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Klare Worte von Uefa-Boss Ceferin: "Dividende ist wichtiger als Leidenschaft."

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Gianni Infantino: "Die Super League widerspricht den Werten des Sports".

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Montreux – Uefa-Präsident Aleksander Ceferin hat seine harsche Kritik an den zwölf abtrünnigen Super-League-Klubs erneuert und deren Chefs zu einem Umdenken aufgefordert. In einer mehr als 15 Minuten währenden Schlusspassage seiner Eröffnungsrede beim Uefa-Kongress in Montreux prangerte der Slowene die Haltung der Fußball-Spitzenklubs an. Es gehe den Vereinen "nicht um Trophäen, sondern darum, das Bankkonto zu füllen", sagte der 53-Jährige: "Selbstsüchtigkeit ersetzt Solidarität. Geld ist wichtiger als Erfolg. Dividende ist wichtiger als Leidenschaft." Er vermisse bei diesen Klubs jeglichen Respekt vor "Geschichte und Tradition".

"Wenn der Schlusspfiff ertönt, schauen sie nicht auf die Tabelle, sondern auf die Einschaltquoten und Aktienpreise", kritisierte Ceferin. Er reagierte damit erneut mit klaren Worten auf die Pläne von Manchester United, Manchester City, Liverpool, Arsenal, Chelsea, Tottenham, Real Madrid, FC Barcelona, Atletico Madrid, Juventus Turin, Inter Mailand und AC Milan, mit der Gründung einer Super League aus der europäischen Fußball-Gemeinschaft auszuscheren. Der Uefa-Chef sprach explizit die Eigentümer der beteiligten, englischen Klubs an. "Sie haben einen großen Fehler gemacht", sagte Ceferin. Aber: "Es ist nicht zu spät, ihre Meinung zu ändern."

Lob für die Bayern

Explizit lobte Ceferin den Vorstandschef von Bayern München, Karl-Heinz Rummenigge, der sich gegen die Super-League-Idee ausgesprochen hatte und dessen Rückkehr ins Uefa-Exekutivkomitee noch für Dienstag erwartet wurde. Klubs aus Deutschland und Frankreich haben sich dem Kreis der zwölf Abtrünnigen nicht angeschlossen. An die Bayern, Borussia Dortmund und Paris Saint-Germain soll aber eine Einladung ergangen sein.

Rummenigge bekräftigte die Ablehnung der Bayern gegenüber dem "Corriere della Sera" vom Dienstag. "Wir sind nicht dabei, weil wir kein Teil davon sein wollen", sagte der Ex-Stürmer. "Wir sind zufrieden, Champions League zu spielen, und vergessen nicht die Verantwortung, die wir gegenüber unseren Fans haben, die grundsätzlich gegen so eine Reform sind. Und wir spüren die Verantwortung gegenüber dem Fußball als Ganzes."

In der hitzigen Debatte setzt Rummenigge auf Deeskalation. "Wichtig ist, dass wir den Dialog wieder aufnehmen. Meine Hoffnung ist, dass wir noch eine Lösung finden, denn die Super League schadet dem ganzen europäischen Fußball. Das müssen wir verhindern." Der Bayern-Chef hält eine Kostenreduktion für den besseren Weg aus der Corona-Krise. "Der Weg kann nicht sein, immer mehr einzunehmen und mehr an Spieler und Agenten zu bezahlen."

Fans in Europa sind mit den Super-League-Plänen gar nicht einverstanden
DER STANDARD

Ablehnung der Fifa

FIFA-Präsident Gianni Infantino hat den zwölf Gründerclubs nicht näher definierte "Konsequenzen" angedroht. Es gebe "keinerlei Zweifel" an der Position des Weltverbandes, sagte Infantino am Dienstag.

"Die Super League widerspricht den Werten des Sports. Sie ist eine geschlossene Gesellschaft, eine Abspaltung von den existierenden Institutionen, den Ligen, Verbänden, der FIFA und der UEFA." Infantino sprach dem europäischen Kontinentalverband UEFA "die volle Unterstützung" zu.

Am Vortag, als die zwölf Clubs aus Spanien, England und Italien ihre Pläne offenbart haben, habe man von Krieg und Verbrechen gelesen, erinnerte Infantino. "Schreckliche Wörter und noch schrecklicher, wenn sie über das Spiel gesagt werden, dass wir alle lieben." Die FIFA dagegen sei eine Organisation, die "auf den wahren Werten des Sports" aufgebaut sei.

"Wenn einige wählen, ihren eigenen Weg zu gehen, müssen sie mit den Konsequenzen leben", sagte der FIFA-Chef. "Sie sind verantwortlich. Konkret bedeutet das, entweder bist du drinnen oder draußen. Du kannst nicht zur Hälfte drinnen und zur Hälfte draußen sein. Aber ich will nicht einmal darüber nachdenken."

