Der Platz zwischen den Museen wurde am 16. Jänner zum Tatort – ein 31 Jahre alter Unbescholtener soll eine Passantin vergewaltigt haben.

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Wien – "Zwidemu", kurz für "ZWIschen DEn MUseen", nennen die jungen Menschen das Areal zwischen Museumsquartier, Kunsthistorischem und Naturhistorischem Museum in Wien. Dort soll am 16. Jänner um 0.30 Uhr Ali N. eine Frau vergewaltigt haben. Was der unbescholtene 31-Jährige bestreitet – sein Finger sei zwar in der Vagina der Frau gewesen, diese habe ihn allerdings selbst dort platziert.

"Ich spaziere sehr gerne Abends oder in der Nacht", erklärt N. dem Schöffengericht unter Vorsitz von Petra Poschalko. "Ich habe ein Hobby, dass ich historische Gebäude fotografiere", führt der Jemenit mit auffälliger Frisur weiter aus. In der fraglichen Nacht habe er sich auf der Mariahilfer-Straße-Seite des Museumsquartiers ein Bier gegönnt und habe eine Zigarette geraucht. Dann machte er sich auf den Weg zur U-Bahn, als ihm seiner Darstellung nach Frau R. entgegenkam.

Passantin nach Feuer gefragt

"Ich habe sie nach Feuer gefragt, sie hatte aber keines", erzählt der Angeklagte. "Warum eigentlich? Sie haben doch vorher gesagt, Sie haben eine Zigarette geraucht? Wie haben Sie die angezündet?", fragt Poschalko. "Mit meinem letzten Streichholz", entgegnet der Angeklagte. N. will jedenfalls bemerkt haben, dass Frau R. betrunken gewesen sei, und habe sie daher mit einer Hand auf ihrem Rücken gestützt. Seiner Schilderung nach habe die Frau die Hand dann genommen und unter ihren Rock und ihre Strumpfhose in ihren Genitalbereich geführt.

Er habe die Hand weggezogen und R. stattdessen auf den Maria-Theresien-Platz geführt, um eine Bank für sie zu suchen. Dann entschied er sich angeblich um und brachte sie in Richtung eines Taxistandes. "Hier war meine Hilfsbereitschaft zu Ende", fasst N. zusammen. Er habe bei R. weder Verletzungen bemerkt, noch dass sie telefoniert habe. Das hat sie aber – sie alarmierte den Notruf der Polizei, eine Streife nahm den Angeklagten wenige Minuten später in der U-Bahn fest.

Wortlose Interaktion

Ein interessantes Detail ergibt sich auf Nachfragen des Schöffen und der Schöffin: N. will während der ganzen Aktion kein Wort mit R. gewechselt haben, außerdem habe er Kopfhörer getragen. "Gab es irgendeine Konversation, wenn Sie ja der Meinung waren, dass die Frau hilfsbedürftig ist?", kann die Laienrichterin das kaum glauben. "Nein", lässt der Angeklagte übersetzen.

Frau R. will nur in N.s Abwesenheit und unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen. Wie der Urteilsbegründung später zu entnehmen ist, sagt die Zeugin, sie sei in dieser Jännernacht nüchtern und auf dem Heimweg gewesen, als N. sie erst bedrängte, schließlich am Arm packte und versuchte, sie in ein Gebüsch auf dem Maria-Theresien-Platz zu zerren. Sie trug dabei eine Wunde am Daumen und Kratzspuren am Handgelenk davon, schaffte es aber, mit der anderen Hand den Notruf zu wählen. Der Angeklagte habe ihr dennoch unter den Rock greifen und sie vergewaltigen können.

Keine DNA-Spuren des Angeklagten

N.s Verteidiger setzt seine Hoffnungen auf das DNA-Gutachten von Sachverständiger Christina Stein. Die hat R.s zerrissene Strumpfhose untersucht und dort zwei männliche Genprofile entdeckt – von denen allerdings keines vom Angeklagten stammt. "Wie ist das erklärbar?", wundert sich die Vorsitzende. "Es ist keine große Berührungsfläche", erklärt Stein. Auch verursache nicht jeder Mensch gleich viele DNA-Spuren, sie könne also die Variante der Frau nicht ausschließen, stellt die Expertin klar.

Die Anklägerin hält die Version des Angeklagten, dass eine wildfremde Frau die Hand eines Passanten ansatzlos zur sexuellen Stimulation benutzen sollte, für "völlig lebensfremd". Der Verteidiger wiederum will nicht ausschließen, dass R. vor dem Treffen mit seinem Mandanten "etwas Schreckliches passiert sei. Nur ist mein Mandant jetzt das Bauernopfer", ist er überzeugt.

Keine teilbedingte Strafe möglich

Nicht so der Schöffensenat. Er verurteilt N. zu drei Jahren unbedingter Haft. Frau R. habe "eine glaubwürdige und nachvollziehbare Aussage" abgeliefert und dabei einen noch immer "sichtlich betroffenen und angstvollen Eindruck" gemacht. Trotz der Unbescholtenheit des Angeklagten sei wegen des fehlenden Geständnisses eine teilbedingte Strafe aus spezial- und generalpräventiven Gründen ausgeschlossen.

Der Angeklagte, der die Entscheidung emotionslos mit gesenktem Kopf zur Kenntnis nimmt, berät sich vor dem Saal mit seinem Verteidiger und seiner Lebensgefährtin. Schlussendlich nimmt er sich Bedenkzeit, auch die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 22.4.2021)