Eigentlich könnte jetzt die Stunde der SPÖ schlagen. Der Wunderkanzler entzaubert sich selbst und die FPÖ scheint mit Revierkämpfen zwischen Herbert Kickl und Norbert Hofer beschäftigt zu sein. Ebenso könnte man von den Grünen ein schönes Stück des Wählerkuchens abbeißen, da jene ordentliche Schrammen durch ihre Partnerschaft mit den Türkisen abbekommen haben. Stattdessen brilliert die Chefin der stolzen Bewegung, Pamela Rendi-Wagner, mit ihrer Expertise als Ärztin und der Forderung nach strikteren Anti-Corona-Maßnahmen. So geht wahrer Populismus der Marke Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert. Da jubeln der Hackler, der durch die Krise seinen Job verloren hat und die alleinerziehende Homeschooling-geplagte Mutter. Einzig der "Donald Trump" aus dem Burgenland, Hans Peter Doskozil, betritt seinen eigenen Pfad in der Pandemie.

SPÖ: Shame and Scandal in the Family

Dafür wird Doskozil aber nicht nur mit Lob und Zuwendung aus seiner Gesinnungsgemeinschaft belohnt. Von Rendi-Wagner sowie von dem Wiener Bürgermeister, Michael Ludwig, der in letzter Zeit zum Corona-Musterschüler mutiert ist, gibt es einen Rüffel. Doch der “Prinz Eisenstadt“ in Form des Landesgeschäftsführers der SPÖ Burgenland, Roland Fürst, eilt ihm wacker zu Hilfe und sein kognitiver Köcher ist prall gefüllt mit Argumenten für den burgenländischen Weg in der Coronakrise.

"Es macht in der Beurteilung der aktuellen Situation einen Unterschied, ob ich einen geschützten Arbeitsplatz habe, jeden ersten im Monat mein Gehalt bekomme, Yoga auf meiner Dachterrasse machen kann, ein Kräuterbeet im eigenen Garten anlegen und weiß, dass nach Bewältigung der Krise ein normales Leben möglich ist“, so Fürst. Das sitzt und trifft einen wahren Kern. Schlimmer als die Diagnose ist aber das Fehlen eines breitenwirksamen Therapievorschlages vonseiten der SPÖ in derart schwierigen Zeiten. Ein sogenannter USP, sprich, ein Alleinstellungsmerkmal für die Partei.

Die SPÖ beschäftigt sich mit internen Streitigkeiten statt mit wichtigen Dingen.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Warum wird das bedingungslose Grundeinkommen verschmäht?

Interessant ist, dass in sozialdemokratischen Think-Tanks das bedingungslose Grundeinkommen grundsätzlich mehr oder weniger heiß diskutiert wird, jedoch von deren Spitzenvertretern aus Gewerkschaft, Arbeiterkammer oder Parteiführung nicht wirklich stark getrommelt oder forciert wird. Womit könnte dies zu tun haben? Könnte es sein, dass sich sozialpartnerschaftliche Strukturen und deren Ausläufer durch dieses Konzept gar bedroht oder relativiert fühlen? Fakt ist, dass viele Posten in der Verwaltung, die parteipolitisch besetzbar sind, durch ein derartiges Modell wegfallen würden.

Ebenfalls müssten die Arbeitnehmervertreter sowie die Arbeitgeberverbände mit einem bedingungslosen Grundeinkommen ihre Funktion und ihre Leistungen für ihre Zielgruppen neu anpassen und sich dadurch weiterentwickeln. Vielleicht ist das eine Tatsache warum von der Sozialdemokratie der Themenkomplex zwar oft besprochen aber in der Performance auf Sparflamme gehalten wird oder man dem bedingungslosen Grundeinkommen argumentativ eher ablehnend gegenübersteht. Doch wann, wenn nicht in Zeiten einer unvergleichbaren sozialen, psychischen und ökonomischen Krise wäre der Ansatz einer finanziellen Absicherung für alle nahezu als Menschenrecht je sinnvoller? (Daniel Witzeling, 26.4.2021)

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