Sechs Vereine aus England sind mit von der Partie: Arsenal, Chelsea, Liverpool, Manchester City, Manchester United und Tottenham. Dazu gesellen sich Real Madrid, FC Barcelona, Atletico Madrid, Juventus, Inter und AC Milan.

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Hinweis: Dieser Artikel wurde um 23.05 und 0.56 Uhr mit den aktuellsten Entwicklungen überarbeitet.

Seit der Nacht auf Montag steht die Welt des Fußballs kopf. Die Ankündigung von zwölf Klubs aus England, Spanien und Italien, eine selbstständige Super League zu gründen, wirft viele Fragen auf. Einige lassen sich beantworten.

Frage: Schauen wir in fünf Jahren also alle Super League?

Antwort: Die Wahrscheinlichkeit dafür ist drastisch gesunken, denn am Dienstagabend überschlugen sich die Ereignisse: Zuerst stieg Manchester City nach Fanprotesten aus der Super League aus. Um Mitternacht verkündeten Liverpool, Arsenal, Manchester United und Tottenham ihren Rückzug. Laut übereinstimmenden Medienberichten sollten Chelsea und Atletico Madrid folgen. Auch der FC Barcelona wackelte angeblich. Vereinspräsident Joan Laporta kündigte an, die Fans über eine Teilnahme an der Super League abstimmen zu lassen. Geschäftsführer Ed Woodward wird Manchester United per Jahresende verlassen, auch Juventus-Boss Andrea Agnelli stand angeblich vor der Ablöse. Das Konstrukt dürfte also ganz flott wieder in sich zusammenbrechen. Ansonsten stünden jedenfalls juristische Scharmützel bevor. Sportmarketing-Experte Dennis Trautwein sah schon zuvor nicht mehr als einen "strategischen Move", um in der Champions League "einen größeren Teil des Kuchens" abzubekommen.

Frage: Warum das alles?

Antwort: "Wir machen das, um den Fußball zu retten, der sich in einer kritischen Situation befindet", sagte Florentino Pérez im spanischen Fernsehen. Der 74-jährige Präsident von Real Madrid und Vorstandsvorsitzender der Super League sprach die großen Verluste durch die Corona-Pandemie an – die Klubs würden nun dringend Geld brauchen, und ein Bewerb wie die Super League sei ohnehin die Zukunft. Die vorgestern abgesegnete Champions-League-Reform ab 2024 käme für Pérez zu spät: "2024 sind wir alle tot."

Frage: Ist es um Europas Topklubs wirklich so schlimm bestellt?

Antwort: Vor allem die spanischen Topklubs FC Barcelona und Real Madrid sind hochverschuldet, Barça soll Verbindlichkeiten über 1,3 Milliarden Euro haben. Sie waren aber schon in Schieflage, als Corona noch eine Randnotiz aus Wuhan war. Natürlich traf die Pandemie alle Klubs, die englische Premier League kalkuliert mit einem Gesamtverlust von zwei Milliarden Pfund. Manchester United verbuchte im letzten Quartal 2020 bereits wieder einen Gewinn.

Frage: Könnte die Uefa Spieler der zwölf Klubs, etwa Cristiano Ronaldo oder Toni Kroos, von der EM im Juni aussperren und die Nationalteams somit massiv schwächen?

Antwort: Nein, diese Drohungen waren und sind ein großer Bluff, zumindest nach Meinung von Juristen. "Rein juristisch betrachtet, hat die Uefa keine Chance, ihre Drohungen durchzusetzen", sagt die Professorin Anne Jakob. Die deutsche Fachanwältin für Sportrecht ist sich wie andere Kollegen sicher: "Die europäischen Gerichte würden einen Ausschluss für unwirksam erklären." Der Grund sei recht einfach: "Weil es dem europäischen Kartell- und Wettbewerbsrecht widerspricht."

Frage: Hätten Uefa und Fifa juristisch sonst etwas ausrichten können?

Antwort: Aus Uefa-Kreisen hörte man von langen Notfallmeetings mit hochkarätigen Juristen. Man kann annehmen, dass die Uefa viel versucht und auch teure Rückschläge vor Gericht riskiert hätte. Aber auch hier gilt, was für einen EM-Ausschluss gilt: Das europäische Wettbewerbsrecht gibt das Verbot einer Konkurrenzveranstaltung kaum her.

