Parndorf – Der Weg aus dem Lockdown in die Welt des freien Einkaufs endet in einem harten Bremsmanöver. Polizisten stoppen Autos, flankiert von Fernsehteams und Fotografen zücken deren Insassen irritiert Führerscheine. Doch diese interessieren nur bedingt. Den Grund des Aufenthalts wollen Beamte mit Blick auf das Kennzeichen erfahren. Kameras surren, Journalisten greifen zu Notizblöcken. Hinter dem Kreisverkehr ins Outlet-Center Parndorf stauen sich die ersten Autos.

Die Polizei kontrollierte streng im Factory-Outlet Parndorf. Der Kundenandrang hielt sich nach der Öffnung stark in Grenzen.
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So mancher Fahrer erstarrt angesichts des behördlichen wie medialen Auflaufs und vergisst beinahe, dass er die Lizenz zum Shoppen hat. Die meisten Burgenländer winken die Beamten durch. Auch Ungarn und Slowaken, die vorweisen können, in der Einkaufsstadt zu arbeiten, erhalten grünes Licht. Ein Traktorfahrer bleibt unbehelligt. Ein Wiener jedoch tritt den Rückzug an. Er hätte halt gern eingekauft, gab er zuvor freimütig zu Protokoll. Zur Sackgasse wird Parndorf für Osteuropäer auf Durchreise. Sie drehen kopfschüttelnd die Schleife zurück Richtung Ausfahrt zur Autobahn.

Videoreportage aus dem Parndorfer Outlet im Burgenland, wo Shoppen seit heute wieder erlaubt ist
DER STANDARD

Unter Beobachtung

"Laufen S' uns doch bitte ned vor die Autos", mahnen Beamte Fotografen, die Amtshandlungen auf der Straße kniend übereifrig ins beste Licht rücken. Bauarbeiter legen zur Beobachtung der Szenerie staunend eine Pause ein. Ein Security-Mitarbeiter patrouilliert derweil hektisch telefonierend an der Grenze des Parkplatzes, nachdem er die stetig wachsende Zahl an Filmteams aus dem Areal der Einkaufsstadt fünf Meter weiter ins Gelände der Gemeinde verwiesen hat.

Was droht Einkaufssündern, die, der Geschäftsschließung in den eigenen Bundesländern und Staaten überdrüssig, in Parndorf auf frischer Tat ertappt werden? Im Ernstfall Geldstrafen von bis zu 1450 Euro. Ein Polizeibeamte wägt ab: Es komme eben auf die Glaubwürdigkeit ihrer Rechtfertigung an. Hier spazieren zu gehen sei ja nicht verboten. Theoretisch könne man auch ein paar Blocks weiter zum Supermarkt wollen. Erfahrungsgemäß halte sich illegaler Konsum aber in Grenzen. Einsicht in Einkaufssackerln und Kofferräume zu nehmen sei derzeit jedenfalls nicht geplant.

Parndorf empfängt seine Besucher auch nach der Kontrolle der Exekutive frostig. Eisiger Wind fegt durch die Straßen des Outlet-Centers, das gestern, Montag, nach Wochen des Stillstands seine Tore für Besucher wieder öffnete. Kunden aus dem Ausland ist der Zutritt gesetzlich ebenso verwehrt wie Wienern und Niederösterreichern.

Einsame Jäger

"Warten S' noch ein paar Tage, bis sich die erste Aufregung gelegt hat, dann sind die Wiener auch wieder hier", meint ein Ehepaar auf dem Weg vom Parkplatz in das Herz der Einkaufsstadt verschmitzt. Sie selbst geben sich als waschechte Burgenländer zu erkennen, die auf der Stelle kehrt gemacht hätten, wenn das Getümmel zu groß gewesen wäre. Aber für sie wenig überraschend liegt das gesamte Areal mitsamt seiner rund 160 Geschäfte im Dornröschenschlaf.

Einsamen Jägern gleich streifen ein paar wenige Kunden durch die aus dem Boden gestampfte pastellfarbene Stadt. Keine Menschenseele hält auf ihren weitläufigen Plätzen inne. Händler können von Glück reden, verirren sich im Laufe des Vormittags ein, zwei Kunden zu ihnen. Für Bewegung sorgen allein Journalisten, die sich in den fürs Burgenland in der Corona-Krise richtungsweisenden Stunden um die raren Besucher bemühen. Gefilmt wird in erster Linie jedoch deren triste Absenz.

"Wie Affen im Zoo"

Sie fühlen sich wie die Affen im Zoo, meinen die beiden Burgenländer und nehmen es mit Humor. Am ersten Tag des Neustarts hier zu sein sei für sie "Zeitvertreib und reiner Luxus". Es hätte die zwei auch nicht gestört, ließe sich Hans Peter Doskozil mit den Lockerungen wie das restliche Ostösterreich noch ein paar Wochen Zeit. So aber riskiere der SPÖ-Landeshauptmann weitere Lockdowns im Mai. Da sie nun aber schon einmal hier sind, nehmen sie, "die wie fast alle anderen Österreicher auch schon alles haben", neue Schuhe in Augenschein. "Damit werden wir dann zumindest im Wohnzimmer auf und ab spazieren."

Von den Burgenländern allein kann Parndorf mit seinen mehr als 150 Geschäften nicht leben.
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Die Verkäuferin einer noblen Textilmarke freut sich über Ansprache. Seit den Morgenstunden drehe sie Däumchen, erzählt sie. Alles sei geputzt, dreimal geschlichtet und zusammengelegt. Lieferungen gebe es keine. Sie könne jetzt nur noch warten, bis der Tag vorübergehe. "Daran wird sich auch in den kommenden Wochen nichts ändern. Und wir werden hier wohl weniger verdienen, als Strom und Energie fürs Offenhalten kosten."

Ruhe vor dem Sturm?

Ob das die Ruhe vor dem Sturm sei?, hofft die Mitarbeiterin einer Boutique für exklusive Haushaltsware und blickt unsicher vor die Tore ihres Shops. Sie wolle endlich wieder arbeiten, viele ihrer Kollegen rundum fürchteten um ihre Arbeitsplätze. Doch ohne Wiener, Niederösterreicher und Einkaufstouristen aus dem umliegenden Ausland stehe man auf verlorenem Posten. "Von den Burgenländern allein kann Parndorf nicht leben."

Durch dick und dünn seien viele Handelspartner mit ihm schon gegangen, sagt Outlet-Center-Manager Mario Schwann und bemüht sich redlich, allein auf der weiten Flur der Kulissenstadt Optimismus zu versprühen. Er zeigt sich froh, wieder aufsperren zu dürfen, erinnert an ausgeklügelte Sicherheits- und Hygienekonzepte und ist guter Dinge, dass bald Leben nach Parndorf zurückkehrt.

"Blühender Schwarzmarkt"

"Irgendwer hier muss ja mit dem Lockern beginnen. Quer durchs Land blüht schon der Schwarzmarkt", ist sich ein älterer Kunde sicher. Desinfektionsmittel auf den Toiletten habe er im Factory Outlet keine vorgefunden, dafür eben beim Einkauf einige Prozent Rabatt herausgehandelt. Allein, er könne ihn nicht in gutes Mittagessen investieren, fügt er bedauernd hinzu, deutet resigniert auf die geschlossene Gastronomie, ehe er eilig seiner Frau folgt, die es ins nächste Geschäft zieht. (Verena Kainrath, 19.4.2021)