Ein Trio, das den neuen Menschen heraufbeschwört: "G.E.L." im Tanzquartier Wien.

Foto: Franz Moritz Zangl

Vier junge Erwachsene pflegen einander auf der Bühne. Drei tun einem mithilfe eines Massagedelfins etwas Gutes. Ah, das entspannt! Den Nacken, die Schultern und den Po. So fängt das auf der Webseite des Tanzquartiers Wien gestreamte Performancevideo G.E.L. von Gleb Amankulov, Claudia Lomoschitz und Lau Lukkarila mit dem Musiker Manuel Riegler an. Es spiegelt einen Zukunftstraum, der Balsam sein kann, wenn man sich nach einem Tanz in die Normalität sehnt.

G.E.L. muntert echt auf. Die sich zwischendurch mit "Testogel" salbenden Performer versprechen "Adrenalinräusche", "Oxytocin-Highs" und "Serotoninsteigerung". Dass dabei auch wie angekündigt "Relaxin versprüht" wird, lässt sich nicht überprüfen. Aber in der Welt dieser Transhumanisten, die tanzen, singen und umarmen können, scheint alles willkommen, was die Pharmaindustrie im Verbund mit Gentechnik hergibt.

Klange der Hormone

Hier präsentiert sich eine materialistische Spiritualität, in der Körper zu Genießern ihrer wirtschaftlichen Verwertung werden. Die Figuren spielen partygeborene Universalkonsumierende vor, die von kulturellen Lasten und natürlichen Restriktionen befreit sind und kindlich in einem Reich beliebiger Redesigns schweben. Als sinnliche Elfen baden sie in buntem Licht zu wohlig coolen Klängen und sorgen für ihre Fitness. Im begleitenden Sprechgesang preisen sie den "sound of hormons" und kurbeln durch Gymnastik ihren Kreislauf an: "Discourse runs in my blood." Beinahe kommt der Eindruck auf, derlei Beschwörungen könnten ironisch gemeint sein. Aber keine Bange, das täuscht, denn es gilt ganz ernsthaft: "Drugs low, enhancers high."

Vor einem digitalen Avatar im Hintergrundvideo wird ein Reigen-Trio getanzt, und Lau Lukkarila macht vor, dass der Massagedelfin auch die Stimme vibrieren lassen kann. Ihrem Gesang zufolge könnte sie zwar ein Herzensbrecher mit Herzen aus Eis sein, aber ganz ohne Schmalz geht das nicht: "Oh I’m burning, because you set my soul on fire." Dazu tanzt Gleb Amankulov anmutig mit Hosenrock plus Elitegymnasiastenfrisur. Herzensbrecher lässt ihn wissen: alles nur wegen dir!

Gelierzucker-Ästhetik

Vintage also, in frisch eingekochter Form: Das neue Elfenwesen wird eh sein wie der alte Mensch, bloß dass es dessen Qualitäten als Produkt erweitert. Die Gelierzucker-Ästhetik wirkt wie ein Werbefilm für eine Self-Coaching-Firma. All inclusive: Tanztherapiebewegungen zu Wingwave-Tönen, angedeutete Partystimmung und die tröstliche Feststellung im finalen Textinsert, dass jemand wieder zu seinen oder ihren Tränen gefunden hat.

Wer jetzt denkt, das wäre ein Albtraum, verweigert offenbar die gelierte Perspektive der anschwellenden "Care"-Kunstbewegung. Wie bedauerlich. Was soll nur aus einem so negativen Menschen werden! (Helmut Ploebst, 19.4.2021)