Foto: APA/Schlager

Gerade tat der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil am Dienstag den ersten Spatenstich für eine Lärmschutzwand an der A3 zwischen Großhöflein und Müllendorf, da erreichte ihn eine unangenehme Nachricht. Die Staatsanwaltschaft (StA) Eisenstadt ermittle gegen ihn wegen des Verdachts auf falsche Zeugenaussage im U-Ausschuss des burgenländischen Landtags zur Commerzialbank Mattersburg. Neben dem SPÖ-Politiker ist auch Helmut Ettl Beschuldigter, Vorstandsmitglied der Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA. Er gilt als Roter, sein Vorstandskollege, Eduard Müller, als Türkiser. Laut StA Eisenstadt basieren die Ermittlungen auf einer ÖVP-Anzeige.

Den Rahmen des Verfahrens bildet die Pleite des Mattersburger Geldhauses, das die FMA am 14. Juli des Vorjahres zugesperrt hat. Der Bescheid erging kurz vor Mitternacht, danach brach die Bank wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Die Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt nach einer Selbstanzeige von Bankchef Martin Pucher, er und eine Exmanagerin haben Malversationen gestanden, die seit Jahrzehnten liefen. Für sie gilt die Unschuldsvermutung.

Riesenschaden

Mehr als 13.000 Kunden sind geschädigt, die Einlagensicherung sprang den Sparern mit fast 500 Millionen Euro bei, Gläubiger fordern mehr als 800 Millionen Euro, Amtshaftungsklagen gegen die Republik sind anhängig. Der Vorwurf: Die Bankenaufsicht, die das Institut immer wieder geprüft hat, habe versagt. Whistleblower-Meldungen an Aufsicht und Justiz gingen bei einem Ohr rein, beim anderen raus.

In den Ermittlungen der StA Eisenstadt geht es nun um die Aussagen von Doskozil und Bankenaufseher Ettl im U-Ausschuss zur Commerzialbank. Beide waren am 17. Dezember 2020 als Auskunftspersonen geladen. Dabei ging es auch um den Informationsfluss zwischen Bankenaufsicht FMA und Landeshauptmann an jenem 14. Juli, durch den Doskozil erfuhr, dass die Bank am nächsten Tag geschlossen werde. Und da tat sich eine Diskrepanz auf. Doskozil sagte laut Protokoll wörtlich: "Und ich wurde um 18.29 Uhr von FMA-Vorstand Ettl angerufen." Zuvor, um 14.17 Uhr, habe ihn schon eine Beamtin geschrieben, "heute Abend werden gröbere Probleme mit einer Finanzinstitution mit Burgenlandkontext bekannt". Ettl sagte aber so: "Der Herr Landeshauptmann hat mich angerufen." Aus seiner Erklärung erschloss sich auch, wie die genannte Beamtin, eine Exkollegin Ettls, an ihre Info gelangt war: Er habe sie gegen 14 Uhr angerufen, um Doskozils Handynummer gebeten. "Das war es." Gegen 18.30 Uhr habe Doskozil ihn dann angerufen.

Wer rief wen an?

Diese unterschiedliche Darstellung ist nun Gegenstand der Ermittlungen. Um Näheres zu erkunden, nahm die StA beiden Beschuldigten ihre Handys (kurzfristig) ab, angeschaut werden nur die Daten vom 14. Juli. Beide bestreiten den Vorwurf der Falschaussage, die Vorsatz voraussetzt. Doskozils Anwalt, Johannes Zink, verwies auf den Abschlussbericht von U-Ausschuss-Verfahrensrichter Walter Pilgermair: Demnach sei im Gesamtkontext der Aussagen "klar, dass die Initiative und Intention einer Kontaktaufnahme von FMA-Vorstand Ettl ausgegangen ist", wer wen angerufen habe, sei letztlich irrelevant. Ettl lässt durch einen FMA-Sprecher ausrichten, er habe keinerlei Fehlverhalten gesetzt und werde alles tun, was der Aufklärung diene. Auch für ihn und Doskozil gilt die Unschuldsvermutung.

Die große Frage dahinter tat sich auf, als öffentlich bekannt wurde, dass die Landesgesellschaft Regionalmanagement Burgenland (RMB) noch am 14. Juli abends per Überweisungsauftrag versuchte, Geld vom Commerzialbank-Konto zu holen – ein Auftrag, der von der Bank nicht mehr durchgeführt wurde. Durfte der FMA-Chef den Landeshauptmann überhaupt von der bevorstehenden Schließung informieren und was genau hat er ihm gesagt? Und hat Doskozil sein Wissen dann womöglich weitergegeben? Notabene: Es gibt keine Ermittlungen in diese Richtung.

Amtshilfe oder Bruch des Amtsgeheimnisses?

Laut Ettls Aussage vor dem U-Ausschuss habe ihm Doskozil am Telefon selbst erzählt, dass Bankchef Pucher Selbstanzeige erstattet habe. Dann habe er Ettl gefragt, wie schlimm es sei. Seine Antwort: "Es steht im Bereich des Möglichen", dass die Bank am nächsten Tag nicht mehr aufmachen werde. Genau das beschert dem FMA-Manager sein zweites juristisches Problem: Die WKStA ermittelt gegen Ettl, wegen Verdachts auf Bruch des Amtsgeheimnisses. Der wehrt sich auch gegen diesen Vorwurf, es sei um Amtshilfe der FMA gegangen. Er verweist in dem Kontext auf eine Stellungnahme vom Präsidenten der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, der festgestellt habe, dass zwischen FMA und Land Amtshilfe möglich und erlaubt sei.

Peschorns Expertise stammt von November, nachdem der Abhebungsversuch der RMB und unbestätigte Gerüchte, auch andere hätten noch schnell ihr Geld retten wollen, aufgepoppt waren. Im Oktober erkundigte sich das Finanzministerium, das die Rechtmäßigkeit der FMA-Tätigkeiten beaufsichtigt, bei Peschorn sinngemäß, ob es einschreiten müsse. Denn: Leistet sich ein FMA-Vorstandsmitglied eine "grobe Pflichtverletzung", dann muss es der Finanzminister abberufen, das schreibt das Gesetz vor. Die Finanzprokuratur, also die Anwältin der Republik, hat so eine Pflichtverletzung nicht geortet. (Renate Graber, 21.4.2021)