Putin hielt eine Rede an die Nation.

Foto: EPA/MAXIM SHIPENKOV

Reichlich Wahlgeschenke vor der Duma-Wahl verteilte Wladimir Putin in seiner Rede zur Lage der Nation an die von Covid getroffene Bevölkerung. Den meisten Applaus erntete er aber für seine Drohungen gegen das Ausland.

Es ist schwer, bei der 17. Auflage eines Events die Zuschauer noch in Erstaunen zu versetzen. Selbst die durchaus feurigen Auslassungen des Kreml-Chefs zur internationalen Politik haben daher inzwischen einen gewissen Gewöhnungseffekt. Die Aufzählung der modernsten russischen Waffensysteme, mit denen Moskau seine "rechtlichen nationalen Interessen schützen" werde, konnte daher kaum jemanden verblüffen, auch wenn sie im Saal die größten Emotionen und den meisten Beifall hervorrief.

Konkurrenz kam allenfalls noch von Putins Seitenhieb gegen die nicht namentlich genannten Tschechen, deren jüngste Vorwürfe gegen Moskau er mit dem Kläffen der Hyäne Tabaki im Schutze des Tigers Shir Khan (USA) aus dem Dschungelbuch verglich.

Putin sprach vor hunderten Vertretern der politischen Elite des Landes, vor Vertretern aus Wirtschaft, Kultur und Religion.
Foto: EPA/MAXIM SHIPENKOV

Weil es gut in das Bild zu den ständigen Anfeindungen des Westens passte, wiederholte Putin zudem noch eine krude Mordthese, die ursprünglich von Alexander Lukaschenko stammt. Der behauptete unlängst, er und seine Söhne sollten im Rahmen eines – natürlich vom Westen initiierten – Militärputsches in Belarus umgebracht werden, wobei er unter den Tisch fallen ließ, dass sich bei den Protesten in Minsk vor allem Sicherheitskräfte durch Gewalt und Tötungen an den Demonstranten "ausgezeichnet" hatten.

Insgesamt war der außenpolitische Teil der Rede Putins allerdings deutlich kürzer als bei früheren Anlässen. Im Herbst steht die Duma-Wahl an. So ging es für den Kreml-Chef darum, eine innenpolitische Zäsur zu setzen und den Kampf gegen Covid in Russland für weitgehend beendet zu erklären, auch wenn er warnte, dass "das Coronavirus noch nicht endgültig besiegt" sei.

Soziale Folgen abfedern

Trotzdem sah er Russland auf einem guten Weg: Das Land habe drei Vakzine, die Infektionszahlen gingen zurück. Zeit also, sich um die Folgen der Pandemie zu kümmern. Und diese sind auch in Russland gewaltig: Die Arbeitslosigkeit ist hochgeschnellt, die Löhne sind gefallen, die Schere zwischen Arm und Reich ist noch größer geworden.

Daher versprach Putin im Wahljahr vor allem den ärmeren Bevölkerungsschichten Hilfe. Konkret können Alleinerziehende, werdende Mütter und Familien mit Schulkindern auf finanzielle Zuwendungen hoffen. Daneben versprach Putin aber auch Geld für den Schulbau und die Bezahlung von Lehrern.

Interessanterweise fehlten diesmal die ansonsten traditionellen Forderungen nach einem "technologischen Durchbruch" Russlands fast völlig. Stattdessen kündigte Putin durchaus konkret an, bis 2024 fast 20 Milliarden Euro in die Forschung zu investieren, unter anderem um Russland bei der Produktion von Medikamenten und Vakzinen autark zu machen, aber auch um den Energiesektor umzubauen. Worte über Umwelt- und Klimaschutz gab es auch schon in früheren Ansprachen Putins. Diesmal jedoch, so schien es, war der Akzent darauf deutlich stärker als in der Vergangenheit.

Das Thema politische Konkurrenz und Bürgerbeteiligung an der Politik sparte Putin bei der Rede allerdings völlig aus. Auch der Name des Oppositionellen Alexej Nawalny fiel naturgemäß nicht.

Dabei ist das Thema in Russland durchaus akut. Aus Sorge um den Gesundheitszustand Nawalnys hat die Opposition just am Abend nach der Putin-Rede zu landesweiten Demonstrationen aufgerufen. Natürlich spielt dabei auch das Kalkül eine Rolle, den zuversichtlichen Worten des Präsidenten über die "Einheit" des russischen Volkes Bilder von Polizisten gegenüberzustellen, die auf Demonstranten einschlagen.

Der Konflikt war schon vorher abzusehen, als die Opposition die Kundgebungen beantragte, die Behörden die Proteste dann wie üblich verbaten und die Zentren vieler größerer Städte abriegelten und 1.000 Demonstranten festnahmen. Zudem nahmen die Sicherheitskräfte schon im Vorfeld eine Reihe von Oppositionellen fest, denen nach einer Gesetzesverschärfung lange Haftstrafen drohen. (André Ballin aus Moskau, 21.4.2021)