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Vor allem wegen der geringen Impfstoffmengen im Land kommt es immer wieder zu Demonstrationen gegen die Regierung in Bosnien (hier in Sarajevo Anfang April).

Foto: AP Photo/Kemal Softic

Nirgendwo in Europa ist die Todesrate aufgrund von Covid-19-Erkrankungen derart hoch wie in Bosnien-Herzegowina. Sie liegt derzeit bei 3,95 Prozent – das heißt, dass knapp vier Prozent der infizierten Bosnierinnen und Bosnier sterben. In Europa liegt die Rate bei 2,27 Prozent. In Bosnien-Herzegowina sieht man allerdings derzeit keine Hoffnung, dass die tödliche Lungenerkrankung eingedämmt werden kann, weil die Impfungen praktisch noch immer nicht begonnen haben.

Ein paar Tausend Vakzine sind aus einigen Ländern und durch den Covax-Mechanismus der Vereinten Nationen geliefert worden – allerdings viel zu wenig. Bisher sind 0,5 Prozent der Bevölkerung geimpft. Viele Menschen sind verzweifelt und wütend. Seit Wochen gibt es deshalb bereits in Sarajevo Demonstrationen. Die Menschen fühlen sich von den Regierenden, aber auch von der EU im Stich gelassen.

Österreich koordiniert Lieferungen

In anderen südosteuropäischen Staaten sieht es ähnlich aus, etwa im Kosovo oder in Nordmazedonien. Der einzige Staat in der Region, der über ausreichend Vakzine verfügt, ist Serbien.

Das österreichische Außenministerium hilft nun dabei, die Situation zu verbessern. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) kündigte am Montag an, dass ab Mai und bis August 651.000 Impfdosen von Biontech/Pfizer in die sechs Westbalkanstaaten geschickt werden. Die EU stellt die Impfdosen und deren Finanzierung zur Verfügung – es handelt sich um Vakzine, die von einigen EU-Staaten nicht abgerufen wurden. Österreich hat die Aufgabe des Koordinators und die Zwischenfinanzierung übernommen. Seit Wochen bereits wird im Außenministerium hart daran gearbeitet, die notwendigen Haftungsvoraussetzungen und die Koordination mit dem Pharmakonzern abzusichern.

145.000 Impfdosen nach Albanien

Zunächst sollen in den sechs Westbalkanstaaten Kräfte aus dem Gesundheitssektor und Pflegepersonal von den Impfungen profitieren. "Wir lassen die Region nicht im Stich", so Schallenberg. "Im Kampf gegen die Pandemie können wir uns keine weißen Flecken auf der Impflandkarte leisten." Die Impfstoffe werden nach Bedürftigkeit und nicht nach Bevölkerungsschlüssel geliefert. So wird Bosnien-Herzegowina mit einer Lieferung von 214.000 Impfdosen jenes Land, das am meisten Hilfe braucht, auch am meisten profitieren.

Nach Albanien werden in den nächsten vier Monaten 145.000 Impfdosen gebracht, nach Nordmazedonien 119.000, in den Kosovo 95.000, nach Montenegro 42.000 und nach Serbien 36.000.

"Ehrenvolle Aufgabe"

Schallenberg betonte, dass es sich um eine ehrenvolle Aufgabe handle, die Österreich übernommen habe. Wien stellt zunächst elf Millionen Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds zur Verfügung, mit dem die Vakzine gekauft werden. Die sechs Westbalkanstaaten wiederum bezahlen ihre Anteile – ihnen wird der Betrag daraufhin aus den EU-Vorbeitrittshilfen ersetzt.

Schallenberg fügte hinzu, dass es im großen Eigeninteresse der EU sei, die Nachbarschaft "mitzunehmen". "Denn wir sind erst sicher, wenn alle sicher sind", so der Außenminister. Tatsächlich gibt es gerade zwischen Österreich und den Staaten in Südosteuropa sehr starke Verbindungen, weil viele Zehnttausend Menschen mit Wurzeln auf dem Balkan in Österreich leben. Eine möglichst rasche Impfkampagne in den Nicht-EU-Staaten auf dem Balkan nutzt demnach auch der EU, weil es einen regen Reiseverkehr in und aus der Region gibt und Ansteckungen vermieden werden können.

"Enge menschliche, ja viele verwandtschaftliche Beziehungen und der enge Austausch mit dieser Region unterstreichen die Notwendigkeit gemeinsamer Impfaktivitäten", sagte auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zu den Impfstofflieferungen auf den Balkan. "Überdies sind solche Initiativen unabdingbar für neues Vertrauen in die Beitrittsgespräche, damit diese auch wieder an Fahrt aufnehmen können."

"Europäisches Narrativ"

Schallenberg sagte auch, dass es um "ein europäisches Narrativ am Westbalkan" gehe. Schließlich haben insbesondere China und Russland in der Pandemie durch ihre Lieferungen von Hilfsmitteln und Impfstoffen und durch eine Propaganda, die teils auch von den Regierungen auf dem Balkan unterstützt wird, punkten können. Schallenberg betonte auch, dass durch die Versorgung der Westbalkanstaaten mit Impfstoffen "niemand in der EU später geimpft wird". Die Dosen sind explizit für die Weitergabe an Drittstaaten bestimmt.

Weil die Region Südosteuropa beim Impfen bereits massiv hinterherhinkt – zwei Monate mindestens im Vergleich zur EU –, darf man davon ausgehen, dass es sich bei den nun beginnenden Lieferungen nicht um die letzten handeln wird. Schallenberg dazu: "Das ist eine erste Modelloperation." (Adelheid Wölfl, 20.4.2021)