Das Sportmodell in Gefahr

IOC-Präsident Thomas Bach sieht gleich das gesamte europäische Sportmodell in Gefahr. "In dieser polarisierenden Umgebung gewinnen engstirniger Eigennutz und Egoismus Boden gegenüber Solidarität, gemeinsamen Werten und Regeln", sagte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees am Dienstag ohne direkte Bezugnahme auf die drohende Abspaltung. Die Corona-Krise habe die existierenden Brüche und Ungleichheiten offenbart und sogar vertieft, meinte Bach. Man müsse realisieren, dass das europäische Sportmodell und Werte wie Solidarität bedroht seien.

Ceferin pries unterdessen die am Montag lancierte Reform der Champions League ab 2024 als wichtige Kontinuität im europäischen Fußball. Zugleich erinnerte er daran, dass eine Super League vor 40 Jahren noch ganz anders ausgesehen hätte. Er erwähnte unter anderem den Hamburger SV oder Nottingham Forest als ehemalige Meistercup-Sieger. Hingegen sei Juventus als Treiber hinter der nun geplanten geschlossenen Gesellschaft vor 15 Jahren in Italien in der zweiten Liga gewesen. (APA, sid, red, 20.4.2021)

Pressestimmen zur geplanten Super League:

GROSSBRITANNIEN:

"The Sun": "Wer außer den Milliardären selbst denkt, dass eine bedeutungslose 'Super League' – die die Champions League, die Premier League und unsere unteren Ligen zerstören würde, ganz zu schweigen von denen in Spanien und Italien – eine gute Idee ist?"

"The Telegraph": "Florentino Perez, Andrea Agnelli und Joel Glazer sind nun als steuernde Kräfte der schlechtesten Idee in der Geschichte des europäischen Fußballs eingesetzt. Der Vorsitzende und die beiden Vize-Vorsitzenden der gerade entstandenen European Super League (ESL) führen den jüngsten Vorstoß der Zombie-Apokalypse des Fußballs auf der Suche nach frischem Fleisch an – denn selbst die letzten zwei Jahrzehnte mit gewaltigen Einnahmezuwächsen bei den Übertragungsrechten haben ihnen nie gereicht."

"The Independent": "Die European Super League ist ein grotesker Verrat am Fußball."

"Daily Mirror": "Diese sogenannte Super League muss nicht nur scheitern, sie muss für immer aus dem Sport verjagt werden."

"The Times": "Es gibt nichts, was die nationalen Verbände davon abhalten könnte, Spieler bestimmter Clubs nicht für ihre Nationalmannschaften aufzustellen. Das würde die Verlockung, die diese abtrünnigen Vereine für Spieler darstellen, stark mindern. Vor allem aber sind da die Fans, die wahren Hüter der Magie des Fußballs, ohne deren Unterstützung die neue Liga nicht erfolgreich sein kann. Wenn jemand diese Clubs davon überzeugen kann, dass sie einen schweren Fehler begangen haben, dann sind das sicherlich sie."

DEUTSCHLAND:

"Bild": "Tschüss, Fußball! Es war so wunderschön mit dir! ... Das ist keine Super League! Das ist eine Scheiß-Liga! Die Champions League, wie wir sie kennen, wäre Geschichte. Und die nationalen Ligen wären im Eimer... Das ist Verrat am Fußball! Verrat an allem, was wir lieben!"

"Frankfurter Allgemeine Zeitung": Auch wenn in Europa schon länger das Gespenst einer wie auch immer verfassten Superliga umging: Nun ist die Katze aus dem Sack. Von entsprechenden Planungen ist seit einigen Jahren die Rede. Die Kommerzialisierung und Internationalisierung des Fußballs haben diese Entwicklung nahegelegt. Mehr noch: Sie erscheint geradezu zwangsläufig. Doch nach der ganz konkreten Präsentation der sogenannten Super League durch zwölf der teilweise namhaftesten Klubs in Europa zeigt sich: Diese Katze ist ein Tiger. Einer, der die Kraft hat, den europäischen Fußball in Stücke zu reißen."

"Süddeutsche Zeitung": "Den zahlreichen Manifesten von Ablehnung und Empörung, die aus der Bundesliga kamen, schlossen sich auch Vertreter von Vereinen an, die potenziell in die Sonderliga abdriften könnten. ... Doch wenn die unsympathische Veranstaltung Superliga wirklich kommen sollte – werden die deutschen Spitzenklubs dann in der Heimat bleiben und sich mit einer Diät-Version der Champions League begnügen, in der die großen Namen fehlen? Es könnte der Tag kommen, an dem man die Münchner und Dortmunder an ihr Wort erinnern muss."

"Die Welt": "Als das Virus im Frühjahr 2020 auch die Fußballbranche für einige Wochen zum Erliegen brachte, da war plötzlich selbst im Fußball von mehr Demut und Zurückhaltung die Rede. Innehalten solle man, so hieß es, und darüber nachdenken, ob denn wirklich alles in die richtige Richtung läuft. Die nun veröffentlichten Pläne verdeutlichen dagegen: Die Gier nach noch mehr Geld ist größer denn je. Es geht den großen Vereinen einzig und allein um Gewinnmaximierung. Was den Fan, den Konsumenten bewegt, schert sie überhaupt nicht."

