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Im Jänner und Februar 2021 waren 88,3 Prozent der Corona-Patienten auf Intensivstationen österreichische Staatsbürger.

Foto: Reuters / Giorgos Moutafis

Wien – Auf Social Media entbrannte in den vergangenen Tagen eine Diskussion darüber, wie hoch der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund ist, die mit Corona auf Intensivstationen liegen. Der niederösterreichische FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl bemängelte zuletzt etwa in einem oft geteilten Facebook-Posting, dass mehr als 50 Prozent der Covid-19-Intensivbetten aktuell mit Migranten belegt seien.

Das würden Gesundheitsexperten und Ärzte "hinter vorgehaltener Hand" sagen. Im Bild darunter präzisiert er den Bereich auf Großstädte. Und obwohl Migranten sich "an keinerlei Sicherheitsmaßnahmen halten", würden sie im nationalen Impfplan bevorzugt werden. Die APA hat diese Behauptungen einem Faktencheck unterzogen.

88 Prozent der Intensivpatienten sind österreichische Staatsbürger

Aus diesem geht hervor, dass 11,7 Prozent der Menschen, die bis Ende Februar 2021 wegen Corona intensivpflichtig wurden, nicht die österreichische Staatsbürgerschaft hatten. Eine geografische Auswertung wird aufgrund von hohen Schwankungsbreiten nicht durchgeführt. Prinzipiell sind Migranten stärker von Covid-19 betroffen. Das liegt unter anderem an beengten Wohnverhältnissen und Sprachbarrieren. Im aktuellen Impfplan werden sie nicht bevorzugt.

Die Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) erhebt in Österreich die Staatsangehörigkeit von Covid-19-Intensivpatienten. Wie ein Pressesprecher der GÖG der APA auf Anfrage mitteilte, wurden von 1. Jänner 2020 bis 28. Februar 2021 insgesamt 5.790 Menschen aufgrund von Covid-19 intensivpflichtig. Davon seien 88,3 Prozent österreichische Staatsbürger gewesen. 8,5 Prozent stammten aus Drittstaaten und 3,2 Prozent aus weiteren EU-Staaten. Zusammengerechnet 11,7 Prozent der Menschen, die bis Ende Februar intensivpflichtig wurden, hatten also nicht die österreichische Staatsbürgerschaft.

Relativ gesehen weniger Ausländer auf Intensivstationen

Die Zahlen stammen laut dem Sprecher aus der "Diagnosen- und Leistungsdokumentation österreichischer Fondskrankenanstalten" (LKF-Daten). Sie würden zwar in der Aktualität etwa zwei Monate hinterherhinken, seien dafür aber sehr exakt. Es ist nicht anzunehmen, dass sich der Anteil der Menschen mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft innerhalb des darauffolgenden Monats gravierend verändert hat.

Relativ gesehen sind den GÖG-Daten zufolge Ausländer sogar weniger häufig wegen Corona auf Intensivstationen als österreichische Staatsbürger. Denn Ausländer stellten 11,7 Prozent der Menschen in Intensivpflege, jedoch 17,1 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Anteil dürfte Bevölkerungsschlüssel entsprechen

Eine Auswertung nach Bundesländern sei theoretisch möglich, aber durch die niedrigen Fallzahlen mit hohen Schwankungsbreiten versehen, was sie eher unwissenschaftlich mache, so der GÖG-Sprecher. Ungefähr dürfte der Anteil der Migranten auf Covid-19-Intensivstationen aber dem Bevölkerungsschlüssel entsprechen, also dass beispielsweise in Wiener Spitälern mehr Serben sind als etwa in Tirol. Aussagekräftige Schlüsse darüber, ob der Anteil in Großstädten besonders hoch sei – wie vom FPÖ-Politiker Waldhäusl angedeutet –, lassen sich allerdings keine ziehen.

Einzelne Berichte dürften auf eine gewisse Überproportionalität hindeuten, wie ein Artikel der deutschen "Zeit" zeigt. Zwar lägen dem Robert-Koch-Institut (RKI) keine Daten zu Menschen mit Migrationshintergrund auf deutschen Intensivstationen vor, vor allem in großen Städten seien Migranten auf Intensivstationen aber überdurchschnittlich vertreten. Das habe eine nichtrepräsentative Umfrage in mehreren deutschen Kliniken ergeben.

