So soll die Krypto-Stadt des Unternehmens Blockchains eines Tages aussehen.

Foto: Blockchains

So schön die Renderings auch aussehen, die das Unternehmen bereits präsentiert hat, so ganz kann man sich das Projekt noch nicht vorstellen: Inmitten der braunen und vegetationskargen Landschaft am Fuße der Sierra Nevada soll eine völlig neu konzipierte Blockchain-Stadt entstehen. Es ist die Utopie des US-amerikanischen Unternehmers Jeffrey Berns, der mit dem Geschäft mit Kryptowährungen in der Vergangenheit bereits Millionen verdiente.

Schon im Jahr 2018 kaufte Berns mit seinem Unternehmen Blockchains den 271 Quadratkilometer großen unbewohnten Wüstenlandstrich um 170 Millionen US-Dollar, auf dem nun die neue Stadt, genannt "Painted Rock", entstehen soll. Dort soll es, wie in anderen Städten auch, Wohnungen, Schulen, Geschäfte und Büros geben, rund 36.000 Bewohner soll die Stadt am Ende zählen. Der entscheidende Unterschied: Die Einwohner sollen alle Dienstleistungen der Stadt mithilfe digitaler Apps und Blockchain-Technologie abwickeln und mit Kryptowährungen wie Bitcoin bezahlen können.

Privatregierung

Schon jetzt dient die Blockchain, eine kontinuierliche Liste von Datensätzen, bei der Buchungen dezentral abgewickelt werden können, als Basis für Kryptowährungen. Laut Berns' Vision würde die Blockchain in der Stadt Banken überflüssig machen. Die Einwohner sollen volle Kontrolle über ihre Daten und eine eigene digitale Identität haben. Alle Dokumente der Regierung und der Einwohner, wie zum Beispiel Steuerrechnungen oder Krankenakten, sollen auf der Blockchain verwaltet werden. Auch bei Lokalwahlen soll die Blockchain zum Einsatz kommen.

36.000 Menschen sollen einmal in der Krypto-Stadt leben.
Foto: Blockchains

Hier setzt die zweite Idee Berns' an, die mindestens genauso gewagt klingt wie die völlige Blockchain-Umstellung: Laut dem Unternehmer brauche die Stadt eine eigene Privatregierung, um all diese Neuerungen umzusetzen. Dabei sollen Unternehmen – völlig unabhängig vom Bundesstaat Nevada – die Möglichkeit haben, eigene Steuern, beispielsweise auf Blockchain-Transaktionen, zu erheben, Schulen und Gerichte zu schaffen sowie für Recht und Ordnung zu sorgen – quasi das Recht bekommen, eine Stadt auf privatrechtlicher Grundlage zu gründen.

Lobbying-Arbeit

Basis für das Projekt wäre ein Gesetz, das aktuell diskutiert wird und das Unternehmen wie Blockchains und anderen die Möglichkeit bieten würde, selbstregierende "Innovationszonen" im Bundesstaat Nevada zu schaffen. Hightech-Unternehmen, die zumindest 200 Quadratkilometer unbewohntes Land besitzen und versprechen, innerhalb von zehn Jahren mehr als 1,25 Milliarden US-Dollar in den Standort zu investieren, sollen diese Zonen gründen dürfen. Zu Beginn würden sie von drei Aufsichtspersonen "regiert" werden, die vom Gouverneur bestellt werden. Sobald mehr als 100 Menschen in der Stadt leben, müssen dann reguläre Wahlen abgehalten werden.

Renderings zu der Stadt gibt es bereits einige.
Foto: Blockchains

Es ist wohl vor allem das Geld, das Blockchains einiges an Unterstützung für das Projekt im Bundesstaat eingebracht hat. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen mehr als 60.000 US-Dollar an den Gouverneur und seine Kampagne gespendet. Auch während des Gesetzesentwurfs hat das Unternehmen eng mit der Regierung zusammengearbeitet. Von den Befürwortern solcher Innovationszonen heißt es, sie könnten dazu beitragen, die Wirtschaft des Bundesstaates nach der Corona-Pandemie wiederzubeleben.

Laut Berns sind aktuelle Regierungen und politische Systeme nicht ideal für eine Gemeinschaft, die auf Blockchain und Digitalwährungen wie Bitcoin aufbaut. Die Blockchain-Stadt sei ein Ort, "an dem die Menschen bereit sind, einfach bei Null anzufangen". Es sei eine Zukunft, in der weder risikoaverse Politiker Innovationen abwürgen, noch große Tech-Unternehmen Daten von Bürgern für den eigenen Profit verwenden, sagt Berns.

Auch Skepsis

Der Idee Berns' stehen viele aber auch skeptisch gegenüber. Denn schon allein auf der technologischen Seite sind noch viele Fragen offen: Noch sind viele Anwendungen, die die Nutzung von Blockchain in allen Alltagsbereichen möglich machen würden, noch gar nicht entwickelt. In der Praxis spielt die Technologie trotz aller Versprechen der Befürworter bisher kaum eine Rolle. Auch wie die Energie- und Wasserversorgung sowie der öffentliche Verkehr in der Stadt organisiert werden sollen, ist bisher ungeklärt.

Zudem sprechen sich viele im Bundesstaat Nevada gegen die Errichtung von separaten Konzernregierungen aus. Nicht alle sehen die Blockchain als Chance, den Umgang mit Daten demokratischer zu gestalten. Unklar ist auch, wie energieintensiv so ein Projekt wäre. Schon jetzt stehen Kryptowährung wie Bitcoin in der Kritik, mit ihrem Energieverbrauch den Klimawandel zu beschleunigen. Nicht zuletzt bekämen Tech-Unternehmen wie Blockchains mithilfe der Innovationszonen wesentlich mehr Macht, ihre eigenen Visionen und Dienstleistungen zu verbreiten.

In den nächsten Wochen könnte sich entscheiden, ob das neue Gesetz für die Innovationszonen tatsächlich verabschiedet wird – und damit den Weg für Berns' Krypto-Stadt freimacht. Sollte es nicht klappen, werde Berns das Grundstück des Unternehmens wieder verkaufen, sagt er. Falls doch, soll laut dem Unternehmen schon nächstes Jahr mit dem Bau der Stadt begonnen werden. (Jakob Pallinger, 17.4.2021)