Neid ist eine zutiefst menschliche Emotion. Sie ist unangenehm und drängend, wer neidisch ist, gibt das ungern zu. Doch gerade deshalb, weil Neid oft im Verborgenen blüht, hat dieses Gefühl, zu kurz gekommen zu sein, ein beachtliches gesellschaftliches Störpotenzial.

Nun ist die in Österreich geltende Corona-Impfordnung schwer geeignet, Neid auszulösen. Ihre Regeln sind strikt, der Antrieb, sie zu brechen, stark. Immerhin geht es bei der Frage, ob man bis auf weiteres gegen Covid-19 geschützt ist oder nicht, um eine Sache von Krankheit oder Gesundheit, im Extremfall von Leben oder Tod.

Menschen wollen geimpft werden, Schluss, aus!
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Hinzu kommen die Schwächen des Systems. Die föderale Organisation des heimischen Gesundheitswesens und dessen mangelnde Digitalisierung übertragen die Letztverantwortung für den Entschluss, einen Menschen, der laut Priorisierungsregeln noch nicht an der Reihe ist, geimpft zu werden, zu impfen, in vielen Fällen den niedergelassenen Ärzten. Das kann zu Gemauschel führen – und facht die Gerüchteküche über Gefälligkeitsimpfungen ganz sicher an.

Priorisierungsregeln

Doch es hat nicht nur Nachteile: Wer, wenn nicht der Arzt oder die Ärztin vor Ort, kennt die Lebensumstände der Menschen, weiß, welche Großeltern unter 65 Jahren ihre Enkel bei sich wohnen haben und seit nunmehr einem Jahr vor einer aus der Schule heimgebrachten Infektion zittern? Ihnen eine Impfrestdosis zu gewähren ist eine soziale Tat.

Hier erhebt der Simulationsforscher und Prognostiker Nikolas Popper Einspruch. Die strikten Priorisierungsregeln, die Ältere und Vorerkrankte vor anderen Bürgerinnen und Bürgern zur Corona-Impfung berechtigen, haben Sinn, betont er. Tatsächlich ermöglichen sie es besser als andere Impfstrategien, die Zahl schwer Erkrankter einzudämmen, was im Interesse aller ist. Je geringer die Spitalsaufnahmen und Intensivstationsbelegungen, umso rascher können die Einschränkungen des Lockdowns zumindest teilweise aufgehoben werden, diese Extremeinschränkungen des sozialen Lebens.

Dieser Argumentation zu folgen verlangt vielen Menschen eine Geduld ab, die sie nach 13 Monaten Pandemie nicht mehr haben. Sie wollen geimpft werden, Schluss, aus! Das ist verständlich und heizt die Emotionen an. Es ist, als würde uns der hintertückische Erreger – in Verbund mit Liefer- und Verteilungsschwierigkeiten bei den Vazkinen – bis zu allerletzt vor Zumutungen stellen; auch jetzt, wo eine Chance besteht, dass es bald besser wird. (Irene Brickner, 21.4.2021)