Die biografischen Eckdaten von Wilhelm von Haidinger sind schnell genannt: geboren am 5. Februar 1795 in Wien, verstorben am 19. März 1871 in Wien-Dornbach, wo er auch begraben wurde. Dazwischen lagen erfüllte und produktive Jahre eines Menschen, der sich den Spruch Friedrich Schillers, "Nie ermüdet stille stehen", als Lebensmotto gewählt hatte. Vielleicht ist manchen auch die nach ihm benannte Haidingergasse in Wien-Landstraße bekannt.

Doch da in Wien die Bedeutung von Personen an deren Grab gemessen wird, zunächst ein Blick nach Wien-Simmering auf den Wiener Zentralfriedhof. Dort hat Haidinger ein Ehrengrab an der Friedhofsmauer (Gruppe 0). Allerdings liegt er hier erst seit 1892, jenem Jahr, als er hierher überführt wurde. Schon alleine ein Ehrengrab weist ihn als bedeutende Person aus. Nun zu den Inschriften: "k.k. Hofrath", ein nicht unwesentlicher Amtstitel, selbst im Wien des 21. Jahrhunderts. Sein Beruf: "Director der k.k. geologischen Reichsanstalt". Weiters seine Affiliationen, wobei nur die wichtigste, "Mitglied der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften zu Wien", genannt wird, weisen ihn als großen Gelehrten aus. Doch der letzte Satz, "Begründer des naturwissenschaftlichen Lebens in seinem Vaterlande", verlangt nach weiteren Ausführungen und zeigt die wahren Verdienste Haidingers.

Haidingers Grab: Stationen eines erfüllten Lebens.
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Die Stationen einer wissenschaftlichen Karriere im Vormärz

Die Erdwissenschaften waren Haidinger in die Wiege gelegt. Sein Vater, Carl Haidinger, war Bergrat in der k. k. Hofkammer für Münz- und Bergwesen in Wien. Haidinger junior studierte zunächst beim Mineralogen Friedrich Mohs am Joanneum in Graz (1812–1817), ging dann nach Freiberg in Sachsen, ehe er durch Europa reiste. Später war er Leiter der Porzellanfabrik seiner Brüder in Elbogen an der Eger, bis er 1840 in die Fußstapfen von Friedrich Mohs stieg, der 1839 verstorben war. Haidinger wurde nun Leiter des Montanistischen Museums mit Adresse am Heumarkt 1 (heute: Münze Österreich) in der Nähe des Stadtparks. Auf der Agenda stand die Ausbildung von Bergleuten. Es gab Vorlesungen zu verschiedenen Themen (Mineralogie, Paläontologie, Chemie). Er selbst hatte seine Forschungsschwerpunkte in der Mineralogie und bei Meteoriten. Aber als vielseitiger Naturwissenschafter beschäftigte er sich auch mit anderen Themen, wie den Sprühregenbogen oder der Eisdecke der Donau.

1845 gab er die "Geognostische Uibersichtskarte [sic!] der Oesterreichischen Monarchie" in neun Blättern (Maßstab 1:864.000) heraus. Obwohl die Karte nur auf Grundlage der damals in den Archiven und Bibliotheken verfügbaren Unterlagen gezeichnet wurde, war sie innovativ. Bis zur Edition der nächsten Karte der Monarchie, die auf neueren Untersuchungen im Feld basierte, sollte es noch mehr als 20 Jahre dauern.

1846/1847: "Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften"

Am 31. Oktober 1846 suchte er beim "hohen Ministerium des Innern" formal um die Errichtung einer "Gesellschaft der Freunde der Naturwissenschaften" an, die Genehmigung kam dann im Juli 1847. Hauptverdienst der Gesellschaft war, neben regelmäßigen Versammlungen zum Meinungsaustausch, die Herausgabe von "Haidingers Berichten", einer Schriftenreihe (7 Bände von 1847-1851). Der Langtitel "Berichte über Mittheilungen von Freunden der Naturwissenschaften in Wien" zeigt die inhaltliche Bandbreite. Man publizierte über "Missbildung des Maises" und "Photographie, Daguerreotypie, Galvanoplastik" ebenso wie über "Versteinerungen von Dienten in Salzburg". Weitere Verdienste der Freunde der Naturwissenschaften waren Veröffentlichungen in der "Wiener Zeitung", in der zeitnah über die Ergebnisse der Zusammenkünfte der Naturwissenschafter referiert wurde. Auch ein großformatiges Publikationsorgan, die "Abhandlungen", hatte Haidinger ins Leben gerufen, der sich damit einmal mehr als Kommunikator erwies. Kein Wunder, dass er 1869 zufrieden zurückblickte: "Es war dies ein unabhängiges wissenschaftliches Leben im geselligen Verein, wir hatten Alles erreicht, periodische Versammlungen für Vorträge neuer und werthvoller wissenschaftlicher Mittheilungen, Sitzungsberichte, aus den einzelnen in der Wiener Zeitung zusammenzustellen, endlich die "Naturwissenschaftlichen Abhandlungen" als Denkschriften."

