Endlich ein Arzt im Krankenbett der Koalition. Kann er es sein, das Lichtlein am Ende des Tunnels, das uns der Bundeshomöopath seit Monaten aufzustecken versucht? Schon sein orthopädisches Alleinstellungsmerkmal in der Regierung lenkte eine leidende Bevölkerung zumindest vorübergehend von Problemen mit der Impfstoffversorgung ab, woran die Medien einen nicht geringen Anteil hatten. Mit den Schlapfen erhielt die Pandemie ein neues Leitmotiv, das die Monotonie in Pressekonferenzen verkündeter Heilsversprechen auf das Anregendste unterbrach. Bis auf weiteres. Als Chief National Practitioner sollte es ihm leichter fallen als seinem Vorgänger, selbsternannten Heilern ihre Grenzen aufzuzeigen, wenn sie die Bevölkerung mit ihren hochpotenzierten, also hochverdünnten Messages Hoffnung vorgaukeln. Das Virus dennoch Arm in Arm mit ihnen in die Schranken zu weisen wird ihm als CNP nicht erspart bleiben, nur bei Sneakers hat man freie Auswahl des Modells.

Wie wird sich der neue Gesundheitsminister auf die koalitionäre Zusammenarbeit auswirken?
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In der Geschichte der Medizin gab es immer wieder Männer, die mit Todesverachtung am eigenen Leib Mittel und Methoden erprobten, von denen sie sich die Befreiung der Menschheit von einem Übel oder wenigstens Linderung erwarteten. Es ist nicht bekannt, dass einer bereit gewesen wäre, dafür in eine Regierung einzutreten, noch dazu in eine, deren Charakterbild unter dem Wirken einiger ihrer Mitglieder heftig ins Schwanken geraten ist. Als Selbstversuch steht Wolfgang Mücksteins Regierungseintritt unter einem Humanismusverdacht, wie er angesichts türkisen Regierens bisher nicht überwältigte.

Die Eifersucht des Bundeskanzlers

Wie der neue Gesundheitsminister sich auf die koalitionäre Zusammenarbeit auswirken kann, wird die Öffentlichkeit bald merken. Der Bundeskanzler hat schon unter der kurzfristig steigenden Beliebtheit Rudolf Anschobers gelitten, es kann ihm daher auch nicht gefallen haben, dass über die Sneakers des Regierungsneulings mit mehr Begeisterung berichtet wurde als über die letzte Regierungsklausur, zum Thema Ankündigungs-Comeback. Der Grund dafür lag nicht in nationalem Turnschuhfetischismus, sondern darin, dass selbst dem Kanzler politisch Nahestehende sich zu langweilen beginnen, wenn er das einzige Kunststück, das er gelernt hat – die Demonstration seines Abonnements auf frohe Botschaften – immer wieder vorführt.

Kein Aufbruchssignal, viele Inhalte vermisst, ein Comeback-Plan, der die Erwartungen nicht erfüllt, so und ähnlich Urteile über die Ergebnisse der letzten Regierungsklausur, die nicht ein politischer Gegner fällte. Und wie immer sind konkrete Details zu dem versprochenen Comeback ohnehin erst für die kommenden Wochen versprochen, Versprechungen, aus denen sich dann wieder einige Pressekonferenzen filtrieren lassen.

Und jetzt auch noch ein grüner Minister, über dessen medizinische Autorität man sich in Zeiten der Pandemie mit angemaßter Kanzlerautorität nicht mehr drüberschwindeln kann, ohne sich als laienhaft zu entblößen. Die Diagnose "Licht am Ende des Tunnels" will man künftig vom Fachmann hören. Gut für das Vertrauen, schlecht für die Message-Control. Aber vielleicht kann Mückstein als CNP dem Kanzler etwas gegen sein Ankündigungssyndrom verschreiben. In hartnäckigen Fällen soll immer ein Rezept aus der chinesischen Medizin helfen. (Günter Traxler, 23.4.2021)