In Barcelona wird das Superblock-Konzept bereits gelebt, in Wien wird es nun vorerst doch nicht umgesetzt. Bei Superblocks handelt es sich um Zonen in der Stadt, die verkehrsberuhigt werden und die Aufenthaltsqualität von Bürgerinnen und Bürgern verbessern sollen. Angelegt sind sie in einem quadratischen Block, der Durchzugsverkehr wird darin unterbunden. Bestehende Garagen und Hauszufahrten bleiben uneingeschränkt erreichbar. Das Konzept, das in Wien den Namen Supergrätzel bekommen sollte, trägt zur Reduktion urbaner Hitzeinseln bei und verbessert die Bedingungen für Fußgänger und Radfahrer.

Rund um den Volkertmarkt im zweiten Bezirk hätte eine innovative Art der Verkehrsberuhigung umgesetzt werden sollen. Jetzt ruht das Projekt allerdings.
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Im Volkertviertel im zweiten Bezirk war vorgesehen, ein solches Supergrätzel umzusetzen. Von der Magistratsabteilung 18 (Stadtentwicklung und Stadtplanung) wurde eine Pilotstudie durchgeführt, die Bevölkerung in die Planung eingebunden. Nun verschwinden die Pläne allerdings in den Schubladen, die Region um den Volkertmarkt wird vorerst nicht umgestaltet.

Aus dem Bezirksamt der Leopoldstadt heißt es dazu zum STANDARD: Das Projekt ruhe zurzeit, da man keine budgetären Mittel für eine weitere Umgestaltung habe. Praterstern und Praterstraße hätten hier Priorität. Zur Erinnerung: Der Praterstern wird mittels Pflanzenring begrünt, die Grünflächen sollen nahezu verdoppelt werden. Ebenso geplant ist ein Wasserspiel. Bei der Praterstraße sind die Pläne noch unkonkreter. Die Sanierung und Aufwertung der Praterstraße inklusive verbreiterter Radwege sind in Vorbereitung, hieß es zuletzt von Bezirksvorsteher Alexander Nikolai (SPÖ), der das Amt im Herbst von Uschi Lichtenegger (Grüne) übernommen hat.

Beim Superblock-Modell gibt es keinen Durchzugsverkehr.
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Mitten im Supergrätzel liegt auch die Vereinsgasse, die unter Rot-Grün zur Schulstraße umgestaltet wurde. An Schultagen gilt dreißig Minuten vor Schulbeginn und nach Unterrichtsende ein Fahrverbot für Kraftfahrzeuge. Ziel ist, dass vor Schulen weniger Autoverkehr stattfindet, die Eltern ihre Kinder nicht mit dem Auto bringen. Ein positiver Nebeneffekt wurde bereits festgestellt: Kinder kommen vermehrt mit dem Fahrrad, dem Roller oder zu Fuß zur Schule.

Dass Verkehrsberuhigung den Gewohnheiten der Wienerinnen und Wiener zunehmend entgegenkommt, belegen wie bereits berichtet Erhebungen der Stadt selbst: Laut Modal Split ist der Anteil der zu Fuß zurückgelegten Wege im Vorjahr von 28 auf 37 Prozent gestiegen, der Radverkehrsanteil von sieben auf neun Prozent. Vor allem die Corona-Krise ist es, die hier eine Veränderung im Mobilitätsverhalten bewirkt hat. In Summe war die Wiener Bevölkerung 2020 auf 73 Prozent ihrer Alltagswege zu Fuß, mit Öffis oder dem Fahrrad unterwegs.

In Barcelona wurden die "Superilla" bereits eingeführt. Fußgänger und Radfahrer erhalten mehr Platz.
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Der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) hat Daten aus den Jahren 2015 bis 2019 ausgewertet, also aus der Zeit vor der Pandemie. Die Zahlen zeigen, dass es je nach Bezirk große Unterschiede gibt. Bereits neun Bezirke weisen einen autofreien Mobilitätsanteil von über 80 Prozent auf. An der Spitze findet sich der 1. Bezirk mit 89 Prozent vor den Bezirken 2, 3, 6 und 7 mit jeweils 84 Prozent. Den niedrigsten Anteil autofreier Mobilität hat der 23. Bezirk mit 50 Prozent.

Beim Zufußgehen liegt die Innere Stadt mit 51 Prozent vorne, in Meidling (12.) und Rudolfsheim-Fünfhaus (15.) wird jeweils zu 37 Prozent zu Fuß gegangen. Beim Radfahren haben der dritte (Landstraße), der vierte (Wieden) und der fünfte (Margareten) Bezirk mit jeweils 15 Prozent Anteil die Nase vorne. Die größte Öffi-Nutzung gibt es laut VCÖ mit 51 Prozent in der Brigittenau (20.) vor der Leopoldstadt (2.) und Simmering (11.) mit jeweils 44 Prozent.

Experten fordern eine bessere Radinfrastruktur.
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Neue Daten gibt es übrigens für die Pop-up-Radwege. Nicht nur eine EU-weite Studie belegt die Sinnhaftigkeit der Maßnahme, um den Radverkehr zu steigern, auch eine Erhebung der Technischen Universität Wien zeigt, dass die vor etwa einem Jahr aufgrund der Corona-Krise eingeführten temporären Fahrradstreifen gut angenommen wurden.

Die Studienautoren regen etwa im Bereich der Praterstraße eine permanente Umsetzung ausreichend dimensionierter Radwege in beide Richtungen an. Der temporäre Pop-up-Radfahrstreifen im Sommer 2020 habe auch die Machbarkeit der Kfz-Spurreduktion nachgewiesen. (Rosa Winkler-Hermaden, 20.4.2021)