Um kurz vor ein Uhr nachts hat am Dienstag im Osten Österreichs die Erde gewackelt. Um 0.57 Uhr registrierte die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) im südlichen Wiener Becken in Niederösterreich ein Beben der Magnitude 4,4. Das Epizentrum lag vier Kilometer nordöstlich von Neunkirchen in einer der aktivsten Erdbebenzonen Österreichs. Bis 9.15 Uhr wurden mehr als 20 Nachbeben aufgezeichnet.

Neunkirchen liegt in einer der aktivsten Erdbebenzonen Österreichs.
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Ungewöhnlich heftig wurde das Erdbeben in der Nacht von Montag auf Dienstag auch in Wien wahrgenommen, wo Bewohnerinnen und Bewohner fast aller Bezirke von zitternden Möbeln und Lampen oder gar Mauern berichteten. Aber auch in Salzburg und im Burgenland war das Beben zu spüren. "Das war sicher kein Erdbeben, das jeder schon einmal erlebt hat", sagt die Seismologin Maria-Theresia Apoloner.

Drittes Beben heuer

Auch wenn es gerade dieses Jahr schon das dritte relativ stark Spürbare war. Im Jänner war ein Erdbeben in Zagreb bis weit nach Österreich wahrnehmbar, und erst am 30. März trat ein "ähnliche starkes am selben Ort, in der Gegend um Neunkirchen, auf". Dass ähnlich starke Erdstöße im Wiener Becken mehrmals hintereinander auftreten, ist normal. "In den nächsten Wochen kann es noch öfter zu kleineren Erdbeben in dieser Gegend kommen, die man bis nach Wien spürt", sagt Apoloner, dann dürfte aber auch wieder eine Zeit Ruhe herrschen. Starke Beben, die wohl an derselben Bruchstelle auftraten, gab es etwa 2000 in Ebreichsdorf. Sie hatten eine Magnitude von bis zu 4,8 und waren auch teils in Wien spürbar.

Ob man auf, in der Nähe oder weit weg von Bruchstellen ist, hat eine Auswirkung darauf, wie stark man ein Beben wahrnehmen kann. Es kann sein, dass Bewohnerinnen und Bewohner einer Stadt Beben sehr unterschiedlich wahrnehmen. "Zwei Häuser können nebeneinanderstehen, und in einem spürt man es und im anderen nicht", erklärt Apoloner. Zudem sei es natürlich ein Unterschied, ob man gerade ruhig im Bett liege oder auf der Straße eine Bim an einem vorbeifahre.

Alte Häuser gefährdet

Prinzipiell seien alte Ziegelbauten oder gar Steinhäuser gefährdeter als ein mit Stahl verstrebter Neubau, sagt Apoloner: "Bei den Stärken, mit denen wir es hier in Österreich zu tun haben, kommt es aber meist nur zu Verputzrissen."

Auch wenn neue Gebäude mittlerweile erdbebensicher gebaut werden, gebe es nach wie vor viele ältere, die noch keine entsprechenden baulichen Vorgaben erfüllten, heißt es vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV): 23 Prozent der Häuser in Österreich seien nicht nach den heute entsprechenden bundesländerspezifischen Vorgaben gebaut und daher eher gefährdet, im Fall von Erdbeben Schäden zu erleiden.

Strengere Vorgaben gelten in der EU natürlich für Brücken oder Atomkraftwerke. Ausgerechnet im slowenischen Krško, wo 100 Kilometer von Österreich entfernt ein 40 Jahre altes AKW steht, entdeckte man erst 2016 eine neue Erbebenlinie. Montagnacht war es aber glücklicherweise nicht betroffen.

Österreich nicht vorbereitet

Eine repräsentative Umfrage mit 1000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern des KFV zeigte zuletzt, dass 98 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher Erdbeben nicht als relevante Gefahr ansehen. Geografisch gesehen sind das Wiener Becken, das Mur- und Mürztal, das Inntal, das Rheintal sowie das Semmeringgebiet besonders gefährdet. Doch vorbereitet sind wenige: Nur etwa jede oder jeder Dritte gibt an, für ein Erdbeben bereit zu sein. "Viele Menschen erschrecken bei deutlich spürbaren Erdbeben verständlicherweise und laufen aus Panik aus dem Haus", sagt Armin Kaltenegger vom KFV. Genau das sollte man aber nicht tun: Dabei besteht die Gefahr, von herabfallenden Gegenständen getroffen zu werden. Viel eher sollte man unter einem Türstock Schutz suchen.

Apoloner rät auch, nicht aus dem Haus zu stürmen, was bei den leichten Erdbeben in Österreich die überschaubare Gefahr nur vergrößere. Ihr Tipp: "Ruhe bewahren." (Oona Kroisleitner, Colette M. Schmidt, 20.4.2021)