Exoplanetenforscher schwelgen seit einiger Zeit in geradezu paradiesischen Verhältnissen: Immer mehr und modernere Weltraumteleskope, gewaltige terrestrische Optiken und verfeinerte Instrumente haben den Astronomen in den vergangenen beiden Jahrzehnten eine Flut von Neuentdeckungen beschert. Aktuell stehen wir bei etwa 4.700 bestätigten Planeten in 3.500 fremden Sternsystemen. Von 770 Systemen weiß man, dass sie mehr als einen Exoplaneten beherbergen und Tausende weitere Kandidaten warten noch auf eine zweite Meinung.

Weit draußen und riesig groß: Die Entstehungsgeschichte des neu entdeckten Exoplaneten YSES 2b gibt Rätsel auf.
Illustr.: NASA

Seltener direkter Anblick

Die überwiegende Mehrzahl der Entdeckungen verdanken wir allerdings immer noch indirekten Nachweismethoden. Die direkte Beobachtung von Exoplaneten neben ihren alles überstrahlenden Zentralgestirnen ist dagegen sehr schwierig und gelang daher erst bei vergleichsweise wenigen Gelegenheiten. Einen solchen Glücksfall hat nun ein internationales Team im Fachjournal "Astronomy & Astrophysics" vorgestellt: Die Forscher bildeten mit dem Instrument SPHERE am Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile eine riesige Welt ab, die in gut 360 Lichtjahren Entfernung den sonnenähnlichen Stern YSES 2 umkreist.

"Nur der Einsatz einer modernen adaptiven Optik an einem Großteleskop der Acht-Meter-Klasse sowie spezieller Hochkontrastbeobachtungsverfahren erlaubt die direkte Abbildung solcher substellarer Objekte in unmittelbarer Nähe zu ihren viel helleren Muttersternen", erklärt Koautor der Studie Markus Mugrauer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Der neu entdeckte Exoplanet YSES 2b ist etwa 10.000-mal leuchtschwächer als sein Zentralgestirn.

Alexander J. Bohn vom Leiden Observatory fasst die Ergebnisse auf Twitter zusammen.

YSES steht für "Young Suns Exoplanet Survey", einem Beobachtungsprojekt am Paranal Observatorium der ESO. YSES 2, der Mutterstern des neuen Planeten, ist knapp 14 Millionen Jahre "jung". Die Beobachtungen ergaben, dass der neu entdeckte Planet YSES 2b zwar etwa 115 Mal so weit von seinem Heimatstern entfernt ist, wie die Erde von der Sonne, seine Oberflächentemperatur dennoch zwischen 900 und 1.100 Grad Celsius liegt.

Hilfreiche Jugend

Dieser Umstand ist seinem geringen Alter zu verdanken und half enorm bei seiner Entdeckung: Während der ersten wenigen Millionen Jahre ihres Daseins strahlen Planeten im Wesentlichen die bei ihrer Entstehung freigesetzte Energie ab. Diese Strahlung liegt gemäß der Temperatur der Planeten in dieser frühen Entwicklungsphase im nahinfraroten Spektralbereich. Im vorliegenden Fall erfolgten die Beobachtungen bei ca. 1,6 und 2,2 Mikrometern.

Mit der fünf- bis acht-fachen Masse des Planeten Jupiter zählt YSES 2b zur Klasse der sogenannten "Weiten Gasriesen", von denen bis heute nur wenige bei jungen Sternen nachgewiesen werden konnten. YSES 2b ist dennoch einer der masseärmsten direkt abgebildeten Exoplaneten, die bisher gefunden wurden. Insbesondere besitzt der Exoplanet nur 0,5 Prozent der Masse seines Muttersterns und damit das bisher niedrigste Massenverhältnis eines direkt abgebildeten Exoplaneten im Orbit um einen sonnenähnlichen Stern.

Der sonnenähnliche Stern YSES 2 (Bildmitte), wurde für die Aufnahme hinter einer sogenannten Koronagraphenmaske versteckt. Dadurch trat der neu entdeckte Exoplanet YSES 2b (rechts unten) aus dem Licht seines Muttergestirns.
Foto: Markus Mugrauer/Uni Jena

Wie entstand YSES 2b?

Die Existenz dieser fremden Welt, bereitet den Forscher allerdings Kopfzerbrechen. In der Astrophysik werden heute vor allem zwei unterschiedliche Theorien der Planetenentstehung in großen Gas- und Staubscheiben um junge Sterne diskutiert: Beim sogenannten Kernwachstumsszenario bilden sich zunächst aus Staub- und Eispartikeln durch Verklumpungs- und Akkretionsprozesse kilometergroße Planetesimale, die dann durch nachfolgende Kollisionen zu immer massereicheren Körpern heranwachsen. Ihre Masse lässt sie allmählich auch umliegende Gas anziehen, wodurch schließlich Gasplaneten entstehen können.

Bei der anderen Theorie führt eine gravitative Instabilität der Gas- und Staubscheibe um einen jungen Stern selbst zur Planetenentstehung. In den Scheiben bilden sich dabei zunächst Verdichtungen von Gas- und Staubmassen, die durch ihre Eigengravitation dann weiter zu Planeten kontrahieren. YSES 2b kann aber mit keiner der beiden Theorien einwandfrei erklärt werden: Der Planet ist einerseits zu massearm, als dass er in seinem Abstand von 115 Astronomischen Einheiten zum Mutterstern durch gravitative Scheibeninstabilität entstanden sein könnte. Für das Kernwachstumsszenario ist er aber wiederum zu weit von seinem Mutterstern entfernt.

Das Very Large Telescope (VLT) der ESO steht auf 2.500 Metern Höhe in der Atacama-Wüste in Chile.
Foto: M. Claro/ESO

Suche nach weiteren Planeten im System

Folgebeobachtungen sind also nötig, um herauszufinden, wie der Entstehungsprozess dieses neu entdeckten Exoplaneten genau abgelaufen ist. Dafür sollen einerseits die Zusammensetzung seiner Atmosphäre durch spektroskopische Messungen analysiert und andererseits seine Umlaufbahn um den Mutterstern detailliert charakterisiert werden. Außerdem, so das Fazit der Autoren, bleibt zu prüfen, ob das System noch weitere Planeten besitzt, die ihn in geringerem Abstand umkreisen. Dazu seien bereits neue Beobachtungen mit SPHERE am Very Large Telescope der ESO geplant.

"Auch wenn zurzeit noch unklar ist, wie genau YSES 2b entstanden sein könnte, so sind wir doch zuversichtlich, dass neue Beobachtungen helfen werden, dieses Rätsel zu lösen", resümiert Studienleiter Alexander Bohn von der Universität Leiden (Niederlande). "Dadurch erhoffen wir uns neue Erkenntnisse über die Entstehung von Gasriesen, die auch für unser Sonnensystem relevant sein könnten." (tberg, red, 20.4.2021)