Die Kulturplattform Oberösterreich und die grüne Abgeordnete Eva Blimlinger haben einen Wettbewerb ausgelobt, aber braucht es wirklich einen alternativen Begriff?, fragt Kulturwissenschafter Pascal Honisch im Gastkommentar.

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Am 3. April 2021 erschien im STANDARD ein Artikel mit dem Titel "Warum der Begriff 'Kulturschaffende' NS-belastet ist". Ein Wort, das als Überbegriff für Künstlerinnen und Künstler sowie Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittler dient und im deutschen Sprachgebrauch etabliert – ja sogar "genderneutral" – ist, wie der Artikel eingangs hervorhebt, hätte seinen Ursprung im Nationalsozialismus und wäre damit für eine progressive Gesellschaft untragbar geworden. Doch es gibt kein vergleichbares Wort, das als Überbegriff seinen Platz einnehmen könnte, vor allem keines, das bereits hinlänglich bekannt wäre. Deswegen solle nun eines erfunden werden. Hieraus würde allerdings ein anderes, größeres Problem entstehen.

Der Anspruch an Politik und Wissenschaft, sich kritisch mit Vergangenheit und Sprache unseres Landes auseinanderzusetzen, ist wichtig und berechtigt. Es stellt sich hier nur die Frage, ob der Zweck die Mittel rechtfertigt und nicht vor allem den "Kulturschaffenden" selbst, die als kritisches Moment unserer Gesellschaft eine ebenso wichtige Funktion erfüllen, ein beträchtlicher Imageschaden entsteht. Da besagter Artikel nur den historischen Ursprung, nicht aber die positive gegenwärtige Verwendung des Begriffs thematisiert, stellt er nämlich erst eine negative Assoziation her, ohne dabei die – potenziell weitreichenden – Konsequenzen für "Kulturschaffende" in Betracht zu ziehen.

Wichtiger Überbegriff

Eine öffentliche Debatte um die Verwendung des Begriffs anzustoßen und eine negative Aufladung desselben zu bewirken, wird jene am meisten treffen, die bereits jetzt ihre Existenzgrundlage gefährdet sehen. Künstlerinnen, Künstler, Kulturvermittlerinnen und Kulturvermittler, für die es keinen anderen adäquaten Überbegriff gibt, haben es in einer Zeit, in der alle nach Unterstützungsleistungen rufen, ohnehin schwer, Gehör zu finden. Noch schwerer werden sie es haben, wenn man sie aus dem allgemeinen Sprachgebrauch streicht und ihnen die Möglichkeit nimmt, für die eigenen Anliegen überhaupt erst als Gruppe auftreten zu können.

Ein Überbegriff gibt ihnen erst die Möglichkeit, gemeinsam zu lobbyieren und als Gruppe in der Öffentlichkeit aufzutreten, gesellschaftliche Missstände und politische Entscheidungen zu kritisieren, nicht nur als Musikerinnen und Musiker, Autorinnen und Autoren, Veranstalterinnen und Veranstalter, sondern als Summe ihrer Teile, als "Kulturschaffende" eben.

Ob jetzt eine Debatte über das Wort "Kulturschaffende" wichtiger ist als eine über ihre Anliegen, darf jedenfalls bezweifelt werden. Freilich ist das Anliegen, unsere Vergangenheit kritisch zu beleuchten und nicht unkommentiert zu lassen, zu unterstützen. Dennoch plädiere ich dafür, dieses belastende sprachliche Erbe als Auftrag an "Kulturschaffende" aller Sparten zu sehen, uns die Gräueltaten des Nationalsozialismus nie mehr vergessen zu lassen, anstatt sie aus unserer Sprache und damit aus unserem Bewusstsein zu verdrängen. (Pascal Honisch, 17.4.2021)