In ihrem Gastkommentar zerlegen die beiden Ökonomen Monika Köppl-Turyna und Hannes Winner den Vorschlag einer globalen Mindeststeuer.

In einer Marktwirtschaft sollten für alle Akteure dieselben Spielregeln gelten. Dies garantiert einen fairen Wettbewerb, von dem Konsumenten und Produzenten gleichermaßen profitieren. In der Tat belegt eine umfangreiche empirische Evidenz, dass multinationale Unternehmen weniger an Steuern bezahlen als vergleichbare national tätige Unternehmen. Dies liegt vor allem an ihrer Fähigkeit, Gewinne in Niedrigsteuerländer oder gar Steueroasen zu verschieben. Gerade die Industrieländer sehen sich dadurch unter Druck, ihre Steuern immer weiter zu senken. Die globale Mindeststeuer von 21 Prozent, wie sie US-Finanzministerin Janet Yellen angedacht hat, soll diesem Spiel ein Ende bereiten.

Irland ist ein Paradies für Konzerne wie beispielsweise Apple, um Steuern zu sparen. Wie lange aber noch?
Foto: AFP / Paul Faith

Ist der US-amerikanische Vorstoß also ein uneigennütziger Akt der Steuerfairness? Wohl kaum. Die Regierung von Joe Biden plant gerade ein Infrastrukturprogramm, das unter anderem durch eine Erhöhung der Körperschaftsteuer von derzeit 21 auf 28 Prozent finanziert werden soll. Diese Pläne würden die USA zu einem Hochsteuerland machen und gleichzeitig die Sorge schüren, Unternehmensabwanderungen in das geringere besteuerte Ausland zu provozieren. Unterstützt wird der Vorschlag von Deutschland und Frankreich, die ebenfalls als Hochsteuerländer gelten.

Auch wenn der Steuersatz gerade für Schlagzeilen sorgt, sollte nicht übersehen werden, dass jede Steuer eine Bemessungsgrundlage hat, welche die Steuerbasis (den Gewinn) und damit die effektive Steuerbelastung eines Unternehmens determiniert. Ein Mindeststeuersatz ohne Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage wäre daher zahnlos und bestenfalls ein politisches Signal im Kampf gegen die internationale Steuerflucht.

Eine Harmonisierung der Bemessungsgrundlage wäre aber wirtschaftspolitisch nicht unbedenklich. So enthalten die nationalen Steuergesetze eine Vielzahl von Regelungen, die explizit darauf abzielen, individuell gewünschte Investitionen und Innovation zu fördern. Man denke an Investitions- und Forschungsfreibeträge oder steuerliche Anreize zur Reinvestition von Gewinnen.

Anpassungen der Bemessungsgrundlage ermöglichen es zudem, flexibel auf die wirtschaftspolitischen Erfordernisse eines Landes zu reagieren. Ein Beispiel liefern Verlustrückträge, die es gestatten, Verluste mit Gewinnen vergangener Jahre gegenzurechnen. Österreich und viele andere Länder greifen im Zuge der Corona-Krise zeitlich befristet darauf zurück, um die Liquidität von an sich gesunden Unternehmen aufrechtzuerhalten. Eine vereinheitlichte Bemessungsgrundlage würde diese Möglichkeiten reduzieren und konjunkturpolitisch wohl eher kontraproduktiv wirken. Ob sich die internationale Staatenwelt auf einheitliche Bemessungsgrundlage einigen kann, mag daher bezweifelt werden.

Kampf gegen Steuerflucht

Gewinnverschiebungen von multinationalen Unternehmen sind heutzutage ein einträgliches Geschäft, Briefkastenfirmen in Steueroasen stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. Sie verletzen die Spielregeln des Marktes und provozieren damit gesellschaftliche Verluste. Der Kampf gegen die Steuerflucht, dem sich internationale Organisationen von der EU bis zur OECD verschrieben haben, ist daher uneingeschränkt zu begrüßen.

Der Erfolg einer globalen Mindeststeuer wird maßgeblich davon abhängen, ob es gelingt, Niedrigsteuerländer und Steueroasen zum Einlenken zu bewegen. Aber ist sie das effizienteste Mittel zur Unterbindung des schädlichen Steuerwettbewerbs? An dieser Stelle ist die Feststellung wichtig, dass nicht jeder Steuerwettbewerb schädlich ist.

Er kann auch fair sein, solange um reale Wirtschaftsaktivität konkurriert wird. Gerade kleinere Staaten und oft auch Schwellen- und Entwicklungsländer haben eigene Vorstellungen über die Bereitstellung von öffentlichen Gütern (leisten sich zum Beispiel kein teures Militär) oder produzieren diese schlichtweg effizienter. Dies versetzt sie in die Lage, geringere Steuern zu erheben und andere Nachteile im globalen Standortwettbewerb auszugleichen. Eine Mindeststeuer würde nicht nur deren Steuerautonomie, sondern letztlich auch deren wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten beschränken.

Fair oder unfair?

Die Trennlinie zwischen fairem und unfairem Steuerwettbewerb hängt wesentlich mit der internationalen Aufteilung von Besteuerungsrechten zusammen. Unternehmen werden gewöhnlich in dem Land besteuert, in dem sie rechtlich ansässig sind. Daraus entstehen Anreize, den Firmensitz in Niedrigsteuerländer zu verlegen. Technologieunternehmen, deren Vermögenswerte immateriell und damit leicht verschiebbar sind, profitieren in besonderem Maße davon.

Ein globaler Mindeststeuersatz würde sie hingegen dazu verpflichten, die Differenz zwischen dem lokalen Steuersatz und dem Mindestsatz an die Länder zu zahlen, in denen sie ihren Hauptsitz haben. Die Proponenten des Vorschlags würden davon zweifellos profitieren. Eine Alternative würde darin bestehen, die Besteuerungsrechte stärker an Wirtschaftsaktivitäten wie Produktion oder Konsum zu knüpfen. Damit bliebe die Steuerautonomie unangetastet, der faire Wettbewerb erhalten und auch garantiert, dass jedes Land seinen fairen Anteil an der internationalen Wertschöpfung erhält. (Monika Köppl-Turyna, Hannes Winner, 21.4.2021)