Was die Verfügbarkeit von ICS-Präparaten betrifft, gebe es laut dem BASG derzeit keine Versorgungsengpässe. Für die betreffenden Arzneimittel wurde aber ein Exportverbot erlassen.

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Die Meldung kam einem Heilsversprechen gleich: Laut Studienergebnissen, die vor knapp eineinhalb Wochen im Fachmagazin "The Lancet" veröffentlicht wurden, könne ein Asthmaspray das Risiko eines schweren Covid-19-Verlaufs erheblich reduzieren. Der Vorstand der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin in der Wiener Klinik Favoriten bewertete die Studienergebnisse im STANDARD als "äußerst positiv": Für die Behandlung von Covid-19-Patienten könnten sie "ein Durchbruch" sein.

Das untersuchte Präparat basiert auf dem Wirkstoff Budesonid, ein synthetisches Kortison, das zur Gruppe der Glukokortikoide zählt. Inhalative Glukokortikoide (ICS) werden vor allem zur Behandlung von Asthma und chronischen Lungenerkrankungen eingesetzt, zur Therapie von Covid-19 sind sie bisher nicht zugelassen.

Erhöhte Nachfrage bei ICS-Präparaten

Ärzte und Ärztinnen haben die ICS-Präparate bereits in einzelnen Fällen im Off-Label Use eingesetzt, wie Christoph Wenisch und der Leiter des hausärztlichen Notdiensts in Oberösterreich, Gerald Gollmann, gegenüber dem STANDARD bestätigten. Das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) gab nun auf Anfrage bekannt, dass Zulassungsinhaber von ICS-Präparaten derzeit eine erhöhte Nachfrage verzeichnen. Das könnte die Versorgung von Asthmapatienten gefährden.

"Es melden sich erste Patienten, die ihren Asthmaspray nicht in der Apotheke erhalten können", sagt Marco Idzko, Leiter der Klinischen Abteilung Pulmologie im AKH Wien und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP). "Die Apotheker erzählen, dass die Großhändler aufgrund der erhöhten Nachfrage derzeit nicht liefern können."

In Österreich gibt es rund 500.000 Asthmapatienten. Für ihre Behandlung wurden 2019 im niedergelassenen Bereich laut den Verschreibungsdaten der Sozialversicherungsträger rund 1,6 Millionen Packungen an ICS-Präparaten verschrieben. "Sollten die Präparate nun breitflächig für die Behandlung von Covid-19 eingesetzt werden, kann es zu einem Versorgungsengpass für Asthmapatienten kommen", sagt Idzko.

Hinweise auf einen konkreten Versorgungsengpass liegen laut dem BASG derzeit nicht vor. Vorsorglich wurden die betreffenden Arzneimittel aber ins Vertriebseinschränkungen-Register aufgenommen und ein Exportverbot ausgesprochen.

ÖGP gegen breiten Off-Label Use

Nach der Veröffentlichung der Oxford-Studie hatte die Österreichische Ärztekammer das Gesundheitsministerium aufgefordert, den Einsatz von Budesonid im Fall von Covid-19 zu unterstützen. Die ÖGP steht dieser Forderung kritisch gegenüber. "Für eine Zulassung braucht es noch mehr Daten", sagt Idzko. Die Studie sei mit insgesamt 146 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sehr klein gewesen, eine Placebogruppe fehlte.

In der Studie sei Budesonid zudem in sehr hohen Dosen verabreicht worden, so Idzko. In diesem Fall könne es bei dem eigentlich nebenwirkungsarmen Wirkstoff sehr wohl zu Nebenwirkungen – wie etwas Schäden an der Nebennierenrinde und Diabtes – kommen.

Die ÖGP rät zum aktuellen Zeitpunkt deshalb von einem breiten Off-Label Use von ICS-Präparaten oder gar einer Selbstmedikation im Fall von Covid-19 ab. Aus dem Gesundheitsministerium heißt es auf STANDARD-Anfrage, man bevorzuge eine EU-weite Bewertung von Budesonid durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA). Ein ähnlicher Prozess wurde im September des Vorjahres für Dexamethason durchgeführt. (Eja Kapeller, 19.4.2021)