Kanzler Kurz und Vizekanzler Kogler wehren sich gegen Kommentatoren, die meinen, der Staat habe als Unternehmer versagt.

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17. Oktober 2019. Schwarze Limousinen stauen sich in der Wiener Kolingasse. Die staatliche Holding lädt zum ersten "Öbag-Forum". Der Bundespräsident lobt die "Diversity-Ansprüche" (sic!) der neu-strukturierten AG, die Spitzen der Industrie philosophieren auf dem Podium über Integrität, ein internationaler Experte warnt vor Vorständen auf dem Egotrip, denen der Aufsichtsrat Einhalt gebieten muss, kurzum: Es ist ein großer Tag für Thomas Schmid, den frischgebackenen Öbag-Alleinvorstand. Das Motto der Veranstaltung damals, ein besseres ließe sich kaum erfinden: "Good Governance".

Niveaulos und beschämend

Was er und Konsorten wirklich unter diesem Begriff verstehen, wissen wir spätesten seit ein paar Wochen. Niveaulos und beschämend – mehr fällt mir zu den veröffentlichten Chatprotokollen nicht ein. Der Reputationsschaden für Österreich ist enorm, dabei hat die Neuaufstellung der staatlichen Beteiligungen durch Schmid durchaus ihre Meriten.

Neoliberale Kommentatoren meinen nun unisono, der Staat habe als Unternehmer versagt, alles sei restlos zu privatisieren und das Ende der Öbag einzuläuten. Als gäbe es in der Privatwirtschaft keine Skandale, keine Korruption und keine Vetternwirtschaft!

Wobei sie in einem Punkt recht haben: Der Staat sollte nicht als Unternehmer fungieren. Zukunftsgewandte Industriepolitik funktioniert über intelligentes Beteiligungsmanagement und über strategisches Mitentscheiden. Das hat Schmid begriffen, und die Struktur der Öbag bietet eine gute Grundlage für zukunftsgerichtete staatliche Investitionspolitik. Schmid hat seinen türkisen Chatpartnern verständlich gemacht, dass eine aktive staatliche Standortpolitik sinnvoller ist, als eine weitere Privatisierungswelle einzuläuten wie unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel.

Standort Österreich

Die Holding sichert systemrelevante Infrastruktur in den Bereichen Energieversorgung, Telekom und Post. Eine OMV wäre ohne staatliche Beteiligung schon längst von einem Weltkonzern geschluckt worden, und der Standort Österreich wäre einem solchen Multi herzlich egal. Breitbandausbau auf dem Land mit einer Telekom, in der wir nichts mitzureden haben – das wäre schwer umsetzbar.

Doch mit dem Verwalten des Tafelsilbers (Portfoliowert knapp 27 Milliarden Euro) und dem jährlichen Dividendenkassieren (zuletzt 600 Millionen Euro) alleine ist es nicht getan. Wie die progressive Ökonomin Marianna Mazzucato in ihrem neuen Buch Mission Economy zeigt, braucht es eine Wirtschaftspolitik, die sich den großen Herausforderungen der Zeit, allen voran der Klimakrise, mit klar definierten großen Aufgaben oder "Missions" stellt.

In welche Bereiche der Datenökonomie müssen wir investieren, um neue Marktfelder zu eröffnen? Der staatliche finnische Innovationsfond Sitra zeigt vor, wie das gehen könnte. Wie verhelfen wir Ausgründungen aus der Forschung durch Wagniskapital zum Durchbruch? Auch die unabhängige schwedische Industriefonden-Stiftung könnte hier als Beispiel dienen, ebenso wie die Staatsfonds von Singapur und Südkorea. Von all diesen Champions kann die Öbag, kann unser Staat lernen! Nur bitte dabei diesmal nicht auf die "Good Governance" vergessen – nicht jene von Sebastian Kurz & Family, sei dazugesagt. (Philippe Narval, 19.4.2021)