Frage: Die Liga wollte die zwölf Gründungsmitglieder um weitere drei Klubs aufstocken. Wer wäre da in Frage gekommen?

Antwort: Geplant waren offenbar Bayern, Dortmund und Paris Saint-Germain. Das Trio wollte nichts von einer Teilnahme wissen. Bei einer Akzeptanz der Super League hätten sie allerdings riskiert, finanziell abgehängt zu werden.

Frage: Warum sagten die Deutschen ab?

Antwort: Die Eigentümerstruktur ist in Deutschland durch die sogenannte 50+1-Regel grundsätzlich anders als in England – kein Investor darf eine Mehrheit in einem Klub übernehmen. Die Klubs haben deutlich fanfreundlichere Ticketpreise, als auf der Insel üblich ist. "Wir sind nicht dabei, weil wir kein Teil davon sein wollen", sagte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge. Er ließ sich gestern ins Exekutivkomitee der Uefa wählen – ein weiteres Zeichen der Loyalität zum Kontinentalverband.

Frage: Wie reagierten eigentlich die Spieler?

Antwort: Die Profis hielte sich auffällig zurück, nur wenige wagten sich aus der Deckung. Sie stehen aber auch in einem kniffligen Zwiespalt. Einerseits wollen die Spieler natürlich an Welt- und Europameisterschaften teilnehmen, andererseits auch ihrem Verein nicht in den Rücken fallen. Von den Gründerklubs tat als erster Spieler James Milner vom FC Liverpool seine Meinung kund. "Ich mag es kein bisschen und hoffe, dass es nicht passiert", sagte der Mittelfeldspieler. Erst spätabends, als das Scheitern des Projektes schon offensichtlich wurde, veröffentlichten andere Liverpool-Kicker einheitliche ablehnende Statements. Der deutsche Nationalspieler Robin Gosens sieht es als "riesige Katastrophe für den Fußball" und würde sich gar an Protesten beteiligen.

Frage: Ist das Band zwischen dem "Dreckigen Dutzend" und dem Rest zerschnitten?

Antwort: Nein. "Es ist nicht zu spät, die Meinung zu ändern, jeder macht Fehler", sagte Uefa-Präsident Aleksander Ceferin gestern. Auch Bayern-Boss Rummenigge war für einen Dialog: "Meine Hoffnung ist, dass wir noch eine Lösung finden." Im englischen Fußball gab es 1992 durch die Neugründung der Premier League eine emotionale Spaltung – und Klubs, die einander damals spinnefeind waren, sitzen jetzt nebeneinander an den Geldtöpfen der Liga.

Frage: Was hat die Politik gemacht?

Antwort: Sie war dagegen. Boris Johnson, der britische Premierminister, zeigte sich "entsetzt". An die Fans gewandt, sagte er: "Das ist euer Spiel – und ihr könnt versichert sein, dass ich alles dafür tun werde, um diesem irrsinnigen Plan die rote Karte zu zeigen." Der italienische Premier Mario Draghi sagte: "Italiens Regierung unterstützt mit Entschlossenheit die Position der italienischen und europäischen Fußballbehörden, um die nationalen Wettbewerbe, leistungsorientierte Werte und die soziale Funktion des Sports zu erhalten."

Frage: Was wäre mit dem Frauenfußball?

Antwort: Nach dem Start der Super League soll ein analoger Bewerb für Frauenteams folgen. Dass das in der großen Aussendung zur Ligagründung eine Randnotiz war, lässt Rückschlüsse auf die Priorität zu. Die Ex-Weltfußballerin Nadine Keßler, nun bei der Uefa für den Frauenfußball verantwortlich, macht sich Sorgen. Das derzeitige System finanziere "von der Graswurzel bis zur Elite" alles, auch den Frauenfußball. "Das sind lebenswichtige Finanzströme, von denen diese Teile des Spiels, unser Spiel, abhängen."

Frage: Was sagt eigentlich Prinz William?

