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Bei Google hat man einen Vorschlag für das Web – der aber auf wenig Begeisterung stößt.

Foto: THOMAS PETER / REUTERS

Ein privatsphärenfreundlicher Ersatz für die umstrittenen und als Basis für umfassendes User-Tracking genutzten "Third Party Cookies": Wenn man Googles Ausführungen folgt, klingt "Federated Learning of Cohorts" (Floc) nach einem echten Gewinn für das Web. Das Problem dabei: Dieser Perspektive scheint sich außerhalb von Google praktisch niemand anzuschließen. So haben bereits vor einigen Tagen die US-Bürgerrechtsorganisation EFF, aber auch Browserhersteller wie Vivaldi oder Brave Floc scharf kritisiert. Was als Privacy-Lösung beworben werde, sei einfach nur eine weitere Tracking-Technologie.

Verhaltene Reaktionen

Doch auch sonst trifft Floc auf wenig Begeisterung. So hat "The Verge" bei allen großen Browserherstellern nachgefragt, und die erhaltenen Reaktionen dürften Google wenig gefallen. Denn auch wenn praktisch alle Befragten betonen, dass sie derzeit die Vorschläge noch studieren, Begeisterung sieht anders aus. Man habe aktuell keine Pläne, ein System wie Floc in den eigenen Browser aufzunehmen, formuliert es etwa Firefox-Hersteller Mozilla. Auch wenn man generell anerkenne, dass neue Wege gefunden werden müssen, wie die Interessen der Werbewirtschaft und der Nutzer – also konkret: deren Privatsphäre – vereint werden können. Ähnlich klingt das bei Microsoft, und auch Apple scheint derzeit keinerlei Interesse an Floc zu haben. Stattdessen verweist man auf den offiziellen Standardisierungsprozess, wo Google – ebenso wie andere Hersteller – natürlich eigene Ideen einbringen könne.

Wordpress?

Parallel dazu macht derzeit auch die Mitteilung die Runde, dass Wordpress Floc auf seinen Webseiten vollständig blockieren will. Das wäre ein weiterer herber Rückschlag für Google, weil mit Wordpress gehostete Seiten stolze 40 Prozent des gesamten Webs ausmachen. Allerdings muss betont werden, dass es sich entgegen so manchen Berichten dabei bisher nur um einen Vorschlag eines einzelnen Entwicklers handelt – und nicht um einen Beschluss des Projekts.

Diese Verwirrung passt aber eigentlich ganz gut zum aktuellen Stand der Diskussion. Immerhin scheint auch hier oft nicht allen klar zu sein, wovon überhaupt die Rede ist. So verweist ein Google-Entwickler darauf, dass ein Opt-out aus Floc kompletter Nonsens ist, weil die Teilnahme an dem System aktuell ohnehin erst nach einem Opt-in der jeweiligen Seitenbetreiber erfolgt, also wenn diese die Floc-Schnittstellen selbst integrieren. Ob das so bleibt, ist natürlich unklar, aber es zeigt auch, wie viel Unklarheit hier noch herrscht.

Reaktion

In einer offiziellen Stellungnahme gegenüber dem STANDARD betont Google aber noch einen anderen Punkt: Floc befinde sich derzeit noch in einer frühen Testphase, es würden also basierend auf dem aktuellen Feedback laufend weitere Änderungen vorgenommen, bevor – und falls – die Technologie in größerem Stil zum Einsatz komme. Dazu kommt noch, dass Google bereits in der Vergangenheit mehrfach betont hat, dass es schlussendlich eine zentrale Einstellung im Browser geben soll, mit der Floc deaktivierbar sein soll. Das man die Testphase – in die automatisch ein sehr kleiner Teil der Chrome-User eingebunden sind – ohne eine solche gestartet hat, ist allerdings ein Vorwurf, den sich das Unternehmen gefallen lassen muss.

Hintergrund

Die Idee hinter "Federated Learning of Cohorts" (Floc) ist es, die Vorlieben der Nutzer durch die Auswertung ihres Surfverhaltens zu analysieren. Anstatt dass dies aber über eine Unzahl von externen Trackern erfolgt, soll die Analyse künftig direkt im Browser vorgenommen werden. Die User sollen dabei in grobe Kategorien eingeteilt werden, auf deren Basis Webseiten dann angepasste Werbung ausliefern können, ohne aber je zu erfahren, welche Person dahintersteckt – außer natürlich, diese meldet sich selbst bei der betreffenden Webseite an. Gleichzeitig sollen all die klassischen Tracker, mit denen heutzutage im Netz laufend allerlei persönliche Informationen über die User gesammelt werden, künftig blockiert werden. Dazu gehören nicht nur Third Party Cookies, Google will künftig auch das "Fingerprinting" auf anderen Wegen verhindern. Zudem sollen bei Floc sensible Kategorien – etwa Geschlecht oder Erkrankungen – automatisch aussortiert werden.

Perspektivenwechsel

Die Kritik an dem System kommt aus zwei Richtungen: Die Werbeindustrie sieht darin eine unfaire Ausnutzung der eigenen Marktmacht durch Google, könnte so ein System doch potenziell dem Chrome-Hersteller mehr Geld bringen als anderen Werbeanbietern, die komplett vom Zugriff auf Drittdaten abhängig sind. Dort würde man insofern also gerne mit dem Tracking wie bisher weitermachen.

Auf der anderen Seite stehen die Privatsphären-Kritiker. Diese schlagen vor, lieber komplett auf zugeschnittene Werbung zu verzichten, also nicht nur klassische Tracker zu blockieren, sondern auch Floc bleiben zu lassen. Im Kern dieser Diskussion steht nicht weniger als die Frage der Finanzierung des Webs. Immerhin sind viele Webseiten von Werbung abhängig. Im Speziellen geht es dann noch um die Frage, ob sich mit personalisierter Werbung mehr Geld verdienen lässt als mit Masseneinschaltungen – und was davon relevanter für die User ist. (Andreas Proschofsky, 21.4.2021)