Laschet oder Söder, wer wird Kanzlerkandidat der Union?

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Egal, wie sich die Spitzen der Union letztlich entscheiden, den bis vor kurzem noch unvorstellbaren Machtkampf um die Kanzlerkandidatur kann keiner der beiden wirklich gewinnen, weder der Herausforderer Markus Söder von der CSU noch der von den CDU-Führungsgremien unterstützte Parteivorsitzende Armin Laschet.

Wenn man die Beschreibungen der Rivalen, die Stellungnahmen führender Unionspolitiker und die Ergebnisse der letzten Umfragen Revue passieren lässt, gewinnt man den Eindruck von einer nach 16 Jahren der Macht ausgebrannten und zugleich zerrissenen Partei.

Ramoniertes Ansehen

Dass sich alle maßgeblichen CDU-Politiker öffentlich für Laschet ausgesprochen hatten, ändert nichts an den für ihn niederschmetternden Ergebnissen der diversen Umfragen, selbst in dem von ihm regierten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Am 13. und 14. April hielten fast drei Viertel der Unionsanhänger in Deutschland Söder für den geeigneteren Kanzlerkandidaten, Laschet nur 17 Prozent.

Das Ansehen des Ministerpräsidenten des bevölkerungsreichsten Bundeslandes ist derart ramponiert, dass er in den Umfragen sogar gegen den Sozialdemokraten Olaf Scholz, die neue grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und ihren Co-Vorsitzenden in der grünen Partei, Robert Habeck, verliert, wogegen Söder alle drei überlegen besiegen würde.

Ein Vertrauensbruch

Allerdings hat Söder gerade in der letzten Woche seinen Ruf bestätigt, dass er ein skrupelloser und hinterfotziger Machtmensch sei. In 24 Stunden hat er sein Versprechen – ein Votum der CDU-Gremien für Laschet zu akzeptieren – mit Hinweis auf die "Stimmung an der Basis der Partei und in der Gesamtbevölkerung" nicht eingelöst.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, Vorgängerin Laschets als CDU-Parteichefin, warf Söder Respektlosigkeit vor, die der Union und der Bundesrepublik schade. Noch schärfer formulierte es die angesehene frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Sie fand es "überraschend und bestürzend", dass "Herrn Söders Aussagen vom Sonntag tags darauf nichts mehr galten. (…) Für mich ist das ein Vertrauensbruch."

Noch Monate bis zur Wahl

Es geht nicht nur um die bekannten Rollenwechsel des begnadeten Populisten aus Bayern, sondern auch um die mittel- oder langfristige Aussagekraft von Umfragen. Es sind fünf Monate bis zur Bundestagswahl in Deutschland. Im Februar 2017 bevorzugten zum Beispiel 50 Prozent der Deutschen den SPD-Kandidaten Martin Schulz als Kanzler und nur 34 Prozent Angela Merkel. Im August wollten bereits 60 Prozent Merkel, nur 30 Prozent Schulz. Darüber hinaus hat Laschet zu Recht vor der Unionsfraktion betont, dass die Nachrüstung oder die Einführung des Euro gegen die Stimmungslage einer Mehrheit durchgesetzt worden sei.

Es ist fraglich, ob die Union bis zur Bundestagswahl den Scherbenhaufen vergessen machen kann. Viele Beobachter haben starke Zweifel, dass Laschet die Stimmung wird drehen können. Die deutschen Grünen sind nicht mehr eine linke Protestpartei. Eine grün-schwarze Koalition mit der CDU/CSU als Juniorpartner wäre als Auftakt zu der Post-Merkel-Ära ebenso möglich wie eine Koalition der Grünen mit der SPD und FDP. (Paul Lendvai, 19.4.2021)