Sie wollen in "Feed the Troll" das Internet zurückerobern: Anna-Eva Köck und Sonja Kreibich (v. li.).

Foto: Apollonia T. Bitzan

Tausend Mal addiert, tausend Mal ist nix passiert. – So fasst der Verein für gewagte Bühnenformen die Geschichte des Internets in einem Satz zusammen. In einem überstrapazierten und aufgeheizten Diskurs über das World Wide Web und seine Verheerungen empfiehlt es sich, irgendwann eine pointierte Aussage zu treffen. Das Wechselspiel zwischen Cybertheorieprosa und Alltagsgesprächen beherrscht die Gruppe in ihrer im Werk X Petersplatz in Wien nun als Film Uraufführung feiernden Arbeit Feed the Troll vorzüglich. Er ist heute, 18.30 Uhr, auf Okto zu sehen (danach in der Oktothek) und bis Ende April als "Video on demand" über die Theaterwebseite abrufbar.

Feed the Troll

Drei Frauen in Cyberpunkmontur treten hier zu nichts Geringerem an, als das Internet zurückzuerobern. Dessen utopische Verheißungen hätten sich ja weitgehend nicht erfüllt, im Gegenteil: Als handliches Werkzeug eines ausgewachsenen Kapitalismus degradiere das Internet die Userinnen und User zu reinen "Kapitalflächen" und beschwöre obendrein stets die abgründigen Seiten des Menschen herauf. Die kämpferische Ansage des Trios (Sonja Kreibich, Aline-Sarah Kunisch, Anna-Eva Köck) ist eine spaßige Fantasie, in der sich alle nahe vor der Kamera um Kopf und Kragen reden.

Müll im Netz

Man kann den Abend als abgefilmtes Diskurstheater bezeichnen, in dem ausschließlich verhandelt und gestritten wird. Das geht so weit, dass die Webkriegerinnen ihre eigene Agenda gleich mitveräppeln und die abgegriffenen Phrasen ihres cyberfeministischen Vorhabens gallig vom Ankündigungstext ablesen: "digitale Machtstrukturen unterwandern".

Woran aber festhalten in diesem handlungslosen Wortgefecht, das den Cyberraum mit Jalousien und Müllsäcken symbolträchtig nachbaut (Bühne: Sophie Tautorus)? Es gibt einige konkrete Referenzen, die der Text von Klara Rabl (auch Regie in Zusammenarbeit mit C’quence-Filmproduktion) aufgreift, so etwa das Cyberspace-Manifest von Perry Barlow anno 1996, das den digitalen Garten Eden versprochen hatte.

Ada Lovelace

Ein anderer Strang flicht die Geschichte der Mathematikerin und Informatikpionierin Ada Lovelace (1815–1852) ein. Und in einer weiteren Sequenz kommt "ein Mann aus dem STANDARD-Forum" in einer schauspielerisch recht witzigen Interpretation zu Ehren. Ihm, den in frauenrechtlichen Fragen jedes Mal ein Beißreflex überkommt, wird noch übel mitgespielt und ein Chatbot an den Hals gehetzt. Wie ein Chatbot funktioniert? – Auch das wird hier erklärt.

Der mit fettem Internet-Vokabular einhergehende Redeschwall ist auch erschöpfend. Im Affentempo fliegen einem herrliche, aber durchs Zuhören alleine nicht kenntlich gewordene Kalauer um die Ohren. Nachlesen hilft! Man wünscht sich im Nachhinein nichts sehnlicher als dass dieses dicht aufgeschichtete Kampf- und Thesenpapier nicht so eilig in die Kamera hineinskandiert wird, sondern im gemächlichen Setting einer vielleicht lieben Familie spielt. Gegen Ende heißt es deshalb auch wohlweislich ins Publikum: "Und ihr sitzt alle da, als wär überhaupt nichts passiert." – "Ja, so ist das im Internet". (Margarete Affenzeller, 21.4.2021)