"Haidingers Berichte" – sperriger Titel, mit vielfältigen Inhalten.
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1847: Akademiemitglied der ersten Stunde

Als 1847 die kaiserliche Akademie der Wissenschaften gegründet wurde, war Haidinger unter den 40 wirklichen Mitgliedern der ersten Stunde. Neben ihm sind hier auch zahlreiche Namen aus der Reihe der Freunde der Naturwissenschaften in Wien zu finden. Was die Publikationsstrategie betrifft, waren die Freunde der Naturwissenschaften Vorreiter. Veröffentlichungen in der "Wiener Zeitung", die Sitzungsberichte, wie auch die großformatigen Denkschriften der Akademie haben ihr Vorbild bei den Publikationsorganen der Freunde der Naturwissenschaften.

Ein großes Anliegen Haidingers waren Reisen und Expeditionen. Am 13. Juni 1850 stellte er bei der Sitzung der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Klasse der Akademie der Wissenschaften einen Antrag, "naturwissenschaftliche Expeditionen in entfernte, fremde, in vieler Beziehung unbekannte Länder" zu entsenden. Der Antrag wurde prompt angenommen und "die Herren Haidinger, Partsch, Hyrtl, Kollar, Fenzl, Fitzinger, Heckel, Boué und Diesing zu Mitgliedern der Commission bestimmt".

Wilhelm von Haidinger im Jahr 1844 auf einer Lithografie von Josef Kriehuber.
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1849: k. k. Geologische Reichsanstalt

Der 19. November 1849 ist das Gründungsdatum der k. k. Geologischen Reichsanstalt. Haidinger hatte die Gründung des staatlichen Geologischen Dienstes beim Kaiser lanciert und war dann bis Ende 1866 auch deren erster Direktor. Diese Jahre waren die wohl bedeutendsten in seinem Leben, nachzulesen auf seinem Grabstein. In dieser Zeit organisierte er die geologische Kartierung der Monarchie und baute ein Netzwerk von Mitarbeitern auf. Er machte die k. k. Geologische Reichsanstalt im Palais Rasumofsky zur ersten Adresse für alle geologischen Fragen der Monarchie der damaligen Zeit. Am Schnittpunkt zwischen akademischer Forschung und angewandten Fragestellungen steht einer seiner wichtigsten Leitsätze, den er unmittelbar nach deren Gründung im "Programm", Mission-Statement würde man heute sagen, am 12. Jänner 1850 schrieb: "Die geologische Reichsanstalt selbst verfolgt vorzugsweise einen praktischen Zweck: durch Anwendung der Wissenschaft die Praxis erleichtern, mit der Kraft der Praxis die Wissenschaft fördern." Klarer könnten die Aufgaben nicht umrissen sein: Die Wissenschaft dient der Gesellschaft und folgt deren Bedürfnissen, von Selbstzweck keine Spur! Gleichzeitig zeigt sich die Wissenschaft offen für jeden Input von außen, um sich weiterzuentwickeln.

1855: k. k. Geographische Gesellschaft

Doch damit nicht genug. Am 1. Dezember 1855 lud Haidinger "zahlreiche Freunde geographischer Forschungen", darunter auch Mitglieder der Akademie der Wissenschaften, in das Palais Rasumofsky in Wien-Landstraße, der noblen Adresse der k. k. Geologischen Reichsanstalt. Der Anlass war die Gründung der Geographischen Gesellschaft. Dazu Haidinger: "Ich bin glücklich, die Geschichte der geographischen Gesellschaft in Wien heute zu beginnen." Zu deren Hauptaufgaben zählte er die Erkenntnisse und Ergebnisse von Forschungsreisen in der Gesellschaft mit Sitz "in der Hauptstadt des grossen Kaiserreiches" zu fokussieren. Schließlich resümiert er: "Die geographische Gesellschaft ist des Reisenden Heimat."

Das Palais Rasumofsky, Sitz der k.k. Geologischen Reichsanstalt, der Wirkungsstätte Haidingers.
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Festgeschrieben findet sich dies in den Statuten, die sehr allgemein gehalten sind: "Der Zweck der Gesellschaft ist, die Interessen der geographischen Wissenschaft in ihren verschiedenen Richtungen zu fördern." Dass Haidinger erster Präsident der k. k. Geographischen Gesellschaft wurde, lag auf der Hand.

Haidinger als Privatmann

Was machte der nimmermüde und rastlose Haidinger an seinem Lebensabend? In seiner Pension schrieb er Erinnerungen; keine eitlen Memoiren im eigentlichen Sinn, sondern eine Chronologie der Naturwissenschaften in Wien zur Mitte des 19. Jahrhunderts: "Das Kaiserlich-Königliche Montanistische Museum und die Freunde der Naturwissenschaften in Wien in den Jahren 1840 bis 1850: Erinnerungen an die Vorarbeiten zur Gründung der Kaiserlich-Königlichen Geologischen Reichs-Anstalt".

Eine persönliche Facette seines Lebens liefert ein Zufallsfund im Archiv der Geologischen Bundesanstalt. Ein Jahr vor seinem Tod verfasste er am 22. Mai 1870 "Erinnerungen an den Schwimm-Unterricht". Dafür engagiert er den Maler Ferdinand Maass, der Skizzen der entsprechenden Schwimmbewegungen anschaulich darstellte. Dazu Haidinger: "… ich widerstehe nicht der Versuchung, einige Worte über Methoden des Schwimm-Unterrichtes hier vorzulegen, wie sie sich mir während meines nun schon ziemlich langen Lebens dargeboten haben."

Wenn Moritz Alois Becker in seinem Nachruf auf Haidinger dessen Sprache als "gern ins Nebensächliche abschweifend" beschreibt, so sei ihm das verziehen. (Thomas Hofmann, 22.4.2021)