Der designierte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein und Vizekanzler Werner Kogler.

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Wenigstens eine Frage wurde nach dem Ausscheiden des Gesundheitsministers geklärt, noch ehe der Nachfolger sein Amt angetreten hatte. Und keine unwichtige. Es will ja kein Mensch ein Otto-Normalverbraucher-Typ sein, jeder will sich von anderen unterscheiden, wenigstens ein bisschen unkonventionell daherkommen. Aber was ist unkonventionell? "Die Presse" hat das Mittwoch, als Mückstein noch lange nicht Minister war, unter dem Aufmachertitel Wie Mückstein Minister wurde ein für alle Mal geklärt. Der Allgemeinmediziner kam zu seinem ersten Auftritt in Jeans und Turnschuhen – das untermauerte, was Weggefährten über ihn sagen: Unkonventionell sei er. Ein Pragmatiker, der gern alternative Wege geht.

Ob dieser Beweis stichhaltig ist, bleibt offen. Wenn Unkonventionalität sich mit Jeans und Turnschuhen untermauern lässt, dann sind ungefähr 90 Prozent aller U-Bahn-Benützerinnen und -Benützer unkonventionell, was sie zwar nicht unbedingt zu Pragmatikern macht, die gern alternative Wege gehen, dem Begriff unkonventionell jedoch eine überraschende Bedeutung verleiht, die österreichischen Verhältnissen angemessen ist.

Panorama politischer Bedarfsartikel

Einen Tag vorher, von Mückstein war noch keine Rede, arbeitete man sich in der "Presse" an der Frage ab: Welche Menschen (nicht) inder Politik arbeiten sollten. Zu diesem Zweck entfaltete der Leitartikler ein Panorama politischer Bedarfsartikel. Brauchen wir konsensorientierte Zauderer, machtbewusste Taktiker, regionale Bauchentscheider, geradlinige Prinzipienreiter oder etwas ganz anderes? Den hohen Ansprüchen des Blattes entspräche am ehesten ein Müsli aus allem. Ein derart qualifizierter Quereinsteiger ist schwer zu finden, wie sich einen Tag später herausstellen sollte. Der vorausschauende Autor eröffnete seinen Text dementsprechend mit dem Satz: Rudolf Anschober fasst den Wochenbeginn ins Auge, um sich zurück zum Dienst zu melden, eine Prophezeiung, die sich rasch als unkonventionell herausstellen sollte. Dabei sah der Autor durchaus, wo das Problem lag. In einer doch ziemlich existenziellen Krise ist es nicht mehr reine Geschmackssache, ob man stilistisch mehr auf Kraftmeier oder Konsensmüller steht.

Als einer der Prototypen eines Konsensmüllers bot sich ihm gleich der Gesundheitsminister an, noch immer Anschober, der nach dem Frontalangriff auf sein Ministerium nicht bereit war, auch nur einen einzelnen Socken an politischer Schmutzwäsche zu waschen. Ganz anders, als Kraftmeier und türkise Socke, Sebastian Kurz. Der zieht während der Krise alle Register seiner politischen Handwerkskunst. Allerdings: Zuletzt war nicht immer klar, ob ihm der Meisterbrief schon zugestellt worden ist. Aber so lange der Vorrat an politischer Schmutzwäsche reicht, muss er eine Herabsetzung auf Lehrlingsentschädigung nicht fürchten.

Bis zur nächsten Wahl warten

Eine Antwort auf seine eingangs gestellte Frage schob der Autor klugerweise auf. Vielleicht ist ja die Pandemie ein Grund, sich bei der nächsten Wahl noch genauer zu überlegen, welchen Menschen man verantwortliche Positionen zutraut. Wie konnte er auch ahnen, dass er damit nicht bis zur nächsten Wahl warten müsste?

Bei Michael Jeannée in der "Krone" ging das schneller, als Der Mensch Mückstein auf sein Radar geriet. Er liebt Sneakers – Turnschuhe. So sowie Tausende. Er ist praktischer Arzt. So wie Tausende. Er wird als eitel beschrieben. So wie Tausende. Eine durchschnittliche Persönlichkeit. Ein klassischer Otto-Normalverbraucher-Typ. Nicht unsympathisch. So wie Tausende. Anders als "Die Presse" wollte ihm Jeannée nur wegen der Turnschuhe noch nicht den Nimbus des Unkonventionellen verleihen. Oder doch? Ein Mann, der den Optimismus und den Mut aufbringt, diesen Job zu diesem Zeitpunkt zu übernehmen, ist nicht so wie tausend andere, hat mit Otto Normalverbraucher nichts gemein. Er ist ein eiskalter Hund, ein Abenteurer, ein Risikomensch, ein Nervengigant. Kurz, die "Krone" will es sich noch offenlassen, ob sie den grünen Minister Mückstein glimpflich behandeln wird, natürlich ohne Kurz vor den Kopf zu stoßen.

Denn so etwas kann einem einmal leidtun, und dann ist es zu spät. Wie es zum Beispiel Jeannée mit Anschober widerfuhr. Einen Tag vorher war bei ihm Der Mensch Anschober dran. Alle Bosheiten, die ich an dieser Stelle an Anschober schrieb, galten dem Gesundheitsminister. Der Mensch Anschober war mir egal. Das war falsch. Es tut mir leid. Ehrlich.

Da bleibt nur noch eines. Nachbarin, Euer Fläschchen! (Günter Traxler, 18.4.2021)