Antwort: William, er ist nicht nur Prinz, sondern auch Präsident des englischen Fußballverbandes FA, hat sich tief besorgt über die Abspaltung gezeigt. "Jetzt müssen wir mehr denn je die gesamte Fußballgemeinschaft und die Werte von Wettbewerb und Fairness in ihrem Kern schützen", schrieb er auf Twitter. (Christian Hackl, Martin Schauhuber, 20.4.2021)

Die zwölf Vereine, die sich als Retter des Fußballs sahen:

FC Liverpool: Ein amerikanischer Traum

Gegründet 1892 vom Brauereibesitzer John Holding, 2007 von den amerikanischen Geschäftsmännern George Gillett und Tom Hicks für umgerechnet gut 700 Millionen Euro gekauft. 2010 Weiterverkauf an New England Sports Ventures, heute Fenway Sports Group (FSG). Dem Konsortium gehört neben dem Verein auch der Baseballklub Boston Red Sox. 2020 krönte sich Liverpool zum ersten Mal seit 1990 wieder zum englischen Meister. Der Jahresumsatz der Reds betrug zuletzt mehr als 600 Millionen Euro.

FC Barcelona: Mit Schulden an der Spitze

Der Schweizer Joan Gamper gründete 1899 den Football Club Barcelona. Noch heute ist man als gemeinnütziger Verein organisiert. Im Dezember 2010 unterschrieb Barcelona erstmals einen Trikotsponsorenvertrag, Qatar Sports Investment brachte in den ersten zweieinhalb Jahren rund 75 Millionen Euro ein. Trotz einer Schuldenlast von über einer Milliarde Dollar ist Barcelona laut Forbes der wertvollste Fußball-Klub der Welt ab. 2019/20 betrug der Umsatz rund 855 Millionen Euro, 1,058 Milliarden waren prognostiziert.

Manchester United: Einst Eisenbahner, nun Konzern

Gegründet von Eisenbahnarbeitern als Newton Heath L and Y Railway Football Club (ab 1878), ist Manchester United (seit 1902) inzwischen ein weltweit operierender Konzern. Ein Übernahmeversuch von Rupert Murdoch wurde 1999 abgewehrt. 2003 übernahm der US-Unternehmer Malcolm Glazer ManUnited, er übertrug den Klub vor seinem Tod 2014 an seine sechs Kinder. Die Glazers besitzen auch den Super-Bowl-Champion Tampa Bay Buccaneers. Uniteds Umsatz lag zuletzt knapp unter 600 Millionen Euro.

Real Madrid: Königliche Hinterhöfe

Ende des 19. Jahrhunderts organisierte sich in Madrid eine Gruppe von Spielern unter dem Namen Madrid Foot Ball Club mit Spielen auf Wiesen und Hinterhöfen. 1902 wurde der Verein offiziell gegründet. Ab 2000 führte Präsident Florentino Pérez Real aus der wirtschaftlichen Krise, unter anderem durch den Verkauf des ehemaligen Vereinsgeländes an Privatunternehmen. 2005 waren die Madrilenen erstmals der weltweit umsatzstärkste Klub. 2020 wurde der Gesamtumsatz auf 681,2 Millionen Euro beziffert.

Manchester City: Arabischer Frühling

Gegründet 1880 als West Gordon Saint Marks, 1894 umbenannt in Manchester City FC. Die Citizens gehören seit 2008 der City Football Group, an der zunächst zu 86,21 Prozent die Abu Dhabi United Group and Development (ADUG), also das Königshaus der Emirate, sowie zu 13,79 Prozent die China Media Capital Football Holdings (CMC) beteiligt waren. 2019 erwarb die US-Beteiligungsgesellschaft Silver Lake Partners zehn Prozent, ADUG hält noch 78 Prozent, CMC zwölf Prozent. Der Umsatz lag zuletzt bei 549 Millionen Euro.

Atletico Madrid: Familiäre Athletiker

Atletico ging 1903 als Abspaltung aus dem Verein Athletic de Bilbao hervor, heute ist er wie die meisten spanischen Erstligisten eine Sport-AG (Sociedad Anonima Deportiva). Sportmanager Miguel Angel Gil Marin hält etwas mehr als die Hälfte der Anteile, er ist der Sohn des verstorbenen Ex-Präsidenten Jesús Gil. Jeweils rund 20 Prozent liegen beim derzeitigen Präsidenten und Filmunternehmer Enrique Cerezo und dem chinesischen Unternehmen Wanda Madrid Investment. Der Umsatz lag 2020 bei rund 332 Millionen Euro.

