FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl droht nach der Auslieferung eine Strafe in Höhe von 500 Euro.
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PRO: Ein Bürger wie jeder andere

Ja, es ist zweifellos heikel, dass der Nationalrat die politische Immunität von FPÖ-Klubchef Herbert Kickl aufhob. Grundsätzlich darf dies nur erfolgen, wenn es um eine strafbare Handlung geht, die nichts mit der politischen Tätigkeit des Mandatars zu tun hat. In diesem Fall geht es um eine Demo gegen die Corona-Maßnahmen von Anfang März. Dort trat Kickl als Einpeitscher auf und soll sich zeitweise nicht an Masken- und Abstandsregeln gehalten haben. Die FPÖ versucht bei diesen Demos, das Protestpotenzial für sich zu nutzen. Kickl machte also politische Arbeit.

Aber Kickl steht nicht über der Rechtsordnung. An jenem Tag stellte die Polizei mehr als 3100 verwaltungsstrafrechtliche Anzeigen an jene aus, die ihm folgten, zuhörten und wohl sein Wertekonzept teilen – auch er wurde angezeigt. Warum sollte sich ein Politiker im Schutzmantel der Immunität über die Corona-Regeln stellen können? Kickl muss die Gesetze und Verordnungen nicht mögen, er muss sich aber an sie halten. Tut er das nicht, sollte er wie alle zur Kasse gebeten werden.

Abgesehen davon ist ja noch nichts passiert. Durch die "Auslieferung" Kickls kommt das Verfahren erst in Gang. Der zuständige Jurist im Magistrat kann die Strafverfügung bei Uneindeutigkeit noch immer fallenlassen. Die Prüfung möglicher Verstöße gegen Kickl ist aber das Mindeste in Zeiten einer Pandemie, die Menschenleben kostet und durch die auf den Intensivstationen ums Überleben gekämpft wird. (Jan Michael Marchart, 23.4.2021)

KONTRA: Ein unkluger Missbrauch

Es mag für viele ein Ärgernis sein, wenn FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl ohne Maske und Abstand gegen grundlegende Corona-Präventionsmaßnahmen verstößt. Aber das ist noch immer kein Grund, ein wichtiges demokratiepolitisches Instrument wie die Immunität von Abgeordneten so unbedacht zu untergraben.

Die Regeln sind klar: Werden Abgeordnete eines Delikts abseits ihrer politischen Funktion beschuldigt, dann ist eine Auslieferung notwendig. Handeln sie aber in ihrer Arbeit als Politiker, dann genießen sie Immunität. Kickls Auftritt bei einer FPÖ-Kundgebung war natürlich ein politischer Akt und sein Verzicht auf die Maske eine politische Meinungsäußerung. Hier einen politischen Zusammenhang abzustreiten, wie es ÖVP und Grüne im Immunitätsausschuss taten, ist absurd.

Das zeigt auch die Unterstützung von SPÖ und Neos, die sonst wenig Sympathie für den blauen Scharfmacher hegen. Aber sie wehren sich dagegen, dass Regierungsparteien die Auslieferung als Waffe gegen einen unbequemen Oppositionspolitiker missbrauchen.

Auch taktisch ist der Schritt unklug. Eine Strafe von 500 Euro schmerzt Kickl weder moralisch noch finanziell. Dafür wird sie ihm als weiterer Beleg für jene "Corona-Diktatur" dienen, als deren Opfer er und seine Fans sich sehen. Es tut weh, das zu schreiben: Aber in diesem Fall hat Kickl recht. (Eric Frey, 23.4.2021)