Transparent war die Gebarung der aus Pflichtbeiträgen hunderttausender Unternehmen in Österreich gespeisten Wirtschaftskammer noch nie.

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Wien – Der Wochenendtrip der Wiener Bestatter im Mai 2019 nach Athen, Schulgeld nicht nur für Sprösslinge von Wirtschaftsdelegierten im Ausland, sondern auch für Funktionärskinder in Österreich, sowie Verluste der Stein- und Keramischen Industrie durch die Pleite der Commerzialbank Mattersburg sind die auffälligsten Schmankerln im Bericht des Kontrollausschusses der Wirtschaftskammer (WKO) über die Gebarung 2019.

Der ungewöhnlich kritische Bericht enthält darüber hinaus einiges an Hinweisen, was den Reformbedarf der gesetzlichen Interessenvertretung der österreichischen Unternehmer betrifft. Vor allem die Beratungskosten sind im ersten Jahr des Kammerpräsidenten Harald Mahrer deutlich gestiegen. Hauptauftragnehmer war laut Bericht die nach Eigenangaben auf Kostenkontrolle im öffentlichen Sektor, in Dienstleistungs- und Gesundheitswesen spezialisierte Consulting AG.

Ein Rahmenvertrag

Sie sollte Umstrukturierungsmaßnahmen erarbeiten und begleiten. Engagiert wurde die Consulting AG bereits lange vor Mahrers Antritt an der Kammerspitze, im August 2016, und zwar im Wege eines Rahmenvertrags mit der WKO Inhouse GmbH. 2019 kam das Geschäft so richtig in Fahrt, das Volumen stieg von 840.000 Euro im Jahr 2018 auf 1,4 Millionen Euro.

Das Problem dabei: Einen Beschluss des Präsidiums, dem neben Funktionären des ÖVP-Wirtschaftsbunds mit Mahrer an der Spitze auch Vertreter des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands und der Freiheitlichen angehören, gab es für die insgesamt 2,24 Millionen Euro schwere Auftragsvergabe nicht. Es lag wohl ein Rahmenvertrag vor, aber eben kein Beschluss für die Beauftragung. Was noch schwerer wiegen dürfte: Für die Beratung, die bis ins Jahr 2020 hineinreichte, wurde "kein (Gesamt)konzept mit Plandaten erstellt". Künftig wäre die Erstellung einer Grundplanung für derart umfassende Beratungsvolumina jedenfalls zu empfehlen, rät der Kontrollausschuss in seinem Prüfbericht.

Die Consulting AG ist bei den Selbstständigen übrigens keine Unbekannte. Sie war 2017 gut im Geschäft mit der damaligen Sozialversicherungsanstalt (SVA) und dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV), wo sie Potenzial für Sachkostenoptimierung aufspürte, diesfalls bei Medikamentenkosten und als Subauftragnehmer von Accenture.

Auf Kostenstellen verteilt

Detail am Rande: Der Kammerführung dürfte beim Beratungsauftrag mit der Consulting AG selbst nicht ganz wohl gewesen sein. Im Dezember 2018 war der Großteil der Beratungen auf die Kostenstelle von WKO-Generalsekretär Karlheinz Kopf gebucht worden. In der Folge wurden Teile dieser Aufwendungen aber von der Kostenstelle 700200 "Büro GS Kopf" auf verschiedene SAP-Aufträge (Kostenträger) verteilt.

Kopf versprach, dass man den Prüfbericht überaus ernst nehme und "Punkt für Punkt mit den betroffenen Abteilungen durcharbeiten, besprechen und im Rahmen unseres großen Reformprojektes auch mitnehmen und da oder dort auch Veränderungen vornehmen" werde, wie er in der ZiB 1 sagte.

Externes Know-how

Neben der Consulting AG hat die WKO mehrere Berater an Bord, insbesondere im Bereich Bildungspolitik und Bildungsoffensive. Auch für die 2020/21 geplante Expo in Dubai, strategische Themen sowie für Rechtsauskünfte und -beratungen greift die Wirtschaftskammer, die ihren Mitgliedern von Berufs wegen jede Menge an Expertise anbietet, gern auf externes Know-how zu. Laut Kontrollamt hat allein das Büro des WKO-Generals – er ist maßgeblich für die operative Führung der Organisation verantwortlich – 2018 und 2019 Beratungsaufträge im Volumen von 453.000 Euro vergeben.

"Auflösung der Rücklagen"

Neos-Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn sprach "von einer Verhöhnung aller Unternehmer" angesichts der Finanzgebarung der Wirtschaftskammer: "Während zigtausende Betriebe in der Corona-Krise ums Überleben kämpfen und nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen, wirft die WKO mit beiden Händen das Geld beim Fenster hinaus." Wie die FPÖ verlangt er die Auflösung von Kammerrücklagen zugunsten der Mitgliedsunternehmen, was die Kammer mit Verweis auf entsprechende Verpflichtungen gemäß Kammergesetz stets zurückwies.

Die FPÖ sieht einen "Megaskandal". Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) sei "dringend angehalten, hier tätig zu werden", so Wirtschaftssprecher Erwin Angerer in einer Aussendung.

Die Kammer verwies auf bereits erfolgte Senkungen ihrer Kammerumlagen. Durch die Kammerreform WKO 4.0., die 2019 wirksam wurde, bezahlen die Mitglieder um zehn Prozent weniger an Umlagen als dies ohne Reform der Fall gewesen wäre. Dies war und ist ein weiterer wichtiger Schritt in den Reformbemühungen der Kammer, die im Sinne der Mitglieder die Beiträge pro Kammermitglied seit 2000 um durchschnittlich 24,7 Prozent gesenkt hat. (Luise Ungerboeck, 19.4.2021)