Arsenal: Wertvolle Rüstungen

Gegründet 1886 als Dial Square (Werkstattname) von Rüstungsarbeitern des "Royal Arsenal" im Südosten Londons – daher Gunners genant. Ab 1914 The Arsenal. 2007 übernahm der US-Milliardär Stan Kroenke erste Anteile, seit 2013 ist er Mehrheitseigentümer. Kroenke ist Mitbesitzer der NFL-Franchise Los Angeles Rams, ihm gehören auch noch die Colorado Avalanche (NHL) und die Basketballer der Denver Nuggets. Laut Forbes ist Arsenal mit 2,8 Milliarden Euro die Nummer acht der weltweit wertvollsten Fußball-Klubs.

Juventus Turin: Der neue Weg der alten Dame

1897 von 13 Studenten eines Turiner Gymnasiums gegründet, avancierte Juve oder "die alte Dame" in den 1930er-Jahren zum Serienmeister. Manipulationsskandal und Zwangsabstieg warfen die Turiner 2006 finanziell zurück. Heute liegt man bei einem Wert von rund 1,42 Milliarden US-Dollar. Die niederländische Investmentgesellschaft Exor besitzt fast zwei Drittel der Anteile. Die Schulden belaufen sich auf 357,8 Millionen Euro. In der Spielzeit 2019/20 lag der Umsatz bei geschätzten 398 Millionen Euro.

Chelsea: Russischer Pionier in London

Gegründet 1905 von Brüdern, sind The Blues ein Vorreiter der Investoren-Klubs: Der russische Milliardär Roman Abramowitsch kaufte den Londoner Verein 2003 und schob ihn Richtung nationaler und internationaler Spitze. Der Oligarch hat weit mehr als eine Milliarde Euro in den Verein gepumpt, zuckte 2018 auch wegen politischer Verwicklungen beim Bau eines neuen Stadions aber zurück. Gerüchte über einen Verkauf an Ineos-Chef Sir Jim Ratcliffe konkretisierten sich nicht. Umsatz zuletzt: knapp unter 500 Millionen Euro.

Tottenham: Die Schule der Bahamas

Gegründet 1882 von ein paar Schuljungen als Hotspur Football Club. Im Februar 2001 übernahmen der Milliardär Joe Lewis und sein Partner Daniel Levy mit einer auf den Bahamas registrierten Tochterfirma, ihrer Investmentfirma ENIC International Ltd., die Mehrheit an den Spurs. Mittlerweile besitzen sie 85 Prozent der Anteile, der Rest befindet sich in Streubesitz. 2019 zog der Klub von der White Hart Lane ins Hotspur Stadium (Gesamtkosten inkl. Büro- und Wohngebäude ca. 1,4 Milliarden Euro). Der Umsatz betrug zuletzt 446 Millionen Euro.

AC Milan: Silvio, China und US-Investment

Der 1899 als Mailänder Arbeiterverein gegründete Klub ist längst ein italienisches Fußballunternehmen. 1986 übernahm der italienische Unternehmer und spätere Ministerpräsident Silvio Berlusconi mit seiner Holding Fininvest die Aktienmehrheit und fungierte bis 2004 als Präsident. Im August 2016 verkaufte Fininvest sämtliche Anteile an eine chinesische Investorengruppe. Zwei Jahre später übernahm dann eine US-amerikanische Investmentgesellschaft die Mehrheit. Ende 2019 betrug der Umsatz des Unternehmens rund 241 Millionen Euro.

Inter Mailand: Internationales Mailand

Der FC Internazionale Milano wurde 1908 von Mitgliedern des Milan Cricket and Football Club, des heutigen Stadtrivalen AC Mailand, gegründet. Von 1995 bis 2013 war Großunternehmer Massimo Moratti Haupteigentümer und Präsident, dann übernahm der indonesische Geschäftsmann Erick Thohir die Mehrheit. Drei Jahre später sicherte sich der chinesische Konzern Suning Commerce 69 Prozent der Anteile. 2019/20 schloss Inter mit Verlusten von 102 Millionen Euro ab. Der Umsatz betrug rund 292 Mio. Euro. (hag, sid, 20.4.2021)