Ihre Funktion als Frauenvorsitzende der SPÖ wird Gabriele Heinisch-Hosek Ende Juni abgeben. Ab dann kümmert sie sich ganz um Kultur.

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Ihren Namen hatte kaum jemand auf der Liste. Obwohl Gabriele Heinisch-Hosek (60) seit vielen Jahren im Politgeschäft ist und sich bereits zweimal Ministerin nennen durfte (erst Frauen-, dann Bildungsministerin), hat sie im Kulturbereich eine blanke Weste. Kulturpolitische Ämter oder Funktionen? Fehlanzeige. Eine besondere Nähe zu Kunst und Kultur? Nicht, dass man wüsste.

Nur einmal streifte Heinisch-Hosek an einem Künstler an, nämlich als sie Andreas Gabalier auf Facebook eine Standpauke hielt, weil dieser die nicht gegenderte Version der Bundeshymne sang. Der Shitstorm, der sich daraufhin über die Politikerin entlud, war ihr eine Lehre. Fortan trat Heinisch-Hosek in den sozialen Medien leiser.

"Eine Fehlbesetzung" tönt es denn auch von den politischen Mitbewerbern, fragt man sie nach ihrer Einschätzung der neuen sozialdemokratischen Kultursprecherin: "Eine Wahl, die zeigt, wie kümmerlich das kulturelle Personalreservoir der Partei ist." Namentlich genannt werden wollen die Kritiker nicht. Nur ihr Vorgänger, der ehemalige Kulturminister und anschließende Kultursprecher der SPÖ, Thomas Drozda, streut Heinisch-Hosek Rosen: "Gabi kommt zwar nicht aus der Kultur, aber sie stellt die richtigen Fragen." Eine Aussage, die nach parteipolitischer Logik nicht weiter verwundern dürfte.

Nicht erste Wahl

Drozdas erste Wahl war Heinisch-Hosek allerdings auch nicht. Er hätte die ehemalige Bildungsministerin Sonja Hammerschmid gerne in der Funktion gesehen, diese wechselte aber genauso wie Drozda jüngst in die Privatwirtschaft. Auch die junge Abgeordnete Katharina Kucharowits, die im Kulturausschuss immer wieder mit kritischen Anfragen auffällt, winkte ab. Blieb Gabriele Heinisch-Hosek. "Ich werde sicher in ein paar Fettnäpfchen treten, aber ich traue mir die Funktion zu", sagt sie beim Treffen im Parlamentspavillon. Neben ihr sitzt ihre Referentin, die das Wort übernimmt, wenn Heinisch-Hosek nicht weiterweiß.

Wirklich oft passiert das nicht. Heinisch-Hosek hat sich in der kurzen Zeit seit ihrer Bestellung offensichtlich mit den wichtigsten kulturpolitischen Baustellen befasst, beinahe täglich trifft sie sich mit Intendanten und Direktoren der großen Kulturhäuser: Am Montag habe sie ihr Antrittsgespräch bei Burgtheater-Direktor Martin Kušej, sagt sie, nur mit Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer sei sich ein Treffen noch nicht ausgegangen. Mayer kommt zwar auch aus der SPÖ, ist aber auf dem Ticket der Grünen ins Staatssekretariat gesegelt.

Mit Oppositionspolitik gegenüber einer Kollegin, mit der man darüber hinaus den sozialdemokratischen Kulturbegriff teilt, tat sich schon Drozda schwer. Auch bei Heinisch-Hosek muss man die inhaltlichen Differenzen zur offiziellen Regierungspolitik im Kulturbereich suchen. Sie moniert zwar den "Förderdschungel", in dem sich Künstlerinnen und Künstler seit Corona zurechtfinden müssen, fordert eine Valorisierung der Förderungen und "eine Post-Corona-Strategie" für die Kultur. Wirklich überraschend ist das aber nicht. Selbst die Staatssekretärin würde ihr wohl hinter vorgehaltener Hand zustimmen.

Rudert zurück

Auch bei jenen Aussagen, mit denen sich die ehemalige Lehrerin für Deutsch und Bildnerische Erziehung bei ihrem einzigen Interview nach Amtsantritt von der Linie Mayers abgrenzte, rudert sie jetzt zurück. "SPÖ-Kultursprecherin Heinisch-Hosek lehnt Bundesmuseen-Holding ab" titelte die APA und zitierte sie mit den Worten: "Ich glaube nicht, dass jetzt die Zeit ist, um eine neue Bürokratie aufzubauen." Zwei Wochen nach dem Interview sieht Heinisch-Hosek die Sache differenzierter. Die Holding war immerhin eines der Lieblingsprojekte von Amtsvorgänger Drozda, in dem von ihm in Auftrag gegebenen Weißbuch zu den Bundesmuseen sind sieben unterschiedliche Varianten skizziert, wie man diese umsetzen könne.

"Mittelfristig kann ich mir eine Holding sehr wohl vorstellen", sagt Heinisch-Hosek. Es sei nur der Zeitpunkt, der ihr missfalle: "In dieser schwierigen Corona-Zeit wäre es gescheiter, die Bundesmuseenkonferenz zu stärken." Ein Gremium, muss man sagen, das derzeit ziemlich zahnlos ist: Schert einer der Museumsdirektoren aus, können die anderen nur mit gutem Zureden versuchen, einzugreifen. Das funktioniert selten.

Muss Linie finden

Eine eigene kulturpolitische Linie muss Heinisch-Hosek erst finden. Derzeit sind es die Bereiche, die ihr auch in der Vergangenheit am Herzen lagen, mit denen sie im Kulturbereich in die Offensive gehen will: "Mein Mantra lautet: Zugänge erleichtern und Absicherung schaffen." Als ehemalige Frauenministerin setzt sich Heinisch-Hosek nicht nur für Frauenquoten bei den Topjobs ein, sondern auch auf der zweiten und dritten Ebene. "Ein weiteres Anliegen ist, die prekäre soziale Absicherung vieler Kulturschaffenden zu verbessern." Gerade Corona habe gezeigt, dass an diesem Punkt vieles im Argen liege.

Auch mit diesem Anliegen steht Heinisch-Hosek nicht allein da. Bei der Wiener Kulturstadträtin steht es genau so weit vorn auf der Agenda wie bei der jetzigen und auch vormaligen Staatssekretärin. Als Ulrike Lunacek in das Amt gehievt wurde, war die soziale Frage eines ihrer wichtigsten Anliegen. Lunaceks Schicksal ist bekannt. Jetzt kann die nächste langgediente, aber kulturferne Politikerin bei der Absicherung der Künstler mithelfen. (Stephan Hilpold, 23.4.2021)