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Weltweit gibt es um die dreißig Menschen, die Klingonisch fließend beherrschen.

Foto: Frank Duenzl / dpa Picture Allia

Corona-Speck, Maskenpflicht und Sommer-Ischgl – mehr als tausend solcher neuen Wörter wurden dank der Pandemie in unserem Sprachschatz aufgenommen. Neu sind aber auch "javtIm ngeb raS’IS", "qo’vID wa’maH Hut" und "qoro’na javtIm". Denn auch auf Klingonisch gibt es jetzt Wörter für Impfung, Covid-19 und Coronavirus. Wer unsere stirnpartieauffälligen Universumskollegen warnen – oder abschrecken – möchte, je nachdem, kann sagen: "qo’vID wa’maH Hut vISIQ." Wortwörtlich übersetzt: "Ich ertrage Covid-19."

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Die Chancen, dass man damit verstanden wird, sind extraterrestrisch sowie auf unserem Planeten gar nicht so schlecht: Weltweit haben Tausende Grundkenntnisse, es gibt um die dreißig Menschen, die Klingonisch fließend beherrschen; der Erfinder Marc Okrand gehört übrigens nicht dazu. Er ist der US-Linguist, der 1984 mit Mitte dreißig von Paramount Pictures angesprochen wurde, ob er nicht eine Sprache für Star Trek erfinden könnte. Bis dahin sprachen Außerirdische in Science-Fiction-Filmen Kauderwelsch.

Die ersten Klingonisch-Brocken dachte sich noch der Scotty-Darsteller aus, dann wollten die Macher eine konsistente Sprache, die Okrand am Reißbrett entwickelte. Fans lernten die Sprache aus Spaß. 1985 publizierte der Erfinder Okrand das erste Wörterbuch mit nur, aber immerhin 1800 Wörtern, seit 1999 ist Klingonisch eine offiziell anerkannte Sprache: ISO-639-2-tlh. Inzwischen gibt es über 4000 Wörter. Nur, wie kamen die Corona-Begriffe dazu? Und wie wächst eine außerirdische Fantasiesprache?

Ein paar Brocken Klingonisch

Einer, der sich auf unserer Erdhalbkugel der Sache angenommen hat und dem die Corona-Vokabeln zu verdanken sind, ist Lieven L. Litaer. Er ist einer der besten Klingonisch-Sprecher der Welt, eigentlich Architekt im Saarland, aber eben auch Gründer des Deutschen Klingonisch-Instituts, Autor von Klingonisch für Einsteiger und derjenige, der für Stark Trek Discovery die Untertitel übersetzte. Litaers Architekturbüro in Dudweiler ist, natürlich, ein Raumschiffnachbau.

KlingonTeacher

"An sich ist Klingonisch einfach zu lernen", sagt Litaer. Denn das Klingonische komme ohne Zeitformen aus. Das erleichtert das Lernen natürlich enorm, wenn man ein Verb nicht in sechs verschiedenen Formen pauken muss. Zeitmarker wie "gestern" oder "morgen" gibt es aber. Litaer (41) gibt jeden November einen mehrtägigen Anfängerkurs in Saarbrücken. An dem nehmen Obstverkäufer, Professoren und alle möglichen Leute teil, die zuweilen extra aus Kanada oder den USA anreisen. Nicht alle sind Trekkies, manche sind einfach an Kunstsprachen interessiert. Und wer sich an die Serie The Big Bang Theory erinnert, in der die beiden Physiker Leonard und Sheldon in einer Folge vor ihren Freundinnen Penny und Amy auf Klingonisch, ihrer Geheimsprache, miteinander sprechen, und deswegen annimmt, der Kurs ziehe vor allem männliche Wissenschafter an, der täuscht. Litaer sagt: "Ich habe mal nachgezählt – es kommen genauso viele Frauen wie Männer. Oft sogar zusammen, es nehmen viele Paare teil."

