Der Einsturz des Rana Plaza in Bangladesch 2013 forderte über tausend Todesopfer. Angehörige verlangen seit Jahren bessere Sicherheitsvorkehrungen in der Textilindustrie.

Foto: imago

Bereits am Vortag waren Risse an dem achtgeschoßigen Gebäude festgestellt worden, die Polizei verbat darauf den Zutritt. Trotzdem befanden sich rund 3000 Arbeiterinnen und Arbeiter im Rana Plaza, als das Stahlbetonhaus in sich zusammenbrach. 1135 Menschen starben bei dem Unglück in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka vor acht Jahren. Die Katastrophe warf Licht auf die prekären und manchmal fatalen Arbeitsbedingungen in der globalen Textilindustrie. Der Vorfall erhöhte den Druck, strengere Regeln für Unternehmen einzuführen, die entlang ihrer Lieferketten Verstöße gegen Menschenrechte und Umweltzerstörung in Kauf nehmen.

Die EU-Kommission bastelt an einer Richtlinie, in Deutschland einigte sich das Kabinett auf einen Gesetzesentwurf. In Österreich plädieren zivilgesellschaftliche Initiativen für einen nationalen Vorstoß, die SPÖ brachte einen Antrag im Parlament ein, der vertagt wurde. Die türkis-grüne Koalition will sich auf die Umsetzung der künftigen EU-Richtlinie konzentrieren.

In Norwegen hingegen legte die Regierung nun ein fertiges Regelwerk vor, das einen anderen Ansatz betont und als Vorbild für den Rest des Kontinents dienen könnte.

Mehrere Vorstöße

Zunächst der Status quo: Nur jedes dritte Unternehmen in der EU prüft seine globalen Lieferketten mit Blick auf Menschenrechte und Umweltauswirkungen sorgfältig, wie eine Studie im Auftrag der EU-Kommission ergab. Bis Jahresende will Brüssel neue Regeln vorschlagen, wie Konzerne ihre Töchter und Zulieferer kontrollieren sollen. Die große Streitfrage dabei ist, inwieweit Unternehmen auch haftbar gemacht werden sollen, wenn ihre Zulieferer etwa illegal Regenwal roden oder Kinderarbeit einsetzen.

Das EU-Parlament gab im März der Kommission eine To-do-Liste für den Gesetzesvorschlag. Demnach sollen Unternehmen nicht nur die Einhaltung von Menschenrechten, sondern auch Risiken für die Umwelt und negative Folgen auf "verantwortungsvolle Führung" – etwa Korruption und Bestechlichkeit – kontrollieren.

Die geplante EU-Richtlinie soll dabei den unterschiedlichen nationalen Vorstößen eine Klammer geben und dürfte weitreichender werden als etwa der deutsche Vorstoß.

Zuletzt einigte sich die große Koalition in Berlin auf ein Lieferkettengesetz, das ab 2023 für deutsche Konzerne mit mehr als 3000 Mitarbeitern gelten soll. Die Details sind noch offen.

Das EU-Parlament will auch von kleinen und mittlere Unternehmen (KMUs) in problembehafteten Sektoren wie Textil oder Rohstoffabbau, dass sie ihre Vorprodukte genau prüfen. Die Abgeordneten plädieren außerdem dafür, dass Unternehmen mit Geldstrafen belegt werden, wenn sie Schaden verursachen oder dazu beitragen. Geschädigte sollten außerdem eine Möglichkeit erhalten, involvierte Konzerne zu klagen. Wirtschaftsvertreter fürchten, dass ein derartiges Gesetz zu viel Interpretationsspielraum lässt und von betroffenen Unternehmen unrealistische Kontrollen erwartet.

Experten warnen

Auch Ökonomen warnen vor ungewollten Konsequenzen: "Die ganze Lieferkette mit Blick auf Arbeitsbedingungen und Umweltauflagen zu kontrollieren ist für heimische Unternehmen nicht einfach. Manche dürften sich aus Märkten zurückziehen, um kein Risiko einzugehen", sagt die Handelsexpertin Birgit Meyer vom Wirtschaftsforschungsinstitut im Gespräch mit dem STANDARD. Das würde Entwicklungsländer in Asien oder Afrika treffen, für die Aufträge aus Europa sehr wichtig sind. "Wenn sich hiesige Produzenten zurückziehen, springen Hersteller aus Ländern wie China ein, die erst recht geringe Standards zuließen", sagt die Ökonomin.

In eine ähnliche Kerbe schlägt der künftige Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, derzeit Leiter des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, in einem Beitrag für den Spiegel: Statt die Unternehmen zu Kontrolleuren zu machen, sollte Brüssel schwarze Listen führen, lautet der Vorschlag. Darauf kämen ausländische Unternehmen, die gegen Menschenrechte verstoßen oder Umweltschutz missachten. Jeder Zulieferer auf dieser Liste wäre tabu für Geschäfte mit dem EU-Binnenmarkt. Bleibt immer noch die Frage, wie man schwarze Schafe ertappt.

Oslo setzt auf Aufdecker

Norwegen legte dieser Tage ein Gesetz zur Abstimmung vor, das auf Transparenz setzt. Statt nur von Unternehmen zu verlangen, ihre Zulieferer unter die Lupe zu nehmen und Berichte abzugeben, räumt die Regierung allen Bürgern das Recht ein, von Firmen Auskünfte zu erhalten, wie sie auf tatsächliche oder mögliche Schäden entlang der Lieferkette reagieren. Dadurch erhofft sich Oslo, dass die Zivilgesellschaft blinde Flecken aufdeckt und Konzerne sich nicht mit selektiven Angaben aus der Affäre ziehen können. (Leopold Stefan, 19.4.2021)