Waffenklirren ist "die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln": Diese Interpretation des bekannten Clausewitz-Zitats haben die Strippenzieher im Kreml stark verinnerlicht. Landesweit hat das russische Verteidigungsministerium seine Truppen mobilisiert. Nach Einschätzung des Moskauer Militärbeobachters Pawel Felgengauer wurden rund eine halbe Million Soldaten aktiviert.

Dabei gibt sich der Kreml nicht einmal sonderlich Mühe, die Aktivitäten zu verschleiern: In höchste Alarmbereitschaft versetzt, fahren die strategischen Raketenstreitkräfte demonstrativ ihre mobilen Interkontinentalraketen auf. Derweil hat Russland an der Grenze zur Ukraine rund 40.000 Soldaten konzentriert, weitere Kräfte sind auf dem Seeweg in Anmarsch. Ist der Aufmarsch beendet, könnten diese Kräfte die Ukraine von Nord und Süd in die Zange nehmen. Das Militärgeplänkel dient dabei nicht unbedingt der Vorbereitung einer realen Großoffensive gegen den Nachbarn. Vielmehr soll das Muskelspiel die eigene Verhandlungsposition verbessern.

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Ukrainische Soldaten patrouillieren in der Ostukraine.
Foto: AP Photo/Evgeniy Maloletka

Denn Russland pocht auf seinen Status als Großmacht; insofern dürfte Wladimir Putin Obamas abschätziger Spruch von einer "Regionalmacht Russland" mehr getroffen haben als Bidens "Killer"-Vorwurf. Die russische Führung will sich nicht durch amerikanische Sanktionen gängeln lassen, sondern am Tisch der Großen sitzen, um mitzuentscheiden. Speziell natürlich, wenn es um die Ukraine geht. Denn der postsowjetische Raum wird in Moskau immer noch als eigener Vorhof betrachtet. Die Einteilung der Welt in Einflusssphären wie zu Zeiten des Kalten Kriegs entspricht dem russischen Verständnis von Realpolitik: Wir mischen uns nicht in die "Dermokratie" und den Genderwahn des sodomistischen Westens ein. Dafür regeln wir die Angelegenheiten in unserer Hemisphäre auf unsere eigene Art.

Die Eskalation der Krise im Donbass und die Zuspitzung der Lage drumherum haben wohl nicht zufällig begonnen, nachdem Kiew drei prorussische TV-Sender im Land eingestellt und somit Moskaus Einflussmöglichkeiten erheblich eingeschränkt hatte. Dass der ukrainische Präsident zudem noch den Nato-Beitritt seines Landes forderte, hat die Entschlossenheit in Moskau nur verstärkt, die Ukraine nicht aus dem eigenen Orbit zu entlassen. Mit der Kraftdemonstration will Moskau die Gegenseite zu Zugeständnissen zwingen, doch das ist hochriskant. Schon Tschechow wusste: Hängt im ersten Akt ein Gewehr an der Wand, wird im letzten Akt daraus geschossen. (André Ballin, 16.4.2021)