Die Sprach-Erweiterung

Ernst Buchberger, der am Institut für Artificial Intelligence and Decision Support an der Uni Wien forscht, lernt seit den 1990er-Jahren Klingonisch und nahm auch schon am Kurs teil. Ihm gefielen "soziale Events wie das gemeinsam Singen klingonischer Lieder am Abend oder eine kleine Exkursion", er habe sich "sehr wohlgefühlt", die Atmosphäre sei "recht locker" und "amikal" gewesen. Auch Erfinder Okrand kam öfter als Ehrengast. Am Ende des Kurses gibt es immer eine Wunschliste für fehlende Wörter. Die schickt Litaer an Okrand, der an neuen Begriffen tüftelt. Die beiden entwickeln die Sprache gemeinsam weiter. So kommen rund 50 bis 80 neue Vokabeln pro Jahr hinzu, manchmal sogar mehr. Mit Okrand habe sich "eine schöne Freundschaft entwickelt, wir telefonieren häufig", sagt Litaer. Eine transatlantische Beziehung, in der die Sprache quasi transplanetarisch weiterentwickelt wird.

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Offiziell aber, darauf legt Okrand Wert, denkt sich nicht er die Wörter aus, sondern fragt einen befreundeten Klingonen, Okrand gibt sie nur an die Menschen weiter. Auffällig sind das Augenmaß und die Kreativität, mit der er die neuen Wörter ersinnt. Für die Impfung hat Okrand nicht einfach ein Kunstwort aus willkürlichen Lauten erfunden oder eines, das den bloßen Vorgang beschreibt (eine Nadel wird in einen Arm gedrückt) – er ist die komplexe Angelegenheit viel feiner angegangen. Der Begriff für Impfstoff lautet: "javtIm ngeb raS’IS", wörtlich "Saat des unechten Virus". Diese wird in den Körper "eingepflanzt". So wird der Vorgang des Impfens medizinisch akkurat und gleichzeitig ziemlich poetisch umschrieben.

Klang wie eine Halsentzündung

Wer Klingonisch nicht mehr im Ohr hat, kann sich die Rede "Klingons prepare for battle" auf Youtube ansehen. Im Grunde klingt Klingonisch wie eine Mischung aus Hebräisch, einer Rachenentzündung und einer Gerölllawine. Kein Wunder, die Klingonen sind ein kriegerischer Stamm. "Man bekommt vom Sprechen aber kein Halsweh", versichert Litaer. Das "tlh" ist schwer auszusprechen: ein Laut, bei dem man t und l gemeinsam ausspricht, ohne die Stimmbänder zu nutzen, gleichzeitig Luft seitlich entweichen lässt. Auch das "r" ist schwierig, da es zwar jenem im Spanischen ähnelt, aber nur angerollt wird.

Grundsätzlich ist die Sprache etwas grob, wirkt dabei aber nie unhöflich. Wenn man beispielsweise sagen möchte, dass man jemanden liebt, benutzt man eine Umkehrform von hassen. Und es verfügt über spezielle Verben, die es bei uns gar nicht gibt: "wech" bedeutet etwa, "auf dem Höhepunkt der Fermentierung servieren".

Und auch wenn es im wahrsten Sinne des Wortes weltfremd ist, die Sprache zu lernen, erweitert es doch den Horizont. Litaer, der fließend Flämisch, Deutsch, Englisch, Klingonisch und Französisch sowie weitere fünf Sprachen, darunter Arabisch und Spanisch nicht fließend spricht, formuliert es so: "Ich denke ganz oft darüber nach, wie unterschiedlich Dinge in Sprachen umschrieben werden. Das erweitert den Blickwinkel."

Klingonen sprechen eine etwas grobe Sprache, in der man sich aber sehr höflich ausdrücken kann. Sie entwickelt sich sogar laufend weiter. (Nora Reinhardt, 23.4.2021)


Wörterbuch: Klingonisch für den Urlaub

Zur Begrüßung: Was willst du? nuqneH

Sprechen Sie Klingonisch? tlhIngan Hol Dajatlh’a’?

Ich verstehe nicht. jIyajbe’

Ich wohne in Österreich. ’oSteray’ vIDab

Wo ist die Toilette? nuqDaq ’oH puchpa’’e’?

Ich möchte eine Pizza essen. pItSa’ vISop vIneH

Wir treffen uns in der Bar. tachDaq maghom

Beliebter Trinkspruch: Möge dein Blut schreien! ’IwlIj jachjaj

Ich liebe dich. qamuSHa’

Ich möchte diesen Teppich nicht kaufen. tlhImvam vIje’ vIneHbe’