorstellen (ab 14. 4.). Arbeiten von rund 35 Künstlerinnen und Künstlern sind zwischen 15. Mai und 26. September unter dem Titel And if I devoted my life to one of its feathers? in der Kunsthalle zu sehen.

Sollten Veranstaltungen doch nicht möglich sein, wird dann ins Digitale ausgelagert? "Streaming ist für uns nur eine Notlösung, keineswegs eine Strategie", sagt Slagmuylder. "Es wäre doch absurd, eine Gruppe aus Thailand nach Wien zu holen und dann die Aufführung zu streamen. Ich schließe aber nicht aus, dass es einige Produktionen geben wird, die mit entsprechenden Modifikationen anders als ursprünglich geplant ablaufen." (Margarete Affenzeller, 15.4. 2021)