Zu dem aus gegebenem Anlass wieder einmal medial aufgekochten Kitsch zum Thema Politik und Gesundheit sei der ergänzende Hinweis gestattet, dass für jene, die es ernst meinen, Politik in der Tat ein anstrengendes Geschäft ist, dass aber dennoch die meisten darin Tätigen dieses Geschäft halbwegs gesund, munter und lohnbefriedigt in die Pension oder in das nächste Geschäft verlassen. Was man in unserer Gesellschaft von jedem Hackler und erst recht von jeder Hacklerin kaum behaupten kann, die sich nicht derselben öffentlichen Anteilnahme erfreuen, wie sie einem Minister zuteilwird. Bei einem Massenphänomen fällt das halt nicht so auf, die Quellen ihres Leidens entspringen anderswo, nämlich dort, wo die Tendenz zur Heroisierung schwächer ist.

Rudolf Anschober hat sein Bestes gegeben.
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Auch zu lesen war die kühne Forderung, Politik darf nicht krankmachen, als gäbe es ein natürliches Recht von Politikern auf Gesundheit, das nur noch keinen Eingang in die Verfassung gefunden hat. Die Politik ist nun einmal kein steriler Kriseninterventionsraum, wie gerade die Interventionen des weiland regierenden Krisenkabinetts in Hygienefragen auch politischer Natur vor Augen geführt haben. Und wer will denn schon ein Gesundheitsprivileg für Politiker?

So weit wie zu dem mitleiderregenden Abschiedsauftritt Rudolf Anschobers hätte es nicht kommen müssen, wäre ihm nicht eine lange und lang erkennbare Rücktrittsverschleppung vorausgegangen. Anschober hat sein Bestes gegeben, er hat sich bemüht. Zu einem Sieg über die Pandemie hat das nicht gereicht, aber dazu, an die Popularität des Bundeskanzlers heranzukommen. Der hat ihm das Leben in einem zu großen Amt wiederholt und auf fiese Art schwergemacht, aber ihm, als es vorbei war, nachgerufen, Anschober habe sich "für unser Land aufgeopfert". Wenn er ein Opfer war, dann auch eines türkisen Koalitionsverständnisses, und Anschober wird nicht dessen letztes Opfer sein.

Pandemie und Föderalismus

Denn nach der peinlichen Regierungsdarbietung dieser Woche soll es möglichst so weitergehen wie gehabt. Keines der hinter Anschobers Opferung zutage getretenen Probleme wurde auch nur gestreift. Wie gehen Pandemie und Föderalismus zusammen? Werden Türkise und Grüne zum Schaden des Landes weiter so miteinander umgehen wie bisher? Oder ein Ministerium, das an unbehobenen Spätfolgen der türkis-blauen Koalition leidet. Zu groß für eine Person, vor allem wenn eine Seuche Konzentration erfordert. Aber nur schnell durchregieren, nur nichts ändern!

Hauptsache, ein Nachfolger ist rasch aus dem Hut gezogen, und man wird dafür auch noch gelobt. Aber Lob wäre unangebracht. Diese Art der Personalfindung erinnert, unabhängig von der Acquisition, eher an Leiharbeit. Überdies war Anschobers Gesundheitszustand seit langem Stoff sogar öffentlicher Diskussionen, ein wenig interne Vorausplanung wäre nicht taktlos gewesen. Nun müsste Doktor Mückstein gleichzeitig aus der Ärzte- und aus der Arbeiterkammer kommen, um diesem Ressort als Quereinsteiger gewachsen zu sein. Wenn er nur gesundheitlich durchhält!

Jetzt kann man der Öffentlichkeit wieder Sand in die Augen streuen, wie Kurz das Licht am Ende des Tunnels entzündet und den Sommer rettet. Nur keine Rede von dem Opfer, das er ungeplant bringen musste! Dabei soll Thomas Schmid gesund sein. (Günter Traxler, 15.4.2021)