Microsoft liebt Linux: Diese Parole hat Firmenchef Satya Nadella bereits vor einigen Jahren ausgegeben. Und bisher hält er sein Wort.

Foto: Microsoft

Wird 2021 endlich das gerne zitierte Jahr des Linux-Desktops? Das erscheint bei realistischer Betrachtung – einmal mehr – eher unwahrscheinlich. Und doch spielt der Linux-Desktop eine immer größere Rolle – wenn auch vermittelt. Nach Googles Chrome OS unterstützt künftig nämlich auch Windows grafische Linux-Anwendungen. Im Rahmen des Windows-Insider-Programms (Windows 10 Developer Build 21364) können diese neuen Möglichkeiten ab sofort getestet werden.

WSLg

Das Ganze versteht sich als Erweiterung des bestehenden Windows-Subsystem für Linux (WSL). Wie auch bei diesem sieht Microsoft die Zielgruppe vor allem bei Entwicklern. So verweist man etwa auf grafische Entwicklungsumgebungen, mit denen dann direkt unter Windows Linux-Anwendungen entwickelt und getestet werden können. Aber dabei belässt man es nicht, so bietet das Linux-System auch Unterstützung für 3D-Beschleunigung, womit selbst grafische aufwendige Tools problemlos laufen sollen. Und auch auf Mikrofon und Lautsprecher hat das Linux-Subsystem Zugriff, Audio-Tools wie Audacity verrichten also problemlos ihre Arbeit.

Craig Loewen

Erwähnt sei, dass es auch jetzt schon möglich war, grafische Linux-Anwendungen unter Windows auszuführen, dies erforderte aber einige manuelle Anpassungen. Die Microsoft-Lösung erweist sich hingegen jetzt als nahtlos: Wird eine grafische Anwendung installiert, wird einfach eine Art Begleitsystem zur eigentlichen WSL-Installation hinzugefügt. In diesem ist alles enthalten, was man für ein modernes Linux-Desktopsystem so braucht.

Technische Details

Besonders interessant ist dabei, wie man die Anzeige der grafischen Inhalte umgesetzt hat. Statt einen klassischen X-Server zu verwenden, setzt Microsoft nämlich gleich auf das modernere Wayland und den zugehörigen Referenz-Fenster-Manager Weston. Die Verbindung zwischen Linux- und Windows-Welt wird über das Remote Desktop Protocol (RDP) abgewickelt. All das läuft in einer von der eigentlichen Linux-Distribution komplett unabhängigen Umgebung. Microsoft nennt diese "System Distro" in Abgrenzung zur eigentlichen "User Distro". Basis dieser getrennten Umgebung bildet dabei übrigens CBL-Mariner, und somit Microsofts eigene Linux-Distribution, die sonst vor allem für den Cloud-Einsatz gedacht ist.

Eigener 3D-Treiber in Mesa

Bei der Implementation dieser neuen Möglichkeiten war das Linux-Unternehmen Collabora behilflich,. So wurde etwa für die 3D-Beschleunigung ein eigener Direct-3D-12-Treiber für die freie Grafikbibliothek Mesa geschrieben. Dieser Umstand hat allerdings auch eine der größten aktuellen Einschränkungen zur Folge. Die entsprechende Mesa-Version (21.0) ist nämlich erst wenige Wochen alt, sie befindet sich damit noch nicht in den offiziell von WSL unterstützten Distributionen. Dies soll sich zwar bald ändern, bis dahin liefert Microsoft aber eine Anleitung, wie die Software manuell aktualisiert werden kann.

Microsoft liefert aber nicht nur ausführliche Erklärungen in Wort, auch der Code für WSLg, wie man die grafische Erweiterung für WSL nennt, wurde veröffentlicht. Er steht auf Github bereit, zentrale Komponenten wie der D3D12-Treiber sind ohnehin in den zugehörigen Open-Source-Projekten zu finden.

Universelle Anwendungen

Die aktuelle Entwicklung führt nun jedenfalls zu einer vor nicht allzu langer Zeit noch unvorstellbaren Situation. Grafische Linux-Anwendungen laufen damit nämlich jetzt auf drei der vier größten Desktop-Betriebssysteme. Neben Linux und Windows gibt es entsprechenden Support auch unter Googles Chrome OS schon länger. Lediglich Apple wehrt sich bisher noch gegen den unübersehbaren Linux-Desktop-Trend. (Andreas Proschofsky, 22.4.2021)