Kaffee besitzt eine ganz charakteristische Mischung aus Aromastoffen. Der Beitrag des Geruchs zum Essen und Trinken ist kaum zu überschätzen.

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Der Geruch von Kaffee ist eine wilde Mischung, an der eine sehr große Anzahl verschiedener Aromastoffe beteiligt ist. Das ist aber längst nicht bei allen Nahrungsmitteln so. Bei manchen ist schon ein chemischer Stoff ausreichend, um das Lebensmittel identifizieren zu können – etwa bei Butter, Gurke, Kartoffelchips oder Himbeere.

Durch das Verarbeiten und Erhitzen werden die Aromastoffe der rohen Lebensmittel verändert, kombiniert und freigesetzt. Vom menschlichen Geruchssinn werden diese Aromastoffmischungen als Einheit wahrgenommen, die einzelnen Komponenten sind nicht mehr identifizierbar.

Unverwechselbare Kombination

Der Kuchen riecht nach Kuchen, nicht nach Zucker, Mehl und Ei. Die Kombination der Aromastoffe ist bei keinem Kochvorgang exakt gleich, dennoch schafft es der menschliche Geruchssinn aber, eine Kategorie für den Geruch eines Gerichts zu schaffen und ihn wiederzuerkennen.

Internationale Studien zeigen, dass Essen und Trinken, aber auch die – von Vorfreude geprägte – Zubereitung von Mahlzeiten einen wesentlichen Beitrag zum Lebensglück leisten. Nur Sex ist im Ranking weiter vorne. Der Beitrag des Geruchs zu der sinnlichen Essenserfahrung ist dabei kaum zu überschätzen. Denn dieser Beitrag geht weit über das – sogenannte orthonasale oder antizipatorische – Riechen von Kaffee oder Schokoladentorte, bevor man sich diese einverleibt, hinaus.

Retronasales Riechen

"Wenn man das Essen in den Mund nimmt, kommen vielfältige Wahrnehmungen zusammen. Neben gustatorischen und mechanischen Aspekten ist das sogenannte konsumatorische oder retronasale Riechen sehr wichtig", sagt Klaus Dürrschmid, Leiter des Labors für Sensorik und Konsumentenwissenschaften des Instituts für Lebensmittelwissenschaften der Uni für Bodenkultur Wien. In seinem Buch "Zungenbekenntnisse" (Brandstätter, 2020) widmet er sich auch dem Beitrag, den der Geruchssinn beim Essen leistet.

Das retronasale Riechen ist das "Riechen von hinten": Essen wird im Mund zerkaut, zerdrückt, je nach Temperatur erwärmt oder gekühlt. Die Duftstoffe, die bei diesem "oralen Prozessieren" im Rachenraum frei werden, sowie jene, die nach dem Schlucken über den Rachenraum wieder in die Nasenhöhle aufsteigen, gelangen – genauso wie jene Gerüche, die von außen kommen – zum Riechepithel, wo sie identifiziert werden.

Wesentliche Geschmackskomponente

"Die Wahrnehmung der gasförmigen Substanzen durch das retronasale Riechen machen im Wesentlichen den Geschmack des Essens aus", erklärt Dürrschmid. "Nur damit sind wir überhaupt in der Lage zu erkennen, was wir im Mund haben."

Wäre man nur auf die Geschmacksknospen auf der Zunge angewiesen, würde es traurig aussehen mit dem Geschmack des Essens. Kaffee wäre nicht viel mehr als eine bittere Flüssigkeit. "Man kann das auch selbst ausprobieren, indem man sich beim Essen die Nase zuhält und damit die Wahrnehmung der Aromastoffe behindert", sagt Dürrschmid.

Durch Mundbewegungen, die die Oberfläche von Nahrung oder Flüssigkeit im Mund vergrößern, sowie durch häufiges Schlucken kann das retronasale Riechen dagegen verstärkt werden. Obwohl diese Art der Wahrnehmung Ergebnis eines Geruchsvorgangs ist, wird das Ergebnis dennoch als Geschmack im Mundraum verortet – eine Illusion, die durch die gemeinsame Auswertung der Sinnesinformationen im Gehirn entsteht.

Lebensmitteldesign

Bei Lebensmittelprodukten, sei es Fruchtjoghurt oder Fertigpizza, überlegen sich die Entwickler deshalb auch genau, welche Geschmacksmerkmale man dem Gericht mitgibt. Die Gestaltung der Sensorik bedarf guter Beschreibungen durch geschulte Testpersonen, aber auch Verkostungen durch die intendierte Zielgruppe. Interessant ist, dass früher eher mittels sehr vordergründiger, einfacher Aromen auf eine spontane Beliebtheit abgezielt wurde, während man heute eher auf komplexere sensorische Profile setzt, die auch langfristig eine bessere Akzeptanz erreichen.

Eine Schwierigkeit beim Austausch über Aromen ist die Frage, wie man überhaupt sicher sein kann, dass man von derselben Geschmacksnuance spricht. "Seit langer Zeit versucht man, Geruchskategorien oder Grundgerüche zu finden. In gewisser Weise scheitern aber all diese Klassenbildungen", sagt Dürrschmid. Was für die Sensorikprofis verschiedenster Bereiche aber sehr hilfreich ist, sind sogenannte Aromaräder, die relevante Gerüche analytisch beschreiben.

Sie gibt es nicht nur für Wein, wo die Beschreibungssprache eine weite Verbreitung findet, sondern auch für Bier, Brot, Käse und viele andere Produkte. "Die Weinsprache war eine der ersten Entwicklungen in diesem Bereich. Publikationen dazu erschienen in Kalifornien bereits vor 40 Jahren", sagt Dürrschmid. Eine derartige Beschreibung zu entwickeln gilt als mühsam. Die Welt der Gerüche entzieht sich auf eigenartige Weise einer sprachlichen Erfassung.

Vanille macht das Essen besser

Neben dem Beitrag des Riechens zum bewussten Schmecken haben Nahrungsmittelgerüche durchaus auch unbewussten Einfluss auf unser Verhalten. Studien zeigten etwa, dass in einem Speiseraum, in dem Vanillegeruch unter der bewussten Wahrnehmungsschwelle verströmt wurde, das konsumierte Essen besser beurteilt wurde.

Pfeffergeruch sorgte für vermehrten Getränkekonsum, Zitrone erhöhte die Konzentrationsfähigkeit. Obwohl all diese Zuschreibungen kulturell konstruiert und keineswegs genetisch im Menschen verankert sind, gibt es global weitgehende Übereinstimmungen, ergeben Untersuchungen. "Abweichungen gibt es beispielsweise in Australien. Nur dort wird Minze stark mit der Kindheit assoziiert – der Grund dafür ist unbekannt", erklärt Dürrschmid.

Körperliche Auswirkungen

Der Wissenschafter widmet sich in aktuellen Studien einem besonderen Bereich: den körperlichen Auswirkungen von Gerüchen. "Mit den Emotionen, die Gerüche auslösen, treten auch physiologische Reaktionen auf. Wir untersuchen etwa Hautleitfähigkeit, Parameter des Herz-Kreislauf-Systems oder Pupillendilatation", sagt Dürrschmid.

"Das ist deshalb sehr interessant, weil diese Faktoren nicht willentlich manipulierbar sind." Dazu kommen Daten des Gehirns, etwa aus EEG-Untersuchungen. Dürrschmid: "So kann man direkt in die Entstehung der gesamten Reaktionskette, die von Gerüchen ausgelöst wird, blicken." (Alois Pumhösel, 21.4.2021)