Der Künstler Ben Lewis prangert mit seinem virtuellen "Salvator Metaversi" Exzesse des Kunstmarktes an.

Foto: Courtesy by Ben Lewis

Das teuerste Gemälde der Welt, im Dezember 2017 bei Christie’s in New York als Werk Leonardo da Vincis versteigert, sorgt wieder für Schlagzeilen. Weniger wegen einer virtuellen Variation (NFT), die am Osterwochenende für einen vergleichsweise läppischen Betrag versteigert wurde. Den Aufreger der Woche bescherte eine am Dienstag im französischen Fernsehen ausgestrahlte Dokumentation, die das Rätsel darüber gelöst haben wollte, warum das Gemälde bei der großen Retrospektive anlässlich des 500. Todestages im Louvre nicht zu sehen war.

In der filmischen Erzählung des Regisseurs Antoine Vitkine wurden zwar relevante Fakten der Genese ignoriert oder falsch interpretiert, jedoch bestätigten sich erstmals Interventionen auf höchster Regierungsebene: Zu den Involvierten gehörten demnach Staatspräsident Emmanuel Macron, Außenminister Jean-Yves Le Drian sowie Frank Riester, bis Mitte vergangenen Jahres amtierender Kulturminister.

Woher der Wind weht, legt der Eigentümer nahe: der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman Al Saud, kurz MbS, der sich mit dem Erwerb auch kulturell als Modernisierer der arabischen Welt inszenierte. Zwei Wochen nachdem er die Trophäe ersteigert hatte, gab der Louvre Abu Dhabi via Twitter bekannt, dass man Leonardos Salvator Mundi schon bald der Öffentlichkeit präsentieren wolle. Eine Ankündigung, die nie erfüllt wurde. Kein Wunder, denn in den Wochen und Monaten nach der Auktionssensation hatten sich kritische Stimmen gemehrt, die das von Christie’s organisierte Gutachten anzweifelten: Es stammte von Martin Kemp, dem Leonardo-Experten, der es als authentisches Werk Leonardo da Vincis bewertet hatte.

Leihgabe an Louvre paktiert

Laut der TV-Doku sei das Bild in weiterer Folge auf dem französisch-saudischen Gipfel im April 2018, bei dem es auch um milliardenschwere Wirtschaftsaufträge ging, am Rande Thema gewesen. In der Hauptsache war es jedoch um Frankreichs exklusive Rolle bei dem Projekt zur Entwicklung der Provinz Al-Ula zu einem bedeutenden Kulturzentrum gegangen. Das Abkommen wurde unterzeichnet. Zwischen den Zeilen war damit aber auch die Leihgabe an den Louvre paktiert worden.

Im Spätsommer desselben Jahres gelangten via Oxford jedoch Forschungsergebnisse ans Tageslicht, die den Plan rückblickend torpedierten. Matthew Landrus, der sich seit langem mit Leonardos Umfeld und Werkstattbetrieb beschäftigte, wies nach, dass der Anteil des Meisters am Bild bei höchstens 20 Prozent lag. Das Bild wurde von einem Schüler gemalt. Hinzu kam, dass sich eine Angabe in der Provenienzgeschichte, die sich auf einen Inventareintrag der Sammlung des englischen Königs Karl I. bezog, als Verwechslung entpuppte.

Bedingungen aus Saudi-Arabien

In Vitkines Dokumentation bleiben die Erkenntnisse britischer Wissenschafter gänzlich unerwähnt, stattdessen schreibt er sie den Louvre-Experten und ihren naturwissenschaftlichen Analysen zu und begründet damit das Fehlen des Bildes bei der Ausstellung. Denn MbS habe klare Bedingungen gestellt: Die Leihgabe gebe es nur, wenn Salvator Mundi als 100-Prozent-Leonardo neben der Mona Lisa gezeigt würde.

Dafür sollen sich dann auch der Außenminister und der Kulturminister eingesetzt haben, die ihre Felle davonschwimmen sahen. Macron habe sich schließlich gegen die saudischen Bedingungen entschieden. So weit, so unklar. Denn tatsächlich dürfte sich der Louvre sehr wohl dem geforderten Diktat unterworfen haben, wie Berichte der New York Times und des Fachmagazins The Art News paper der letzten Tage nahelegen.

Dabei geht es um eine von den Saudis finanzierte Sonderpublikation des Louvre, die ausschließlich dem Salvator Mundi und den zugehörigen historischen und wissenschaftlichen Studien gewidmet war. Fazit: Die alleinige Zuschreibung des Werkes an Leonardo wurde – Überraschung! – von den Louvre-Experten bestätigt.

Damit bleibt das Rätsel, warum das Bild nicht zu sehen war, vorerst ungelöst. Das eingangs erwähnte NFT ist eine Adaption des Motivs von Ben Lewis, einem Autor, der sich ebenfalls mit der jüngeren Geschichte des Werkes beschäftigte: Statt der Weltkugel hält "Salvator Metaversi" ein Bündel Dollar-Scheine in der Hand, womit Exzesse und Ungerechtigkeiten des Kunstmarktes angeprangert werden. Das Ergebnis der Versteigerung auf der Opensea-Plattform: Es wechselte für 1,8 WETH oder umgerechnet etwa 3500 Euro den Besitzer. (Olga Kronsteiner, 18.4.2021)