Nicht nur im Tierreich, auch bei der Flora besitzt der Stammbaum einige Seitenäste, die im Laufe der Evolution irgend wann einmal aufgegeben wurden. Lange galten auch sogenannte Noeggerathiales als eine solche evolutionäre Sackgasse und ihre Position im Pflanzenreich war unklar. Ein internationales Forscherteam, darunter die Spezialistin für fossile Pflanzen, Leyla Seyfullah, vom Institut für Paläontologie der Universität Wien, konnte nun anhand von Fossilien aus einem vor 300 Millionen Jahren unter meterhoher Asche begrabenen Wald das über 100 Jahre alte Paläontologie-Rätsel um diese Pflanzen lösen.

Paratingia wuhaia: Etwa so stellen sich die Forscher die urzeitliche Pflanze vor.
Illustr.: Yugao Ren / Sijia Tang

Torfbildende Pflanzen

Noeggerathiales waren wichtige torfbildende Pflanzen, die vor etwa 300 Millionen Jahren lebten. Obwohl sie erst in den 1930er Jahren als eigenständige Pflanzengruppe anerkannt wurden, war sich die Wissenschaft lange Zeit uneins über ihre Verwandtschaft mit anderen Pflanzengruppen.

Wie das von chinesischen und US-Forschern geleitete Wissenschafterteam im Fachjournal "PNAS" berichtete, wurden komplette Noeggerathiales-Pflanzen untersucht, die unter einer dicken Schicht Vulkanasche konserviert wurden. Sie stammen aus einem 2012 im chinesischen Kohlerevier Wuda in der Inneren Mongolei entdeckten fossilen Wald. Die Pflanzen wurden dort nach heftigen Vulkanaktivitäten unter einer meterhohen Ascheschicht begraben, die heute noch mehr als 60 Zentimeter stark ist. Ähnlich wie das antike Leben in Pompeji wurden dadurch die Pflanzen für die Nachwelt erhalten.

Eigenschaften aus unterschiedlichen Welten

Aus den untersuchten Pflanzenfossilien rekonstruierten die Wissenschafter eine neue Noeggerathiales-Art und gaben ihr den Namen Paratingia wuhaia. Und sie konnten damit die Verwandtschaft und evolutionäre Bedeutung der Pflanzenordnung bestimmen. Demnach vermehrten sich Noeggerathiales so wie Farne mittels Sporen, hatten aber ein Gefäßgewebe wie Samenpflanzen.

Die detaillierte Untersuchung der Pflanzenfossilien lieferte Hinweise auf die Verwandtschaftsverhältnisse von Paratingia wuhaia.
Fotos: Pnas/Wang et al.

"Wenn wir nur das Holz gefunden hätten, hätten wir aufgrund des Gefäßgewebes gedacht, dass es von einer Gymnosperme (nacktsamigen Pflanze, Anm.) stammt", erklärte Seyfullah. Weil den Forschern aber eine ganze Pflanze zur Verfügung stand, "fanden wir heraus, dass das gymnospermen-artige Holz zu einer Sporenpflanze und nicht zu einer Samenpflanze gehört".

Doch keine Sackgasse

Damit konnten die Forscher erstmals zeigen, dass Noeggerathiales enger mit den Samenpflanzen verwandt sind als mit anderen Farnen und nicht länger als evolutionäre Sackgasse betrachtet werden können. Noeggerathiales gelten als in der Evolution weit fortgeschrittene Sporenpflanzen, die aus modifizierten Blättern komplexe zapfenartige Strukturen entwickelt haben.

"Der zapfenbildende Teil und die Form des Gefäßgewebes in den Blättern zeigen, dass 'Paratingia' weitaus komplexer waren als andere uns bekannte Progymnospermen", so Seyfullah. Als Progymnosperme bezeichnen die Forscher eine ausgestorbene Gruppe von Gefäßpflanzen, die in ihren Merkmalen zwischen den Farnen und den Samenpflanzen stehen. "Wir hatten gedacht, dass die Progymnospermen zu diesem Zeitpunkt bereits ausgestorben waren", sagte die Wissenschafterin, doch wie Paratingia wuhaia zeigt, haben sie noch länger gelebt und sich weiter entwickelt. (red, APA, 19.4.2021)