Sergej Lawrow will das Gesprächsangebot Joe Bidens jetzt noch länger eingehend studieren, statt zuzusagen.

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Es sei jetzt an der Zeit, die Gemüter zu beruhigen, zu deeskalieren. Das sagte US-Präsident Joe Biden, nur wenige Stunden, nachdem neue US-Sanktionen gegen Russland bekannt wurden – und nicht einmal 24 Stunden, bevor Russland darauf mit noch härteren Gegenmaßnahmen reagierte.

Es gebe genug Spielraum, meinte Biden eigentlich auf einer Pressekonferenz am Donnerstag, in dem die beiden Länder kooperieren könnten. Gleichzeitig warnte er aber Moskau: "Wenn Russland sich weiterhin in unsere Demokratie einmischt, bin ich bereit, weitere Maßnahmen zu ergreifen." Die jetzt verhängten Sanktionen hätten härter ausfallen können, sagte Biden. Er habe sich aber dazu entschlossen, "verhältnismäßig" zu reagieren.

Was das im Detail bedeutet? Zehn russische Diplomaten werden aus den USA ausgewiesen. Fünf Mitarbeiter der Botschaft in Washington würden für russische Geheimdienste arbeiten, heißt es dazu ergänzend. Außerdem werden mehrere Personen und Organisationen mit Sanktionen belegt, und US-Banken wird der Handel mit neuen russischen Staatsschulden verboten. Dies alles ist eine Antwort auf einen umfangreichen Hackerangriff auf Behörden und Firmen in den USA, der im Dezember bekannt wurde und hinter dem Moskau vermutet wird – und auf Russlands Aufmarsch nahe der Ukraine.

Botschafter soll Land verlassen

Das sieht man in Moskau nicht gerne. Außenminister Sergej Lawrow trat Freitagabend vor die Mikrofone und verkündete dabei eine ganze Reihe an Gegenmaßnahmen, die Russland als "symmetrisch" betrachtet, die in Wahrheit aber härter ausfallen als jene der USA. Auch aus Moskau werden zehn US-Diplomaten ausgewiesen, zudem legte der Kreml auch dem US-Botschafter John Sullivan nahe, "zu Konsultationen" in seine Heimat zurückzukehren – eine diplomatisch verpackte, aber doch harte Ansage. Zudem gibt es Einreisesperren gegen acht US-Amerikaner. Zu ihnen zählen der amtierende Justizminister Merrick Garland, der Heimatschutzminister Aljeandro Mayorkas, FBI-Chef Christopher Wray und die Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines.

Außerdem verbietet Russland eigenen Staatsbürgern und solchen von Drittstaaten die Arbeit in der US-Botschaft. Noch härtere Maßnahmen, die etwa US-Unternehmen treffen sollten, wolle man sich darüber hinaus vorbehalten, so Lawrow.

Was das alles für Bidens Angebot an Putin bedeutet, sich zu treffen? Das ist unklar. Den Vorschlag hatte der US-Präsident seinem russischen Amtskollegen bei einem Gespräch am Dienstag gemacht. "Mein Fazit lautet: Wir in den USA sind daran interessiert, mit Russland zusammenzuarbeiten. Wir sollten das machen, und wir werden das machen." Lawrow sagte Freitag nur, die Reaktion sei anfangs positiv gewesen. Nun, nach den Sanktionen, werde man den Vorschlag noch einmal eingehend studieren müssen.

Grund- und sinnlos

Die Nato-Partner stellten sich jedenfalls hinter die USA. "Wir stehen solidarisch an der Seite der Vereinigten Staaten", heißt es in einer Erklärung. Man rufe Russland auf, sein "destabilisierendes Verhalten" unverzüglich einzustellen. Russland hat angekündigt, neben zehn US-Diplomaten auch fünf polnische Diplomaten auszuweisen, nachdem Warschau zuvor drei russische Beamte ausgewiesen hatte.

Der für die Außenpolitik zuständige Vizechef des Föderationsrats Konstantin Kossatschow erklärte, die neuen US-Sanktionen seien "ihrem Wesen nach grundlos und ihrer Form nach daher sinnlos". Der einzige Unterschied zu früheren Sanktionen sei der Zeitpunkt, fügte er in Anspielung auf das vorangegangene Telefonat hinzu.

Aus dem russischem Außenministerium hieß es, die Verantwortung für die schlechteren Beziehungen liege allein in Washington, und Russland werde auf die Aktion adäquat antworten.

Auch Kritik an Deutschland

Präventiv knüpfte sich das Ministerium gleichentags Deutschland in der Causa Alexej Nawalny vor – der einzige Fall, den die US-Administration in ihrem neuen Strafenkatalog bisher noch ausgelassen hatte. Die deutsche Regierung nutze Nawalny dazu, sich in die inneren Angelegenheiten Russlands einzumischen, kritisierte das russische Außenamt.

Es sei bezeichnend, mit welcher Bereitschaft Berlin die Meldungen über die Haft Nawalnys aufbausche, um von "den unangenehmen Fragen bezüglich der von Berlin forcierten haltlosen Version einer Vergiftung des Bloggers mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok abzulenken", heißt es in der offiziellen Presseaussendung.

Der im Straflager in Hungerstreik getretene Nawalny meldete sich indessen am Freitag selbst via Instagram zu Wort und sprach davon, dass ihm eine Aufseherin Zwangsernährung und eine Zwangsweste angedroht habe. Die russische Staatsanwaltschaft hat außerdem ein Gericht aufgefordert, die Nawalny-Anti-Korruptionsstiftung und deren Regionalbüro als "extremistisch" einzustufen und damit zu verbieten. "Unter dem Deckmantel liberaler Parolen sind diese Organisationen damit beschäftigt, Bedingungen für die Destabilisierung der gesellschaftlichen und gesellschaftspolitischen Situation zu schaffen", so die Staatsanwaltschaft am Freitag in einer Mitteilung. (André Ballin aus Moskau, Manuel Escher, Kim Son Hoang, 16.4.2021)