Eine Befragung der Universität Graz zeigt, dass sich nicht alle "Digital Natives" auch "digital" genug fühlen.

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Zu Beginn der Corona-Krise haben die steirischen Universitäten und Hochschulen in kurzer Zeit von Präsenz- auf Online-Lehre umgestellt – ein Kraftakt für Lehrende und Studierende. Eine Studie gibt Auskunft, welches digitale Wissen Studienanfängerinnen und -anfänger für die neuen Lernumgebungen überhaupt mitbringen. Elektronisch ausgerüstet sind sie gut, Männer schätzen ihre Kenntnisse jedoch besser ein als Frauen und nicht alle fühlen sich von der Schule gut vorbereitet.

Digitale Geräte bestimmen den Alltag

"Die wissenschaftliche Auseinandersetzung im Hochschulsektor hat sich bisher hauptsächlich auf die Erforschung didaktischer Konzepte und Methoden für das Lehren und Lernen mit Technologien konzentriert. Der Kompetenzstand der Lernenden wurde kaum abgefragt", schilderte Michaela Stock, Professorin für Wirtschaftspädagogik. Sie ist zugleich wissenschaftliche Leiterin der Studie unter den rund 4.700 Erstsemestrigen der steirischen Unis und Hochschulen, die im Herbst 2019 durchgeführt wurde. Rund 80 Prozent der Unieinsteiger haben daran teilgenommen. Ergänzend zu den mehr als 100 Fragen eines Selbsteinschätzungsbogens wurden im April und Mai 2020 ergänzende Tiefeninterviews mit höhersemestrigen Studierenden zur Situation während der Covid-19-Pandemie durchgeführt.

Demnach bestimmen digitale Geräte und das Internet den Alltag den Studienanfängern. Für mehr als die Hälfte ist ein Leben ohne Internet nicht vorstellbar, zwölf Prozent sind nach eigenen Angaben nie offline: So ist laut den Studienergebnissen für 96 Prozent der Teilnehmer das Internet die erste Anlaufstelle bei offenen Fragen und 84 Prozent nutzen Online-Kalender, E-Mails und Notizen-Apps. 16 Prozent der Befragten zeigten sich allerdings von der digitalen Transformation überfordert. Und im Hinblick auf die digitale Zukunft zeigte sich, dass sich mehr als 60 Prozent durch die Schule nicht gut auf eine digitalisierte Welt vorbereitet fühlt, fassten die Studienautoren zusammen.

Gender-Gap

Deutlich zeigte sich auch, dass Männer ihre Internetkenntnisse höher einschätzen als Frauen: Während 80 Prozent der männlichen Befragten ihre Kenntnisse als sehr gut und gut einschätzen, sind nur 67 Prozent der Frauen von ihren Kenntnissen überzeugt. Unter 24-Jährige schätzten sich überdies durchschnittlich besser ein als Personen ab 24 Jahren. Gezeigt hat sich auch, dass die Neulinge ihr Online-Verhalten kritisch reflektieren: Siebzig Prozent möchten öfter offline sein. Eine Kombination von Präsenz und Online- Lehrveranstaltungen finden 94 Prozent positiv. Höhersemestrige befürworten den Ausbau digitaler Angebote und wünschen sich laut der ergänzenden Interviewstudie mehr Zugang zu E-Books, Journals und Programmlizenzen und wünschen sich Videoaufzeichnungen von Lehrveranstaltungen.

Online-Recherche von Informationen, das Verfassen schriftlicher Arbeiten mittels digitaler Medien oder das Arbeiten mit Lernplattformen, stellen laut Studie für die überwiegende Mehrheit der Studienneulinge kaum ein Problem dar. Spezifischere Anforderungen wie der gemeinsamen Bearbeitung von Online-Dokumenten, Berechnungen mit Tabellenkalkulationsprogrammen und die Beachtung der Copyright- und Datenschutzrichtlinien sind für 20 bis 40 Prozent der Befragten nicht einfach zu lösen. "Wer der Gruppe der Digital Natives zugeordnet wird, muss nicht gleich auch digital kompetent sein", folgerte Stock. Zusammengefasst wurde die Fülle von Ergebnissen auf rund 140 Seiten.

Ausbau der Online-Lehre

"Wir wissen nun, welche Kompetenzen die StudienanfängerInnen mitbringen und welche sie brauchen", hielt Martin Polaschek, Rektor der Universität Graz und aktuell Vorsitzender der Steirischen Hochschulkonferenz fest. Im vergangenen Jahr habe die Uni bewiesen, "dass sowohl Lehre als auch Forschung in Zeiten räumlicher Distanz gut funktionieren kann", doch die Erwartungshaltung sei groß und es sei auch ein Bedarf vorhanden. "Gerade was die Studienanfänger anbelangt, werden wir uns etwas überlegen, damit sie sich zusätzliches Know-How aneignen", sagte der Rektor. Denkbar sei etwa auch, Module zu digitalem Wissen im Studium zu verankern. Weiters werde man für Lehrende weitere hochschuldidaktische Angebote verstärken.

Unterstützt wurde das Projekt vom Wissenschafts- und Forschungsressort des Landes Steiermark. "Digitale Kompetenzen werden immer stärker zu zentralen Schlüsselqualifikationen für einen erfolgreichen Bildungs- und Berufsweg", betonte Landesrätin Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP). Der durch Corona forcierte Ausbau der Online-Lehre spiele dabei ebenso eine Rolle wie der stark steigende Bedarf in vielen Berufen. (APA,19.04.2021)