ITALIEN:

"La Gazzetta dello Sport": "Stoppt sie! So lautet, von Draghi bis zur UEFA, die Aufforderung an die Rebellen."

"La Repubblica": "Der Sezessionskrieg im europäischen Fußball, ausgelöst durch eine in der Nacht eingereichte Erklärung von zwölf Abtrünnigen mit ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten, markiert den endgültigen Bruch zwischen zwei Arten, diesen Sport zu leben und zu verstehen."

"Corriere della Sera": "Es bedurfte einer Revolution im Fußball, um eine einheitliche Reaktion aus Europa auszulösen, geschlossen in der Verurteilung einer Spaltung durch die neugeborene Super League. Gewollt ist diese von zwölf der reichsten Clubs, zum Nachteil aller anderen Mannschaften, so vieler kleiner und großer Städte, von Gemeinden und vor allem der Tradition."

SPANIEN:

"La Vanguardia": "Dass wirtschaftliche Gründe im Vordergrund stehen, zeigt auch der Anstieg der Kurse der beteiligten englischen Clubs an der Wall Street und die von Juventus an der Mailänder Börse. Diese Vereine versuchen seit Jahren, einen halbgeschlossenen Wettbewerb im Stil der NBA zu schaffen, der ihnen Geld und finanzielle Stabilität garantiert. Die großen Clubs sind überzeugt, dass sie am Ende gewinnen werden, weil sie wissen, dass vom zu verteilenden Kuchen ohne sie nur Krümel bleiben würden."

DÄNEMARK:

"Politiken": "Die UEFA hatte reichlich Gelegenheit, die Regelung einzuführen, die paradoxerweise ein Motor in den geschlossenen amerikanischen Ligen ist. Eine Gehaltsobergrenze und eine umgekehrte Hierarchie bei der Unterzeichnung von Verträgen mit neuen Spielern haben, gelinde gesagt, eine angestrebte Gleichstellung geschaffen, ohne dass dies einem enormen Wachstum im Wege gestanden hätte. Mit einer solchen Initiative hätte die UEFA ein stabiles Fundament für die Fußball-und Fan-Kultur des europäischen Fußballs schaffen können. Stattdessen wackelt es jetzt."

FRANKREICH:

"Dernieres Nouvelles d'Alsace": "Die Welt des Fußballs muss also voller Verblüffung und Ärger feststellen, dass sie vom Geld regiert wird. Was für eine Überraschung, was für eine Enthüllung! Nachdem das Projekt der Super League schon vor einigen Jahren angekündigt wurde, fängt es nun an, zu wachsen und zu gedeihen – und ist nichts anderes als das Ergebnis eines verdorbenen Systems."

BELGIEN:

"De Standaard": "Die Chefs von zwölf Top-Fußballteams aus Spanien, England und Italien bilden seit gestern den meistgehassten Club Europas. Mit ihrem dreisten Plan, einen neuen Wettbewerb – die Super League – aus dem Boden zu stampfen, ziehen sie den Groll der Fußballföderationen, der nationalen Verbände, der übrigen Clubs, ihrer eigenen Anhänger und der Politik auf sich. Soviel Geldgier ist beispiellos, so der allgemeine Tenor." (...) "Aber es steht so gut wie fest, dass der Fußball auf dem Weg zu einem kommerziellen Modell nach amerikanischem Vorbild ist."

RUSSLAND:

"Nesawissimaja Gaseta": "Es ist wahrscheinlich zu früh davon zu sprechen, dass die Revolution schon passiert ist. Aber der Prozess ist angestoßen. Beide Seiten – die UEFA und die Super League – haben schwere Geschütze aufgefahren, folglich müssen sie so oder so einen Kompromiss suchen."

UNGARN:

"Magyar Nemzet": "Heutzutage steht Europa vielleicht mit einer einzigen Tätigkeit, mit einem einzigen Industriezweig im Mittelpunkt der Welt: mit dem Fußball. Dieser Stolz hat seinen Preis. Einerseits ist er in Euro-Milliarden messbar, andererseits verlor die nationale Idee erneut eine Schlacht. Denn, daran besteht kein Zweifel, die Superliga wird kommen."

SCHWEIZ:

"Tages-Anzeiger": "Die Gründung der ESL führt zu einer enormen Zerreißprobe im Fußball. Die UEFA fürchtet um ihren Wettbewerb, eine zwar immer mehr verwässerte Champions League. Ihr ist die Kraft zu wünschen, dass sie sich durchsetzt und die Clubs von den nationalen Meisterschaften ausschließt. So wie ihr der ehrliche Beistand der FIFA zu wünschen ist, Spieler von der WM fernzuhalten, die an diesem Projekt teilnehmen. Denn im Größenwahn der ESL steckt vor allem eines: der Angriff auf die nationalen Ligen und damit auf die Basis des Fußballs."