Wien – Mit den bis Ende 2019 gesetzten Maßnahmen wird Österreich die Klimaziele der EU für 2030 und 2050 deutlich verfehlen: So lautet das Fazit eines am Freitag veröffentlichten Rechnungshofberichts. Das ist nicht nur für die Umwelt schlecht, sondern auch für den Staatshaushalt: Wie die Prüfer schreiben, ist bis 2030 mit notwendigen Kompensationszahlungen von bis zu 9,2 Milliarden Euro zu rechnen.

Der Ankauf von Emissionszertifikaten in dieser Höhe sei ohne zusätzliche Klimaschutzmaßnahmen notwendig, heißt es in dem Bericht. Geprüft wurden Maßnahmen im Nichtemissionsbereich in den Jahren 2015 bis 2019. Die im Vorjahr von ÖVP und Grünen angekündigten Maßnahmen wurden also nicht einberechnet. Grund zum Aufatmen ist das nicht, denn die Prüfer bezogen sich auf das bisherige Klimaziel, wonach Österreich seinen Treibhausgasausstoß bis 2030 um 36 Prozent gegenüber dem Jahr 2005 reduzieren muss. Dieses Ziel dürfte aufgrund neuer EU-Vorgaben heuer voraussichtlich auf minus 50 bis 55 Prozent angehoben werden. Der Rechnungshof geht – ohne die neu vorgestellten Maßnahmen – bis 2030 von einer tatsächlichen Reduktion um nur 21 Prozent aus.

Die Folgen der Klimakrise verursachen bereits jetzt Kosten in Milliardenhöhe. Die Schäden werden zunehmen.
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Bis zur Rechnung aus Brüssel dauert es noch. Die erste Abrechnung der Gesamtemissionen auf EU-Ebene für die Periode 2021 bis 2030 wird im Jahr 2027 erfolgen. Die dann entstehenden Kosten müssen zu 80 Prozent vom Bund und zu 20 Prozent von den Ländern getragen werden. Der Rechnungshof empfiehlt angesichts der Milliardenkosten für die Steuerzahler, zeitgerecht eine Strategie für den Ankauf von Emissionszertifikaten zu entwickeln. Die derzeit vorgesehene Kostenaufteilung auf die Bundesländer nach dem Bevölkerungsschlüssel biete keinen finanziellen Anreiz, mehr Klimaschutzambitionen zu zeigen. Der Rechnungshof plädiert daher für eine "möglichst verursachergerechte Regelung" bei der Aufteilung der Zertifikatskosten zwischen Bund und Ländern.

Eines der EU-Schlusslichter

Österreichs miserable Klimaschutz-Performance ist ebenfalls Thema des Berichts: Während der Treibhausgasausstoß im EU-Schnitt zwischen 1990 und 2017 um knapp ein Viertel gesunken ist, ist er in Österreich um fünf Prozent gestiegen. "Österreich war einer von sechs EU-Staaten, die keine Verringerung der Treibhausgasemissionen aufwiesen", ist in dem Papier zu lesen. Zudem überschritt Österreich, wie berichtet, 2017 erstmals das im Klimaschutzgesetz vorgegebene nationale Ziel.

Der Rechnungshof empfiehlt daher, bei der Festlegung der Klimaziele für die einzelnen Sektoren verstärkt zu prüfen, ob diese das mögliche Reduktionspotenzial des Bereichs und dessen Anteil am Gesamtausstoß widerspiegeln. Darüber hinaus wird das Klimaschutzministerium aufgefordert klarzustellen, wie lange die Evaluierung dauern darf und was im Fall einer Zielüberschreitung geschehe. Zudem sei der nationale Energie- und Klimaplan "unmittelbar" nachzubessern. Das sieht auch das Regierungsprogramm vor, geschehen ist das allerdings noch nicht. Die Regierung wird außerdem dazu aufgefordert, Maßnahmen nach ihrer erwarteten Treibhausgas-Reduktionswirkung zu priorisieren.

