Sie kommen aus sehr unterschiedlichen Teilen der Welt, haben aber vieles gemeinsam: der nordamerikanische Waschbär (Procyon lotor) und der aus Asien stammende Marderhund (Nyctereutes procyonoides). Beide Arten sind in etwa gleich groß, tragen eine markante schwarze "Gesichtsmaske" und sind hochflexible Allesfresser. Sie teilen auch ein Schicksal: Marderhunde und Waschbären wurden im 20. Jahrhundert als Pelz- und Jagdtiere nach Europa gebracht und haben sich seither auf dem Kontinent zunehmend ausgebreitet – auch in Österreich sind heute beide Arten etabliert.

Waschbären zählen zu den erfolgreichsten Neozoen in Europa.
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Wissenschafter des Forschungsinstituts Senckenberg und der Universität Frankfurt am Main haben die Verbreitung dieser unfreiwilligen Einwanderer nun genauer untersucht und kommen im Fachblatt "Mammal Review" zu dem Ergebnis: Waschbären sind bereits in 20 europäischen Ländern zu finden, Marderhunde kommen sogar in 33 Ländern vor. Das dürfte aber erst der Anfang sein, denn die Tiere könnten künftig noch viele neue Gebiete erschließen, sagte Judith Kochmann, die Erstautorin der Studie: "Die Tiere leben in Europa noch nicht überall dort, wo für sie klimatisch geeignete Lebensbedingungen herrschen und sie also theoretisch leben könnten. Es ist daher wahrscheinlich, dass das Verbreitungsgebiet von Waschbär und Marderhund in Europa vermutlich noch beträchtlich größer wird."

Günstige Bedingungen

Waschbären und Marderhunde sind flexibel, was ihren Lebensraum und ihr Futter betrifft, und haben in Europa kaum natürliche Feinde. Deshalb gehen Forscher davon aus, dass ihre Ausbreitung nur durch das Klima begrenzt wird. Für die aktuelle Studie ermittelten Kochmann und Kollegen daher anhand unterschiedlicher Variablen die klimatische Nische, in der sich die Tiere in ihren ursprünglichen Verbreitungsgebieten etabliert haben. Dann untersuchten sie, in welchen Gebieten in Europa vergleichbare Bedingungen herrschen und ob Waschbär und Marderhund dort bereits gesichtet wurden. Daraus leiteten die Forscher wiederum ab, welche Gegenden künftig noch besiedelt werden könnten.

Verwandt mit Fuchs und Wolf: der Marderhund.
Foto: Dorian Dörge

Die klimatisch günstigen Lebensräume für die beiden Spezies überlappen sich in Europa zu einem großen Teil. Dennoch rechnen die Biologen mit einem unterschiedlichen künftigen Ausbreitungsmuster: Während sich der Marderhund zügiger gen Skandinavien und Osteuropa ausbreiten könnte, sei zu erwarten, dass Waschbären stärker in südlichere Regionen vorstoßen werden. Denn Marderhunde scheinen im Winter niedrigere Temperaturen zu tolerieren.

Putzige Krankheitsüberträger

Biologisch gesehen sind die beiden Arten übrigens nicht allzu nahe miteinander verwandt. Der Waschbär zählt zur weitläufigen Marderverwandtschaft, der Marderhund hingegen zu den Echten Hunden. So putzig sie auch aussehen, die Tiere bringen auch Gefahren mit – nicht nur für die natürlichen Ökosysteme, in die sie eindringen. So sind sie auch Träger von Krankheitserregern, die zum Teil auch auf den Menschen übertragen werden können.

"Waschbären übertragen den Waschbärspulwurm und gelten als Reservoirwirte für das West-Nil-Virus. Marderhunde beherbergen ähnliche Erreger, darunter Lyssaviren, die Tollwut verursachen, canine Staupeviren sowie den Fuchsbandwurm", sagte Sven Klimpel, Leiter der Studie. Zudem würden Marderhunde im Verdacht stehen, auch Coronaviren als Wirte zu dienen. "Welche Erreger die Arten in Europa in sich tragen, erforschen wir aktuell in unserem Verbundprojekt Zoonotische und wildtierökologische Auswirkungen invasiver Carnivoren", sagte Klimpel. Eine Studie von Forschern der Vetmeduni Vienna zeigte vor einigen Jahren jedoch, dass der Marderhund in dieser Hinsicht als problematischer zu bewerten ist: Er ist demnach ein weitaus häufigerer Überträger von Zoonosen. (dare, 16.4.2021)