Anteil verschiedener Nationalitäten

Die Top-5-Länder, aus denen Intensivpatienten mit nichtösterreichischer Staatsbürgerschaft kommen, sind die Türkei, Serbien, Bosnien und Herzegowina, Deutschland und Rumänien. Das sind auch die größten Migrantengruppen in Österreich. Alle Länder bis auf Bosnien und Herzegowina finden sich auch in mehreren Epidemiephasen unter den fünf häufigsten Staatsangehörigkeiten der Covid-19-Infektionsfälle in Österreich. Die Zahlen in dem Ages-Lagebericht, der der APA vom Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellt wurde, sind allerdings mit Vorsicht zu vergleichen, da die Nationalität bei einem großen Teil als unbekannt angeführt ist.

Gemessen am Bevölkerungsanteil der jeweiligen Nationalitäten in Österreich zeigt sich, dass mehr Türken (0,11 Prozent), Serben (0,09 Prozent) und Bosnier (0,08 Prozent) als Österreicher (0,07) wegen Covid-19 auf die Intensivstation mussten, aber weniger Rumänen (0,03 Prozent) und Deutsche (0,02 Prozent).

Migranten stark von Covid-19 betroffen

Die Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität Wien stellte mit Hinweis auf eine OECD-Studie fest, dass Migranten überdurchschnittlich stark von Covid-19 betroffen seien. In Ländern, für die entsprechende Daten vorliegen, hätten sie ein etwa doppelt so hohes Infektionsrisiko. Dafür gebe es mehrere Gründe wie beengte Wohnverhältnisse, Armut, weniger Möglichkeit zur Telearbeit, Sprachbarrieren oder mehr Vorerkrankungen.

Darauf wiesen auch Gesundheit Österreich (GÖG) und das Gesundheitsministerium hin. Laut dem GÖG-Sprecher hängen der Migrationshintergrund und der sozioökonomische Status statistisch gesehen positiv zusammen. "Der sozioökonomische Status wiederum beeinflusst die verfügbare Wohnfläche je Haushaltsmitglied, die wiederum einen Einfluss auf die Ansteckungswahrscheinlichkeit hat."

Auch eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums betonte, dass unabhängig von ihrer Herkunft Menschen in prekären Arbeits- und Wohnverhältnissen besonders gefährdet seien. Um dem entgegenzusteuern, müssten Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz und die Armutsbekämpfung verstärkt werden. Zentral sei auch, dass Menschen mit verständlichen Informationen erreicht werden: "Wir werden die Information fremdsprachiger Communitys weiter ausbauen." Schon bisher biete der Integrationsfonds Informationen in 17 Sprachen an.

"Österreich impft" nur auf Deutsch

Kohlenberger zufolge muss in der Kommunikation über Covid-19 nach Alter, Bildung und anderen Faktoren diversifiziert werden. Migranten seien nämlich wie Österreicher keine homogene Gruppe. Ältere Migranten seien etwa besonders schwer zu erreichen. Mehrsprachige Nachrichtensendungen im Fernsehen oder Radio könnten hier Abhilfe schaffen, wohingegen Kommunikation auf Social Media wenig bringe.

Kritisch sah sie, dass Covid-19-Informationsseiten für Deutschsprachige teilweise auf anderen Seiten zu finden seien als jene in Migrantensprachen. Beispielsweise die Seite "Österreich impft" existiere nur auf Deutsch. Auch dass übersetzte Informationen gleichzeitig stark gekürzte Versionen seien, kritisierte sie. Keine Evidenz gebe es dafür, dass Migranten sich weniger an Covid-19-Maßnahmen hielten, wie von Waldhäusl behauptet.

Aus dem aktuell geltenden Covid-19-Impfplan geht nicht hervor, dass Migranten bevorzugt werden. In Phase 3, wenn mit der breiten Impfung der Bevölkerung begonnen wird, ist von "Bewohnerinnen und Bewohnern in engen/prekären Wohnverhältnissen (Gemeinschaftsunterkünfte etc.)" die Rede. Allerdings könne diese "Priorisierung aufgrund der Lebens- und Arbeitsverhältnisse" nur unter der Voraussetzung von ausreichend verfügbaren Impfstoffen erfolgen. (APA, red, 22.4.2021)