Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat also doch Öffnungsschritte für das Burgenland ab Montag eingeleitet. Das ist in mehrfacher Hinsicht sehr verwunderlich.

Die Zahl der aktuell mit dem Coronavirus infizierten Personen sinkt zwar erfreulicherweise, aber die Situation in den burgenländischen Spitälern ist noch immer dramatisch: 27 aller maximal 35 Covid-Intensivstationsbetten waren am Mittwoch schon belegt, das war ein Plus von sechs Betten innerhalb von 24 Stunden. Ärzte haben schon mehrfach berichtet, dass die britische Variante mit sich gebracht hat, dass der Aufenthalt in den Intensivstationen länger wurde. Die Aussicht bleibt trübe: Das Covid-Prognose-Konsortium rechnet bis Ende April mit keiner Entlastung der Spitäler. Falls das Burgenland ausgelastet ist, wird Wien auch nicht sehr viel helfen können, weil die Situation hier nach wie vor sehr angespannt ist. Das war auch der Hauptgrund von Bürgermeister Michael Ludwig für die vernünftige Verlängerung des Lockdowns in der Bundeshauptstadt bis Anfang Mai.

Vernunft ist leider keine politische Kategorie, schon gar keine von Hans Peter Doskozil.
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Aber Vernunft ist leider keine politische Kategorie, schon gar keine von Hans Peter Doskozil, dem vor allem einer am nächsten steht: Hans Peter Doskozil. Erst vor kurzem wollte er die pannonischen Thermen öffnen. Dann hat er sich von der damals für jeden Hobbyvirologen offensichtlichen Dramatik der Lage erst von Experten überzeugen lassen müssen und hat nach einer 180-Grad-Wendung der Ost-Osterruhe zugestimmt. Er hat sich dann auch klar gegen den Alleingang eines Bundeslandes ausgesprochen und sich nach Abstimmung mit Wien und Niederösterreich doch dem Schulterschluss angeschlossen.

Gefährliche Rahmenbedingungen

Damals meinte Doskozil noch, es brauche ein Narrativ, eine Erzählung, damit die Bevölkerung verstehe, wie gefährlich die Situation sei. "Es ist ganz einfach: Wir laufen Gefahr, dass die Intensivkapazitäten zu Ende gehen", meinte er. Die Zahlen sind im Moment noch höher. Jetzt lautet sein Narrativ allerdings wieder, dass man schon kontrolliert öffnen kann, wenn man genug testet. Was wird die nächste Erzählung sein, sollte der Versuch schieflaufen? Diese Gefahr besteht natürlich, weil das Burgenland noch immer von Gebieten mit hohen Fallzahlen umgeben ist. Der kleine Landstrich lebt außerdem von der Mobilität zwischen den Bundes- und Nachbarländern. Ist es klug, diese Mobilität in der aktuellen Krise auch noch zu fördern? Wohl kaum.

Viele Wienerinnen und Wiener werden die Öffnungsschritte dafür nutzen, an den Neusiedler See zu fahren. Oder sie werden versuchen, im Parndorfer Outletcenter auf Schnäppchenjagd zu gehen, auch wenn der Wiener Lockdown das eigentlich verhindern sollte.

Es ist ja auch mehr als verständlich, dass man endlich wieder mehr raus will. Aber diese Öffnungsschritte kommen einfach zu früh. Auch wenn Lockdowns nicht mehr so stark wirken, bräuchte es eine klare dauerhafte Entwarnung von den Spitälern aus der gesamten Ostregion Österreichs.

Als "kühn" hat ein Vertreter der Ärztekammer den Plan Doskozils bezeichnet. Man könnte auch verantwortungslos dazu sagen. Der Landeshauptmann macht das Burgenland zu einem Versuchslabor, unter gefährlichen Rahmenbedingungen. Es ist ihm zu wünschen, dass die Wette aufgeht. Die Burgenländerinnen und Burgenländer sollten sich jedoch nicht darauf verlassen. (Rainer Schüller, 15.4.2021)