Hähne im Korb des "Seniorenclubs", dort, wo reife Publikumslieblinge verlässlich Aufnahme fanden: v. li. Ingrid Wendl, Rudolf Buczolich, Hilli Reschl, Willi Kralik.

Foto: ORF/Badzic

Kaum ein Tag vergeht, an dem unser ORF nicht einen von Tränen des Mitgefühls verschleierten "Seitenblick" in ein Künstlerzimmer wirft. Vor allen anderen sind es die Bewohner des Thespiskarrens, die Corona zur Untätigkeit verurteilt: unsere Schauspielerinnen und Schauspieler. Nicht jede Iphigenie, die im Geiste schon wieder Ovationen empfängt, denkt ausreichend phlegmatisch. Dabei müsste sie sich ihrer Lorbeeren auf die einzig zulässige Art erfreuen: einfach, indem sie sich auf ihnen ausruht.

Ich, ein kleiner, verschreckter Babyboomer in den Tagen der Reformära Kreisky, bemerkte von früh an das fanatische Interesse, das meine Mutter dem Wirken heimischer Publikumslieblinge entgegenbrachte. Mit manchen Vertretern der Schauspielzunft trieb sie nahezu Abgötterei. Begegneten wir, des Hundes wegen, auf unseren ausschweifenden Wanderungen durch das Hietzinger Cottage einem verdienten Veteranen des Heimatfilms – der Betreffende schien vor der Zeit verwittert und ging geschmerzt am Stock –, so zauberte das Wunder des unverhofften Zusammentreffens zartes Scharlach auf Mamas Wangen.

Riege der Förster und Wirten

Das Backfischhafte solcher Schwärmereien ging meiner Mutter nie verloren. Die prominenteren Vertreter aus der Riege der Förster und Rössl-Wirten glitten in den "Seniorenclub" hinüber, wo sie lauthals Schlagermelodien krähten oder die Kellnerin am Schürzenband zogen. Wieder andere entboten den Mädchen und Buben daheim ein schlüpfriges "Servas".

Eines Tages gestand mir Mama, dass sie in ihrer Jugend eine Ausbildung als Schauspielerin absolviert hätte. Ihre Augen füllten sich aus Anlass dieses Geständnisses mit Sehnsuchtstränen. Ein umschwärmter Kollege von damals nannte sich "Bobby". Der kurz gewachsene Mime amtierte als öffentlich-rechtliche Plaudertasche. Er verzückte im ORF die Kleinsten mit Zauberkunststücken. Anstatt Tonfilme mit Elizabeth Taylor oder Gina Lollobrigida zu drehen, brachte er jetzt einem Stoffhund namens "Strolchi" das Apportieren bei.

Zur Ehrenrettung des Magiers sei festgehalten: Auch meine Mutter hat nicht Richard Burton geheiratet, sondern meinen Vater. (Ronald Pohl, 21.4.2021)