Schöne Hügel gibt es im Hochland von Sri Lanka, im gesamten Mostviertel und in großen Teilen des Piemont. Das Maß aller Dinge bei landschaftlichen Buckeln scheint aber bis heute die Toskana zu sein.

Kluge Dinge

Wie ließe sich sonst erklären, dass man zu den einzigartigen Mugeln rund um Oberhaag im Saggautal so schnöde "Steirische Toskana" sagt? Immerhin wird dem Besucher schnell klar, dass man in der Südsteiermark neuerdings richtig kluge Dinge macht mit den reichlich vorhandenen Hügeln. Dietmar Silly, der ehemalige Kellermeister von Schloss Seggau, stellt zum Beispiel ganz famose Ferienhäuser drauf.

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Ferienhaus-Urlaub auf den norwegischen Lofoten war schon immer ein heißer Tipp für passionierte Social Distancer.
Foto: Getty Images

Urlaub im Ferienhaus ist seit dem Ausbruch von Corona sehr gefragt und wird es wohl noch eine Zeitlang bleiben. Viele Menschen haben zwar das Bedürfnis, endlich wieder rauszukommen, den Urlaub wollen sie aber mit einer Art Corona-Sicherheitsnetz versehen: Ferien ausschließlich im Familienverband, die Anreise mit dem eigenen Auto und die Unabhängigkeit von lokaler Infrastruktur sind nur einige der Gründe, die für ein gemietetes eigenes Häuschen im Anderswo sprechen.

Kontaktlose Auszeit

Dietmar Sillys Netzwerk aus elf Ferienhäusern, das er "Pures Leben" getauft hat, ist komplett autark. So unabhängig von anderer Infrastruktur, dass man bei ihm völlig entspannt noch viele Lockdowns urlaubend durchtauchen könnte. Die Betonung liegt auf "könnte".

Denn seit November 2020 ruht auch Sillys dezentrales Ferienhaus-Konzept an allen drei Standorten in der Südsteiermark. An Urlauber darf er seither nicht vermieten – obwohl alles in seinen Häusern für eine komplett kontaktlose Auszeit ausgelegt ist. In dem 150 Jahre alten Stadl etwa, der samt Pool und Sauna mit Rundumblick auf der Spitze eines Hügels in Tunauberg thront, kann ein Haushalt sehr lange, sehr gemütlich völlig unter sich bleiben.

Der Fernblick aus diesem alten Heustadl, der in der Südsteiermark als Ferienhaus fortlebt, ist atemberaubend.
Foto: Pures Leben

Wohl auch deshalb, weil Dietmars Bruder Gerald, der das Weingut Silly betreibt, Essen bis an die Haustür liefert. Dieses beliebte Konzept, das sich im Lockdown vielerorts durchgesetzt hat, gab es in der Südsteiermark schon lange vor Corona. Es erstreckt sich im Übrigen auch auf die Zustellung eines wirklich schmackhaften Frühstücks. Zusammen mit dem prallgefüllten Weinkühlschrank im Keller des Ferienhauses gehen die Notwendigkeiten, das Haus irgendwann doch verlassen zu müssen, gegen null.

Keine Ausnahme

Dietmar Silly scheint es wenig zu irritieren, dass er seine Häuser derzeit trotzdem geschlossen halten muss. Im Gegenteil, er zeigt sogar Verständnis dafür, dass nicht für jedes Untergrüppchen im Tourismus in einer Pandemie Ausnahmen gemacht werden können. Zu ist zu, und daran müssen sich derzeit im Interesse aller eben auch alle halten, so seine Meinung. Diese Einstellung wirkt umso erstaunlicher, als er just im November, also genau vor Beginn des aktuellen Dauerlockdowns, eine wichtige Erweiterung seiner "Anlage" – tatsächlich sind es ja lauter einzelne, sehr individuelle Häuser – aufgesperrt hat.

Weingartenhaus Sausal
Foto: Günter Standl

Am Stammhaus in Oberhaag gibt es nun ein eigenes Lokal mit offener Küche und einem alten Holzofen. Die Räumlichkeiten erinnern eher an die bäuerliche Stube der Oma als an ein Restaurant und verfolgen wohl den Zweck, dem Bodenständigen des gesamten Konzepts kulinarisch die passende Bühne zu geben. Zudem soll die gute Stube auch den Austausch ermöglichen. Denn wer sagt denn, dass Ferienhausgäste immer nur unter sich bleiben wollen? An diesem Ort können Gäste andere Gäste bei einem gepflegten Glas Wein treffen oder unkompliziert zusammen essen.

Einförmige Arbeiten zum Abschalten

Apropos andere Leute treffen: Nun mag sich so mancher fragen, was nach monatelangem Eingesperrtsein reizvoll sein soll an einem Urlaub in gemieteten eigenen vier Wänden, sprich einem Ferienhaus. Wer die letzten Monate im Homeoffice gefristet hat, wird aber schon realisiert haben, dass das wenig mit gemütlichem Herumlümmeln zu tun hat.

Der Psychologe Christian Schönfelder sagt über die derzeit unmögliche Trennung zwischen Arbeits- und Freizeitstätte, dass beim Arbeiten in der eigenen Wohnung der Stresslevel für viele sogar deutlich höher steigt als in einem Büro. Und jeder Küchenpsychologe könnte einem sagen, dass Häuser wie der südsteirische Stadl am Tunauberg dagegen hingestellt wurden, damit wir dort wirklich nichts tun.

