Die EU-Erweiterung 2004 mit der symbolischen Grenzöffnung zu Polen wurde für Annalena Baerbock zum politischen Schlüsselerlebnis.

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Macht? Karriere? Igittigitt ... Das war lange Zeit das Motto bei den deutschen Grünen. Fast musste sich entschuldigen, wer etwas geworden war im politischen Berlin.

Wie sehr sich das geändert hat, war bei der Kür von Annalena Baerbock zu beobachten. Die 40-Jährige wurde nicht nur zur ersten grünen Kanzlerkandidatin Deutschlands gekürt, sondern machte auch kein Hehl daraus, wie sehr sie diesen Job will.

Es ist dieser Wille zum Durchhalten, der Baerbock dorthin gebracht hat, wo sie heute steht. Und der ein wenig an das Beharrungsvermögen von Kanzlerin Angela Merkel erinnert. Auch ihr hatten anfangs die wenigsten das Kanzleramt zugetraut.

Antiatomprotest und Friedensdemos

Baerbock lernte in ihrer Jugend auf dem niedersächsischen Bauernhof, dass es für das Trampolinspringen, das sie als Leistungssport betrieb, Mut und Disziplin braucht. Das habe sie in die Politik mitgenommen, sagte sie einmal.

Politisch geschult wurde sie schon im Elternhaus, mit Mama und Papa ging es zum Antiatomprotest und zu Friedensdemos. Grün-affin sei sie immer schon gewesen, sagt Baerbock. Aber sie wollte zunächst Journalistin werden und lieber in keine Partei eintreten. Doch dann, nach dem Studium von Politikwissenschaft, öffentlichem Recht und Völkerrecht sowie einem Zwischenstopp bei der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung", kam sie doch zu den Grünen.

Ein Schlüsselerlebnis war für sie die symbolische Grenzöffnung am 1. Mai 2004 zwischen Frankfurt/Oder und dem polnischen Słubice. Da hat sie gedacht: "Wow! Politik kann wirklich etwas bewegen."

Annalena wer?

Von 2009 bis 2013 führte Baerbock die Grünen in Brandenburg, danach zog sie in den Bundestag ein, wo sie auch jetzt noch vertreten ist. Dennoch fragten sich im Jänner 2018, als sie gemeinsam mit Robert Habeck die grüne Partei übernahm, viele: Annalena wer?

Die Mutter zweier kleiner Mädchen hatte bis dahin eher im Hintergrund gewirkt. Diese Rolle dachten ihr auch viele neben dem Star Habeck zu. Zwar überließ Baerbock ihm zunächst die Rolle im Vordergrund, doch sie arbeitete kontinuierlich am eigenen Fortkommen.

Während Habeck die Herzen zuflogen, machte sie mit großem Detailwissen und Fachkenntnissen von sich reden – zuerst innerhalb der Grünen, dann auch abseits der Partei.

Auch darin ähnelt Baerbock der Kanzlerin: Nicht viele haben zunächst mit ihr gerechnet. Und dann zog sie doch am Favoriten vorbei. (Birgit Baumann, 19.4.2021)