Es gäbe vielerlei Möglichkeiten, diesen Text zu beginnen. Mit einem klassischen London Calling? Mit einem gepflegten "You talking to me"? Oder mit einer Anspielung auf den Renn-Videospiel-Klassiker Crazy Taxi? Sie haben die Qual der Wahl, nehmen Sie einfach den Einstieg, der Ihnen am liebsten ist.

Im Endeffekt kommen Sie nämlich alle auf dasselbe hin aus: Die berühmten London-Taxis wird es bald auch auf dem europäischen Festland außerhalb der britischen Hauptstadt geben. Wir konnten den elektrischen Ableger, den LEVC TX, für ein Wochenende testen. Also habe ich meine Freunde Daniel und Petra eingepackt und sie einen Tag lang wie ein Touristenführer durch Wien kutschiert.

Echt wie sonst nur in London: Das LEVC TX bietet echtes britisches Flair, mitsamt gelben Details, schwarzer Außenfarbe und der markanten Frontpartie.
Foto: Pollerhof

"Well, hello there", ruft Daniel aus, als er das Taxi sieht. Kein Wunder, es gibt wohl kaum ein ikonischeres Abbild der britischen Hauptstadt – außer vielleicht ein roter Doppeldeckerbus, aber der dürfte in der Art nicht so schnell den Weg zu uns herüberschaffen.

Dabei helfen vor allem die markante Front mit den kreisrunden Scheinwerfern und das massiv-wirkende Chassis, das speziell durch seine Größe beeindruckt.

Schöner Blick nach oben

Der Platz ist im Inneren bitter nötig. Insgesamt sechs Personen können hinten Platz nehmen, auch wenn das aktuell nicht wirklich Corona-konform wäre. Zu zweit, und natürlich mit Maske, wie es sich Daniel und Petra da hinten gemütlich machen, ist der Gästeraum mehr als geräumig. Sollten aber doch einmal wieder sechs Personen gleichzeitig zugelassen werden, könnte es vor allem bei größeren Personen zu Streitereien wegen der Beine kommen. Zur Not sitzt man eben Knie an Knie oder darüber hinaus.

Die Plexiglasscheibe soll Taxifahrer schützen, ein Fach für das Trinkgeld gibt es trotzdem.
Foto: Pollerhof

Die Fahrerkabine ist dazu mit einer Plexiglasscheibe abgetrennt. Das ist keine schlechte Idee, ein kleines Münzfach für das Trinkgeld gibt es, und wer mit seinen Passagieren reden möchte, der drückt einfach auf das Mikrofonsymbol, und schon ist man zumindest digital nah beieinander. Blöd nur bei der Scheibe: Setzt man zum Schulterblick an, kommt es immer wieder zu Spiegelungen, und man weiß vor allem am Anfang nicht, was sich jetzt gerade im toten Winkel und was sich doch noch vor einem bewegt – verwirrend.

Foto: Pollerhof

Unser erster Ausflug gilt dem Budapest Bagel Vienna am Donaukanal für ein ordentliches Frühstück. Der LEVC steht seinen elektrischen Kollegen in nichts nach und fährt sich butterweich. Vor allem auffällig gut: der geringe Wendekreis. Obwohl das Taxi 4,86 Meter lang und immerhin 2,03 Meter breit ist, lässt sich der Kasten relativ einfach durch die Stadt an anderen Fahrzeugen und Fahrradfahrern vorbeimanövrieren. Dabei bestaunen Daniel und Petra die Stadt danke des Panoramadachs ganz neu.

Einen Kofferraum für das Gepäck gibt es nicht. Dafür muss der ausgebaute Beifahrersitz herhalten.
Foto: Pollerhof

Batterie mit Verbrennergenerator

Einen Parkplatz mit dem Koloss hingegen zu finden, das ist eine ganz andere Sache. Also drehe ich zwei Runden um den Block, während meine Gäste das Frühstück holen.

Danach geht es rauf auf den Kahlenberg, das gehört zum Touri-Programm dazu, und schließlich muss die Kiste ja auch noch fotografiert werden. Auf der Höhenstraße überzeugt der Elektromotor einmal mehr mit einem schnellen Antritt. Obwohl dazu gesagt werden muss, dass der Elektromotor (150 PS) nicht so elektrisch ist, wie er immer tut, Stichwort "serieller Hybrid". Die Batterie schafft es allein rund 90 Kilometer weit und wird dann durch einen Verbrennergenerator (1,5-Liter-Dreizylinder) unterstützt, der sie während der elektrischen Fahrt konstant lädt. Das teilt einem das Fahrzeug dann mit einem leichten Surren mit, als sei die Klimaanlage an, nicht wirklich störend. Insgesamt sind mit einer Tankfüllung rund 350 Kilometer drin. Range Extender nennt sich so etwas.

Für so einen Touri-Tag reicht das aus, und die abgeriegelten 130 km/h erreichen wir nicht. Das eingebaute Navigationssystem funktioniert tadellos, und das Handy lässt sich mit der Anlage (für Fahrer und Gäste hörbar) verbinden.

Foto: Pollerhof

Der viele Platz hinten hat aber natürlich auch seine Nachteile. Einen Kofferraum gibt es nämlich praktisch nicht. Da passt lediglich das Ladekabel neben das Reserverad rein.

Stattdessen fehlt traditionsgemäß der Beifahrersitz, dort lassen sich dann Taschen und Koffer verstauen – wenn auch nur in Maßen. Wer sechs Leute samt Gepäck zum Flughafen kutschieren will, der muss entweder kreativ werden oder Gäste mit einer hohen Toleranzgrenze an Bord haben. Für wie viele Taxifahrer dieses Gefährt in Wien allerdings erschwinglich ist, lassen wir einmal im Raum stehen: Das E-Taxi soll rund 60.000 Euro kosten.

Foto: Pollerhof

Erklärungsnot

Zu guter Letzt geht es noch in das Donauzentrum, um den Tag mit einem gemütlichen Shopping-Trip ausklingen zu lassen. Im Parkhaus melden sich dann die enormen Maße des Taxis wieder, die erst einmal um die Poller, Kurven und Bordsteine gezirkelt werden müssen. Aber dank des geringen Wendekreises funktioniert auch das ohne große Probleme.

Wie zu erwarten, kleben die Blicke der Passanten auf so einem Ding wie, nun ja, auf einem London-Taxi in einer anderen Stadt. Sogar die Polizisten haben sich die Hälse ausgerenkt, um dem TX hinterherzuschauen. Ein Glück, dass die mich nicht angehalten haben. Es wäre etwas schwer zu erklären gewesen, dass ich hier weder Personenbeförderung gegen Geld anbiete, noch Erwachsenenfilme drehe. Das wäre übrigens auch noch ein Texteinstieg gewesen. (Thorben Pollerhof, 29.4.2021)