Wer dennoch zwischendurch etwas verrichten möchte, kann hinters Haus gehen und Holz hacken für den offenen Kamin – eine dieser herrlich einförmigen Arbeiten, bei der man tatsächlich mit dem Abschalten beginnt.

Hohe Nachfrage

Es ist kein Wunder, dass sich das neue Biedermeier aus unserem Corona-Alltag längst auch ins Urlaubsverhalten geschummelt hat. Die relative Sicherheit der "eigenen" vier Wände eines Ferienhauses, gepaart mit dem Zustand, hier vieles tun zu können, aber nichts tun zu müssen, beschert der Branche jedenfalls anhaltend hohe Nachfrage.

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Häuschen in Hügellandschaften stehen hoch im Kurs. Das Maß aller Dinge ist dabei die Toskana – wiewohl es wie hier in Vietnam auch sehr reizvoll sein kann.
Foto: Getty Images

Vorteile wie die autarke Versorgung, mehr Platz und weniger Kontaktpunkte als im Hotel würden eine Neuauflage des Booms auch heuer wahrscheinlich machen, meint etwa Jonas Upmann, Sprecher von Home To Go, der weltweit größten Suchmaschine für Ferienhäuser mit über 18 Millionen Angeboten. Was sich dabei noch zeigt: Man bleibt beim Ferienhaus-Urlaub öfter im eigenen Land, was nicht nur an schwer passierbaren Grenzen in Zeiten der Pandemie liegt.

Der Zukunftsforscher Andreas Reiter sagt etwa, dieses Verhalten habe mit geänderten Einstellungen zu tun. Die "Generation Greta" wisse genau, nur wenn wir achtsam mit Ressourcen umgehen und agieren, verhindern wir künftig drohende Pandemien. Das habe auch Auswirkungen auf unser Reiseverhalten, und wir bleiben öfter in der Nähe.

Zunahme der Telearbeit

Vom Wunsch nach Cocooning im Urlaub werden vermutlich auch artverwandte Unterkünfte profitieren – allen voran Wohnungen, die über das Vermieternetzwerk Airbnb vermittelt werden. Die jüngst an die Börse gegangene Plattform hat im Jahr 2020 zwar einen Rekordverlust von umgerechnet rund 3,8 Milliarden Euro gemacht, scheint aber für die Zukunft gut gerüstet zu sein.

Brian Chesky, der Airbnb nicht zufällig in der Finanzkrise 2008 mitbegründete, weil es da viele potenzielle Vermieter der eigenen Wohnung gab, hofft auch in dieser Krise auf Zuwächse beim Angebot. Corona sieht er auch als neue Chance.

Wegen der Zunahme an Telearbeit könnten viele Menschen ihren Aufenthaltsort in Zukunft flexibler wählen. Und wer auf Reisen geht, um sich sein Homeoffice anderswo einzurichten, könne die Kosten ja durch die Vermietung der eigenen Wohnung kompensieren.

Innenansicht des Stadl Wuglitz: Jeder Küchenpsychologe könnte einem sagen, dass Häuser wie der südsteirische Stadl am Tunauberg dagegen hingestellt wurden, damit wir dort wirklich nichts tun.
Foto: Pures Leben

Umleitung aufs Land

Was die touristische Nutzung solcher Wohnungen betrifft, versucht Airbnb gerade das Augenmerk auf ländliche und weniger frequentierte Regionen zu lenken. Nicht zuletzt weil man in ehemaligen Overtourism-Hotspots wie Barcelona oder Amsterdam eben nicht mehr unbedingt gerne gesehen ist.

Der Trend zum "Eigenheim", mit dem man gleichzeitig die Welt erkunden kann, setzt sich heuer auch auf dem Wasser fort. Von Le Boat, dem größten Anbieter von Hausbooten auf Europas Wasserwegen, war etwa im vergangenen Sommer zu vernehmen, so einen Ansturm hätte man in 50 Jahren nicht erlebt. Für die meisten Boote habe man 2020 ungefähr fünfmal mehr Anfragen bekommen, als man anbieten konnte. Deshalb sind die Flotten der meisten großen Anbieter für 2021 nun in allen Revieren ordentlich aufgestockt worden.

Haus in Alleinlage

Obwohl diese Form des Urlaubs wohl von den meisten Kunden als Corona-sicher empfunden wird, hat man auch auf den Hausbooten noch einmal die Hygienekonzepte verbessert. Und um Menschansammlungen bei der Übergabe zu vermeiden, werden die Einweisungen zur Bordtechnik nun fast immer vorab per Video übermittelt.

Auf Menschenmassen trifft man rund um Oberhaag im Saggautal sowieso selten. Wer dort erst einmal "seinen" Hügel gefunden und eines der Häuser in Alleinlage bezogen hat, kann sich gepflegt im Nichtstun üben – oder stundenlang auf die gegenüberliegenden Hügel mit freilaufenden steirischen Hendln starren. Das hat recht wenig von Biedermeier oder von der Toskana. (Sascha Aumüller, RONDO, 23.4.2021)