Wer kann es besser? Annalena Baerbock oder Robert Habeck?

Foto: AFP / John Macdougall

Die Grünen teilen alles. Es gibt zwei Parteichefs und auch zwei Vorsitzende der Bundestagsfraktion. Auf eine Person soll nicht zu viel Macht verteilt sein.

In Umfragen werden der Ökopartei seit Monaten gute Werte ausgewiesen. Zwar gab es zu Beginn der Pandemie eine Delle, da die Regierungsparteien im Fokus standen. Doch mittlerweile liegen die Grünen wieder stabil bei 21 bis 23 Prozent und damit auf Platz zwei hinter der Union (27 Prozent) und noch vor den Sozialdemokraten (15 bis 18 Prozent).

Es kam also die Idee auf: Auch wir Grüne brauchen einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin.

Damit soll der Machtanspruch demonstriert werden. Und so abwegig ist die Idee angesichts der Zahlen nicht. Kommt tatsächlich eine rot-rot-grüne Regierung oder eine Ampelkoalition aus Grünen, SPD und FDP zustande – eine Regierung also ohne Beteiligung von CDU/CSU –, dann würden die Grünen als stärkste Kraft darin wohl den Kanzler oder die Kanzlerin stellen.

Eine(r) muss nach vorn

Die Doppel-Masche funktioniert zwar bis hinunter auf die Kreistagsebene. Aber nun, bei der Kanzlerkandidatur, müssen sich die Grünen für eine oder einen entscheiden.

In Berlin raunt man, dass Annalena Baerbock das Rennen machen wird, auch weil sie will und als Frau das erste, auch von Robert Habeck akzeptierte Zugriffsrecht hat. Die Entscheidung soll am Montag fallen.


Robert Habeck

Robert Habeck hat im norddeutschen Schleswig-Holstein schon mal regiert.
Foto: EPA / Alexander Becher

Aus dem hohen Norden

Robert Habeck, Jahrgang 1969, stammt aus Schleswig-Holstein, geboren wurde er in Lübeck. Er studierte Philosophie, Germanistik und Philologie.

Verheiratet ist er mit der Schriftstellerin Andrea Paluch, die beiden haben vier Söhne. Paluch und Habeck veröffentlichten gemeinsam Kinderbücher, übersetzten Lyrik und schrieben gemeinsam Romane. Der 52-Jährige veröffentlichte auch einige Gedichte.

Er war schon im Jahr 2008 als Parteivorsitzender der Grünen im Gespräch, lehnte damals aber ab, weil er sich die Erziehung der Kinder mit seiner Frau teilen wollte.

Erfahrung als Minister

Habeck hat eine klassische Karriere in der Landespolitik hinter ich. 2002 stieg er als Kreisvorsitzender in Flensburg-Schleswig ein und von dort auf. Zuletzt, bis zum August 2018, war er Landwirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident in einer Jamaika-Koalition (CDU, Grüne, FDP) in Schleswig-Holstein.

Seine Ämter dort gab er auf, als er 2018 gemeinsam mit Baerbock an die Spitze der Bundesgrünen gewählt wurde. 2016 hatte er versucht, Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2017 zu werden, unterlag aber Cem Özdemir knapp. Habeck ist nicht im Bundestag.

Am Anfang der Star

Als Habeck und Baerbock 2018 zu den neuen Grünen-Chefs gewählt wurden, war er der Star. Locker, lässig und so gar nicht durch den Berliner Politbetrieb glattgeschliffen. Er werde sowieso nur so lange Chef sein, solange er "Bock" habe, verkündete er.

Talkshows rissen sich um ihn, Baerbock stand zunächst in seinem Schatten. Doch Habeck passierten auch Patzer. Er offenbarte Wissenslücken bei der Pendlerpauschale und wollte Thüringen zu einem "freien, demokratischen" Land machen, obwohl die Grünen dort regierten. Mittlerweile sind auch Parteifreunde von seinen oft verschwurbelten Reden genervt.