Zu viele Köche

Die zersplitterten Kompetenzen in Sachen Klimaschutz würden die Umsetzung wirksamer Maßnahmen erschweren, schreiben die Prüfer. Und: "Teilweise standen divergierende Interessen der Ministerien der Einführung rasch wirksamer Maßnahmen zum Klimaschutz auf Bundesebene entgegen." Zwar liege die Budgetverantwortung bei den jeweils fachlich zuständigen Ministerien, bedarf allerdings einer Abstimmung mit dem Finanzministerium. Insgesamt sollten Maßnahmenprogramme präziser formuliert werden und genaue Angaben zum Umsetzungszeitraum und der zu erwartenden Wirksamkeit beinhalten.

Der Rechnungshof empfiehlt, die Zusammenarbeit der zuständigen Stellen des Bundes sowie zwischen Bund und Ländern zu verbessern. Außerdem soll eine Steuerungsverantwortung für Klimaschutzmaßnahmen implementiert werden. Dafür gibt es schon vage Pläne, ÖVP und Grüne wollen ein "Klimakabinett" einrichten. Viel ist darüber aber noch nicht bekannt.

Die Kompetenzen in Österreichs Klimapolitik seien zersplittert, heißt es im Bericht.
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Besonders schlecht für Österreichs Klimabilanz ist nach Ansicht des Rechnungshofs der Verkehr, der im Jahr 2018 für 47 Prozent der Treibhausgase außerhalb des Emissionshandels verantwortlich war. Als Gründe nennen die Prüfer den gesteigerten fossilen Kraftstoffabsatz sowie die höhere Fahrleistung von Pkws, Bussen und Lkws. Eine Trendumkehr wurde aus Sicht der Kontrolleure bisher nicht erreicht.

Kritik gab es auch daran, dass Maßnahmen wie die Anhebung der Mineralölsteuer, die Ausweitung der Tempolimits und die Ökologisierung der Pendlerpauschale trotz Zustimmung der Länder nicht im Maßnahmenprogramm zur Emissionsreduktion gelandet sind. Dabei bezieht sich der Rechnungshof auf ein Maßnahmenprogramm der türkis-blauen Regierung. Mittlerweile wird zumindest die Ökologisierung der Pendlerpauschale diskutiert, die großen Würfe fehlen aber noch.

Nachbesserung beim Klimaschutzkomitee

Verbesserungspotenzial ortet der Rechnungshof auch beim nationalen Klimaschutzkomitee. Diesem würde ein eindeutiges Aufgabenprofil fehlen. Zudem sei unklar, an wen sich das Gremium zu richten habe und welche Verbindlichkeit die Empfehlungen haben. Das Komitee könnte künftig aber so oder so anders ausgestaltet werden: Die Regierung plant die Einrichtung eines wissenschaftlichen Klimabeirats. Dabei könnte sich auch die Rolle des Komitees verändern.

Die Prüfer warnten auch vor der zunehmenden Gefahr durch Walbrände und Naturkatastrophen. Die Temperatur in Österreich lag im Jahr 2018 bereits zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau. Die Folge der Erwärmung seien Überschwemmungen und Murenabgänge. Und auch die sorgen für hohe Kosten: Bereits jetzt verursache die Klimakrise volkswirtschaftliche Schäden von einer Milliarde Euro pro Jahr, heißt es in dem Bericht. Die Prüfer gehen davon aus, dass die gesellschaftlichen Kosten bis Mitte des Jahrhunderts auf 4,2 bis 5,2 Milliarden Euro steigen werden. Sollte die Temperatur stärker steigen, könnte sich jener Betrag auf 8,8 Milliarden Euro erhöhen.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) sprach in einer ersten Reaktion von einer "Aufholjagd". Sie sehe in dem Bericht einen "historischen Auftrag". (Nora Laufer, 16.4.2021)