In Umfragen vorn

Und wer wird es nun? Bereit sind beide, daran haben sie keinen Zweifel gelassen. Für Habeck spricht, nebst seiner Regierungserfahrung, dass er in Umfragen immer noch vor Baerbock liegt.

Laut einer Civey-Umfrage für den Spiegel können sich 32 Prozent der Deutschen Habeck als Kanzlerkandidaten vorstellen, 25 Prozent sind für Baerbock.

In verklausulierter Art hat Habeck seiner Co-Chefin die Kandidatur auch schon angetragen, indem er erklärte, sie habe als Frau das erste Zugriffsrecht. Das sollte dann aber doch nicht als sein Verzicht verstanden werden.


Annalena Baerbock

Annalena Baerbocks Kandidatur wäre ein Signal an die Frauen.
Foto: Imago / teamwork / Achim Duwentäster

Von West nach Ost

Annalena Baerbock (40) wuchs im niedersächsischen Pattensen auf. In ihrer Jugend betrieb sie Trampolin als Leistungssport und gewann bei den deutschen Meisterschaften dreimal Bronze.

Baerbock studierte Öffentliches Recht, Politikwissenschaften und Völkerrecht. Während des Studiums arbeitete sie für die Hannoversche Allgemeine Zeitung.

Danach war sie Büroleiterin einer EU-Abgeordneten sowie Referentin für Sicherheits- und Außenpolitik in der grünen Fraktion. Baerbock lebt mit dem PR-Berater Daniel Holefleisch und den beiden Töchtern in Potsdam/Brandenburg.

Noch nie im Regierungsamt

Baerbock hat, im Gegensatz zu Habeck, keine Erfahrung in Regierungsämtern. Sie engagierte sich in der Brandenburger Landespolitik und wurde 2009 zur Chefin der Landesgrünen gewählt.

2013 zog sie zum ersten Mal in den Bundestag ein, 2017 zum zweiten Mal. Dort ist sie für EU, Wirtschaft, Energie, Umwelt und Reaktorsicherheit zuständig.

Als Baerbock 2018 mit Habeck an die Grünen-Spitze gewählt wurde, war dies ein Novum: Beide sind Vertreter des pragmatischen Flügels. Bei der Wiederwahl 2019 erhielt sie 97,1 Prozent der Stimmen, er 90,4 Prozent.

Aus dem Schatten heraus

Sie habe nicht vor, bloß "die Frau an Roberts Seite" zu sein, stellte Baerbock bei ihrer Wahl zur Grünen-Chefin klar. Für die Öffentlichkeit blieb sie es dennoch eine Zeitlang, alle blickten auf Habeck.

Das aber hat sich längst geändert. Parteiintern gilt Baerbock schon lange als Mastermind des Duos. Sie ist in Berlin besser vernetzt, da sie auch im Bundestag sitzt und die Schnittstelle zwischen Partei und Fraktion bildet.

Nicht nur parteiintern wird ihre hohe fachliche Kompetenz gelobt. Sie spricht verständlich, in Talkshows wird sie mittlerweile genauso selbstverständlich eingeladen wie Habeck.

Signal an die Frauen

Zwar liegt Habeck bei der gesamten Wählerschaft in Umfragen vorn, bei den Grünen-Sympathisanten jedoch führt Baerbock. 45 Prozent wollen sie als Kanzlerkandidatin, 35 Prozent favorisieren Habeck.

Stark für Baerbock spricht der Frauenfaktor. Die SPD und die Union gehen mit Männern ins Rennen, Baerbock wäre die einzige Frau.

Auf ihre fehlende Regierungserfahrung angesprochen, kontert sie: "Drei Jahre als Parteichefin, Abgeordnete und Mutter kleiner Kinder stählen ziemlich." Und sie gab im Spiegel zu, dass der Verzicht auf die Kandidatur für sie ein "kleiner Stich ins Herz" wäre. (Birgit Baumann, 17.4.2021)